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Zahlen für 2026 vorgestellt
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Jugendhilfe bleibt Sorgenkind im Hohenloher Kreishaushalt

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Der Posten frisst ein Drittel der Sozialkosten, die der Hohenlohekreis 2026 über Zuschüsse ausgleichen muss. Derweil sind die Hilfen zur Erziehung seit 2014 um satte 88 Prozent gestiegen. Was sind die Gründe? 

Die Kosten für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen steigen im Hohenlohekreis von 10,2 auf 12,5 Millionen Euro.
Die Kosten für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen steigen im Hohenlohekreis von 10,2 auf 12,5 Millionen Euro.  Foto: Patrick Pleul

Diese Zahlen lassen keinen kalt. Sie sind ein Spiegelbild der kommunalen Finanzkrise und der gesellschaftlichen Verwerfungen. Um die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe zu finanzieren, musste der Hohenlohekreis seit 2022 insgesamt 8,8 Millionen Euro mehr in die Hand nehmen. Das ist ein Plus von 52 Prozent. Im Haushaltsplan für 2026 sind es 25,8 Millionen – also 2,8 Millionen mehr als 2025. Das ist umso bedenklicher, als die „Hilfen zur Erziehung“ laut Kreiskämmerer Michael Schellmann „äußerst zurückhaltend“ kalkuliert wurden. Das heißt: Die Kosten sind mit enormen Risiken behaftet und könnten weiter steigen.

Das ist der größte Ausgabenblock

Der weitaus größte Ausgabenblock im Jugendhilfehaushalt für 2026, den der zuständige Ausschuss am Montag beriet und einstimmig beschloss, sind eben jene „Hilfen für junge Menschen und ihre Familien“. Sie sollen die Folgen erzieherischer Defizite in Schach halten. Der Hohenlohekreis predigt seit Jahren: ambulant vor stationär. Weil das viel günstiger ist. So früh wie möglich vorbeugend und „unterschwellig“ zu Hause oder in der Schule eingreifen, um familiäre Konflikte erst gar nicht eskalieren zu lassen und in speziellen Einrichtungen teuer kurieren zu müssen: Das ist die Devise.

Kosten für stationäre Hilfen laufen aus dem Ruder

Trotzdem kennen die Kosten in diesem Bereich nur eine Richtung: nach oben. Vor allem die Ausgaben für stationäre Hilfen laufen zunehmend aus dem Ruder. Immer mehr Fälle, die immer mehr Eigenmittel binden: Das ist die harte Realität. In Zahlen ausgedrückt: 2026 muss der Landkreis für ambulante Hilfen 7,3 Millionen Euro ausgeben, das sind bei 1127 Fällen rund 6500 Euro pro Fall. Die Ausgaben für stationäre Hilfen betragen 12,5 Millionen Euro, das sind bei 268 Fällen rund 47 000 Euro pro Fall. Mehraufwand allein im Vergleich zu 2025: rund 2,3 Millionen Euro, rechnete der Kreiskämmerer.

Zuschüsse für Hilfen zur Erziehung seit 2014 um 88 Prozent gestiegen

Claudia Müller, die Leiterin des Jugendamts, setzte noch einen drauf: Von 2014 bis 2024 sei der „Zuschussbedarf“ aus Kreismitteln, um die eklatante Differenz zwischen Erträgen und Kosten bei den „Hilfen zur Erziehung“ auszugleichen, um 88,5 Prozent gestiegen. Laut einer aktuellen Studie des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) liege dieser Wert im Land sogar bei 99,2 Prozent.

Im Deutschland: Am wenigsten für Bildung, am meisten für Soziales

Was kann man dagegen tun? Vielleicht hilft es, von vornherein mehr Geld in Bildung zu investieren als im Nachhinein soziale Schieflagen mit viel Geld zu begradigen. Claudia Müller bekräftigte damit das Ergebnis einer weiteren Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die gerade für Aufsehen sorgt und deren Ergebnis ist, dass Deutschland im europaweiten Vergleich am wenigsten im Bereich Bildung und am meisten für soziale Sicherung ausgibt.

Darum ist eine rasche Besserung nicht in Sicht

Die Lage ist aus mehrerlei Gründen äußerst verfahren und eine rasche Besserung nicht in Sicht. Einerseits müssen immer mehr Kinder und Jugendliche samt ihrer Familien aufgefangen werden, weil deren Leben immer stärker aus dem Gleichgewicht geraten. Die Fälle werden immer komplexer, die psychischen Auffälligkeiten immer gravierender bis hin zu „Systemsprengern“, die nur unter größten Anstrengungen betreut und versorgt werden können.

Das sind die Gründe für die vertrackte Lage

Eltern sind zunehmend überfordert, ihre Kinder zu erziehen, und haben selbst mit multiplen Problemen zu kämpfen. Andererseits sind die Betreuungsangebote begrenzt: vor allem im stationären Bereich. Der Fachkräftemangel schlägt auch hier erbarmungslos zu, während die Fluktuation hoch ist, was die Arbeit zusätzlich erschwert. Außerdem passen Klienten und Einrichtungen nicht immer zusammen. Dazu rechnen die stationären Einrichtungen trotz allem höhere Preise ab, weil deren Kosten für Personal und sonstige Aufwendungen tarif- und inflationsbedingt steigen.

Evangelische Jugendhilfe Friedenshort: Zahlen für Hohenlohe relativieren

Die Evangelische Jugendhilfe Friedenshort GmbH unterhält im Hohenlohekreis einige stationäre Einrichtungen. Regionalleiterin und Ausschussmitglied Cordula Bächle-Walter sagte, man müsse die jüngste KVJS-Studie zur prekären Lage bei den stationären Hilfen in Baden-Württemberg für den Hohenlohekreis relativieren, „weil wir in diesem Bereich zuletzt immer unter dem Landesschnitt lagen“.

Die Steigerungsraten der Sozialausgaben sind dramatisch. Um das eklatante Defizit zwischen explodierenden Kosten und nicht mithaltenden Erträgen auszugleichen, muss der Hohenlohekreis im Haushaltsplan für 2026 rund 78,5 Millionen Euro aus Eigenmitteln bezahlen. Das sind 21,3 Millionen Euro oder rund 39 Prozent mehr als 2022. Dieser „Zuschussbedarf“ für alle sozialen Leistungen verteilt sich 2026 wie folgt: 25,8 Millionen Euro oder 33 Prozent gehen für die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe drauf. Der größte Anteil entfällt mit rund 39 Prozent oder 30,8 Millionen auf die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen. Der Rest mit rund 28 Prozent oder 21,9 Millionen ist für die Sozialen Hilfen, den Schwerbehindertenbereich und die Gesundheitspflege.

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