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Haushalt des Hohenlohekreises: Ab 2026 wird es zappenduster

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Was sind die Gründe für den finanziellen Offenbarungseid?Aufgabenflut von oben crasht Verwaltungsbetrieb und bremst Investitionen. Eine Analyse. 

Der Hohenlohekreis wird den Haushalt 2025 wohl ausgleichen können. Ab 2026 wird dies nicht mehr gelingen, dann droht wieder ein dickes Minus. Kämmerer Michael Schellmann bezeichnet die finanzielle Lage der Kreise im Land als „desaströs“.
Der Hohenlohekreis wird den Haushalt 2025 wohl ausgleichen können. Ab 2026 wird dies nicht mehr gelingen, dann droht wieder ein dickes Minus. Kämmerer Michael Schellmann bezeichnet die finanzielle Lage der Kreise im Land als „desaströs“.  Foto: Jens B�ttner

Die Lage ist bitterernst. Das bringt Heinrich Schüz am Ende der Debatte um die darniederliegenden Kreisfinanzen noch einmal auf den Punkt: „Wenn ich in die Zukunft schaue, wird mir manchmal ganz anders. Der demografische Wandel wird unseren Sozialhaushalt massiv belasten“, sagt der Kreisrat der Grünen bei der letzten Sitzung des Kreistags vor der Sommerpause. Und muss dazu nur einen massiv steigenden Kostenblock nennen, um die Dramatik der Lage zu illustrieren: „Bei der Jugendhilfe friert es mich, wenn ich da auf die aktuelle Entwicklung schaue.“ Immer mehr Probleme, immer mehr Ausgaben. Von der „mangelnden Erziehungsfähigkeit“ bis zur „Gewalt in Familien“. Was allein hier in „den letzten paar Wochen“ im Hohenlohekreis passiert sei, „ist eine Katastrophe“, so Schüz.

Ein exemplarischer Ausschnitt zeigt, woran das System krankt

Es ist nur ein kleiner Ausschnitt der großen Finanzmisere, die den Hohenlohekreis ereilt hat. Doch er zeigt exemplarisch, woran das ganze Systeme krankt. Die verpflichtenden Aufgaben – vor allem im Sozialbereich – werden immer umfangreicher und immer komplizierter, und immer mehr kommt von oben dazu, weil der Bund so viele neuen Gesetze beschließt, die auf Kreisebene mit hohem Aufwand umgesetzt werden müssen.Die Jugendhilfe ist ein Beispiel unter vielen. Und noch konkreter: Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz sowie die enorm ausgeweitete Eingliederungshilfe für behinderte Menschen sind zwar gut gemeint, entpuppen sich in der Praxis aber als hässliche Bürokratiemonster und fiese Zeitfresser.

Die zwei guten Nachrichten sind nur „glückliche Einmaleffekte“

Eigentlich hat der Kreiskämmerer an diesem Nachmittag in Pfedelbach zwei gute Nachrichten zu verkünden: Der Jahresabschluss 2024 ist besser als gedacht und das Ergebnis mit rund zwei Millionen Euro statt mit nur 21000 Euro im Plus. Auch der Zwischenbericht zum laufenden Haushalt 2025 liest sich gar nicht so schlecht: Ein ausgeglichenes Ergebnis sei „durchaus erreichbar“, aus heutiger Sicht werde es bei 511 000 Euro liegen.Nur: Diese finanziellen Verbesserungen sind nach den Worten von Michael Schellmann ausschließlich „glücklichen Einmaleffekten“ zu verdanken, die so nicht mehr wiederkehren würden. Das heißt: Spätestens ab 2026 und in den Folgejahren wird es wieder zappenduster.

2023 häuft der Hohenlohekreis ein Rekord-Defizit an

Zur Erinnerung: Im Haushaltsjahr 2023 häufte der Hohenlohekreis im laufenden Betrieb ein Rekord-Defizit von 9,1 Millionen Euro an. Geht es nun wieder in eine ähnliche Richtung? Das wollen die Verantwortlichen im Landratsamt unter allen Umständen verhindern. Ob es ihnen gelingt, steht auf einem anderen Blatt. Bereits für 2024 hatte eine Kreistagsmehrheit der Verwaltung einen eisernen Sparkurs verordnet, der 2025 nahtlos weitergeführt wurde und ab 2026 mit noch härteren Bandagen fortgesetzt werden soll. Doch wenn der Bund die gesetzlichen Belastungen im Gegenzug nicht bändigt und das Land seine Zuweisungen nicht deutlich erhöht, bringt das alles herzlich wenig. Denn so viel kann der Kreis gar nicht aus eigenen Stücken sparen, wie an neuen Pflichtaufgaben dazukommt. Die Finanzierungslücke wird so immer größer.

Kämmerer mahnt: Umfassende Sozialreformen „dringend nötig“

Die Finanzkrise der Kreise sei strukturell bedingt, wird Kämmerer Michael Schellmann nicht müde zu betonen. Eine umfassende Sozialreform sei deshalb „dringend nötig“. Auf der anderen Seite werde man weiterhin „freiwillige Leistungen hinterfragen“ sowie „Strukturen und Prozesse“ durchleuchten. Bislang hatte der Kreis nicht mit den Einnahmen, sondern mit den Ausgaben zu kämpfen. Doch jetzt zeichnet sich ab: Auch die Zuflüsse werden sinken, weil der Staat aufgrund der Wirtschaftsflaute weniger Steuern einnehmen und verteilen kann – während die Kosten weiter steigen. Das komplette Fiasko ist somit vorgezeichnet, wenn nicht gegengesteuert wird.

Von Rechentricks und No-Gos

Da helfen auch keine Rechentricks oder vagen Prognosen mehr, um die Haushalte wie bisher irgendwie ins Plus zu trimmen. Sondern: Der finanzielle Offenbarungseid ist längst geleistet. Und der liest sich so: Das Betriebsergebnis rutscht erneut (tief) ins Minus, obwohl am Ende zumindest eine schwarze Null stehen sollte. Noch besser wäre, daraus einige Millionen für Investitionen zu erwirtschaften. Doch daran glaubt keiner mehr. Stattdessen muss der Kreis seine liquiden Mittel immer stärker anzapfen, um den Verwaltungsetat in Balance zu halten. Oder in der Not neue Schulden dafür verwenden, was nach der reinen Lehre ein absolutes No-Go ist.

Auch die Kommunen können nicht groß weiterhelfen

Für dringend notwendige Investitionen muss der Kreis noch mehr Kredite aufnehmen, als ihm lieb ist. Oder noch mehr von den 16 Städten und Gemeinden nehmen, die über eine jährliche Umlage den Kreishaushalt zum großen Teil finanzieren. Weil aber auch die Kommunen finanziell aus dem letzten Loch pfeifen und nicht nur deren Steuerkraft deutlich sinkt, gibt es auch darüber nicht viel mehr zu verteilen. Deshalb ist und bleibt die Lage: bitterernst. 

So finanziert sich der Hohenlohekreis

Der Kreis finanziert seinen Verwaltungsbetrieb aus den jährlichen Umlagen der 16 Kommunen sowie aus Zuweisungen und Erstattungen vom Land. Für Investitionen kann er Geld auf die hohe Kante legen und/oder Kredite aufnehmen. Problematisch wird es, wenn der laufende Betrieb nicht mehr aus eigener Kraft gestemmt werden kann, sondern flüssiges Geld abgezapft oder gar neue Schulden gemacht werden müssen. Im ersten Stadium ist der Kreis angelangt. Allein 2024 verbrauchte er 14,2 Millionen Euro liquide Mittel – und damit 13,3 Millionen mehr als geplant. 2025 sollen es nur 871 000 Euro sein, dafür gibt es neue Kredite über 20 Millionen Euro. Was bedeutet die Finanzkrise für die zwei teuersten Investitionen, die der Hohenlohekreis bis dato tätigen wird?

Die Krux mit dem neuen Kreishaus

Das neue Kreishaus in Künzelsau darf jetzt nicht mehr als 70 Millionen Euro kosten. Dies will der Kreis zu rund zwei Dritteln aus Krediten und zu etwa einem Drittel aus liquiden Mitteln finanzieren. Diese wurden als Festgelder angelegt und sollen ab 2026 allein dafür eingesetzt werden. Gleichzeitig schmelzen die anderen Rücklagen seit Jahren dahin, um den laufenden Betrieb zu stützen. Wenn das so weitergeht, könnten die Kreishaus-Mittel gefährdet sein.

Auch der Krankenhaus-Neubau frisst viele Millionen 

Für den Eigenanteil des Krankenhaus-Neubaus in Öhringen in Höhe von 48,5 Millionen Euro muss der Kreis jedes Jahr 1,6 Millionen selbst zahlen, bis die Träger GmbH wieder verlässlich in die Gewinnzone rutscht. Außerdem musste der Kreis 2024 ein Sonderdarlehen über zehn Millionen und 2025 eines über fünf Millionen Euro aufnehmen. Von 2020 bis 2024 machte er 17,6 Millionen locker, um das Betriebsdefizit zu bereinigen. Von 2025 bis 2028 sind dafür 11,8 Millionen Euro reserviert. Nach der reinen Lehre müsste der Kreis weder die Investitionen mitfinanzieren noch das Betriebsminus ausgleichen. 

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