Mit 90 Jahren Pilot: Unternehmer Hermann Flachsmann erzählt von seiner Flugleidenschaft
Hermann Flachsmann und Reinhard Riemann teilen nicht nur die Leidenschaft fürs Fliegen, sondern auch ein außergewöhnliches Alter im Cockpit: Zusammen bringen sie es auf 180 Lebensjahre. In ihrer FK 9 starten die beiden 90-Jährigen regelmäßig zu Abenteuern quer durch Europa.
Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Diesen Refrain eines Reinhard-Mey-Songs haben Hermann Flachsmann und Reinhard Riemann fast immer im Ohr, wenn sie in das Cockpit des Ultraleichtflugzeuges FK 9 steigen. Im Grunde genommen nichts Besonderes, gäbe es da nicht eine Zahl: Der Unternehmer Flachsmann, der den Elektrohandel in der Region Heilbronn-Franken groß gemacht hat, und Reinhard Riemann, früher führendes Mitglied bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB), kommen im Cockpit gemeinsam auf stolze 180 Lebensjahre. Ein Alter, das in der Luftfahrt wohl einzigartig sein dürfte.
Mit der Fliegerei beginnt Hermann Flachsmann in den 1970er Jahren. „Warten Sie, ich suche das genaue Datum heraus“, sagt er und blättert geduldig in seinem kleinen Flugbuch, in dem jede Flugbewegung dokumentiert ist. Da steht es schwarz auf weiß: Am 21. Mai 1975 wird dem nach wie vor fitten Senior die erste Fluglizenz erteilt. Seine Liebe zur Fliegerei erklärt der Unternehmer nach kurzem Nachdenken so: „Zum einen wollte ich immer fliegen, zum anderen hatte es geschäftliche Gründe.“
Flachsmann legt eigenen Flugplatz in Bretzfeld-Dimbach an
Als Chef der boomenden Flachsmann GmbH & Co. KG muss er in jenen Jahren mehrmals die Woche nach Düsseldorf. Morgens hin, abends zurück. Irgendwann wird ihm die Fahrerei mit dem Auto lästig. Die Konsequenz: Flachsmann macht den Flugschein, baut in Dimbach, seinem Wohnort, einen kleinen Flugplatz – und ab geht es in luftige Höhen. Diese Ära endet 1989 mit dem Verkauf der Flachsmann GmbH & Co. KG. Den kleinen Flugplatz gibt es heute nicht mehr. Er ist wie einst wieder landwirtschaftliche Fläche.
Dass die Fliegerei auch ihre Tücken haben kann, erzählt Hermann Flachsmann: „Wir wollten die Eltern meiner Frau Elisabeth, die Holländerin ist, in Rotterdam besuchen. Das Flugzeug, eine zweisitzige Jodl von der Fliegergruppe Heilbronn, wurde startklar gemacht und los ging es. Doch Rotterdam tauchte nirgendwo am Horizont auf. Ich steuerte das Flugzeug tiefer, um auf den Autobahnschildern zu erkennen, wo wir waren. Doch Fehlanzeige. Plötzlich entdeckten wir einen kleinen Flugplatz und landeten. Wir waren in Gent in Belgien. Wir hatten uns total verflogen“, lacht Flachsmann und schildert mit einem Schmunzeln den Grund: „Wir hatten den Seitenwind aus Ost nicht einkalkuliert.“ Dieses Missgeschick passiert ihm heute nicht wieder.

Die heute fliegerische Heimat von Hermann Flachsmann und Reinhard Riemann, der über den Segelflug zur Fliegerei kam, ist die Flugsportgruppe Öhringen mit dem Segelfluggelände Baumerlenbach. Hier parkt Flachsmann in den zurückliegenden Jahren verschiedene Flugzeugtypen. Heute steht hier die FK 9 mit einem 100 PS-Rotax-Motor. Der Zweisitzer ist 180 Kilometer schnell. Mit der FK 9 geht es unter anderem mal kurz nach Venedig zum Mittagessen: „In drei Stunden und zehn Minuten sind wir dort“, erzählt Flachsmann freudig. Spaß machen aber auch Flüge zur Zugspitze oder zum Großglockner. Die beiden 90-Jährigen sind für jedes Abenteuer zu haben.
Flugsportgruppe Öhringen: Flachsmann und Riemann schätzen Zusammenhalt
Wohl fühlen sich Riemann und Flachsmann in der Flugsportgruppe Öhringen, die 1929 gegründet wurde und das Segelfluggelände seit 1957 auf der Gemarkung Baumerlenbach und Langenbrettach betreibt. Beide schätzen den großen Zusammenhalt und das Vereinsleben: „Hier ist jeder für den anderen da“, loben sie. Besonders gefällt Flachsmann, der Ehrenmitglied ist, dass viele junge Menschen Gefallen an der Fliegerei finden. Aktuell hat die Fliegergruppe 15 Schüler in Ausbildung, die von mehreren Fluglehrern von April bis Oktober geschult und über die Wintermonate mit der Theorie vertraut gemacht werden.
Demnächst muss Hermann Flachsmann wieder zum Instrumentencheckflug. Ein alljährlich wiederkehrendes Ritual. Bammel hat der umtriebige Pilot nicht und zitiert eine Aussage seines Prüfers aus dem vergangenen Jahr: „Sie sind wie guter Rotwein - je älter, desto besser.“ Über den Wolken ist die Freiheit doch grenzenlos.
Gerne erinnert sich Hermann Flachsmann auch an seine Instrumentenflug-Ausbildung in Braunschweig. Hier lernt er den Sänger Reinhard Mey kennen. „Es waren drei tolle Monate. Wir paukten zusammen, was das Zeug hielt und schlossen die Ausbildung im ersten Anlauf mit Erfolg ab.“ Mit Reinhard Mey hat Hermann Flachsmann noch mehrere Jahre freundschaftlichen Kontakt.