„Jeder von uns kann in die Lage kommen, nicht mehr eigenständig handeln zu können, ganz unabhängig vom Alter“: Silke Reuther vom Betreuungsverein appelliert deshalb, frühzeitig Vorsorge zu treffen, um einen Bevollmächtigten zu bestimmen, der sich um rechtliche Angelegenheiten wie Bank-, Versicherungs- oder Gesundheitsfragen kümmert. Ihre Empfehlung: die Info-Mappe „Selbstbestimmt vorsorgen“ des Kreisseniorenrats. Sie sei in Rathäusern, beim Pfegestützpunkt oder Betreuungsverein erhältlich. Mehr dazu: www.btv-hohenlohe.de.
Betreuungsverein im Hohenlohekreis als Helfer in der Not bis heute unverzichtbar
Wer seine persönlichen oder finanziellen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, weil er plötzlich schwer krank oder behindert ist, braucht Beistand: Der Betreuungsverein leistet hier seit 30 Jahren wertvolle Arbeit.

Ob jung oder alt: Es kann jeden treffen. Wer durch eine schwere Krankheit oder Behinderung plötzlich nicht mehr in der Lage ist, seine persönlichen und finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln, braucht einen Beistand, der das übernimmt. Diese Betreuung ist rechtlich bindend, läuft aber höchst unterschiedlich ab. Wer privatrechtlich vorgesorgt und einen Bevollmächtigten bestimmt hat, kann fortan auf diesen zählen. Das kann zum Beispiel der Ehepartner sein.
Seit 30 Jahren im Einsatz
Wer dies versäumt hat, kann vielleicht danach einen Betreuer aus dem Familienkreis gewinnen. In immer mehr Fällen müssen jedoch andere Helfer einspringen: Ehrenamtliche, die mit der Familie nichts zu tun haben, oder Berufsbetreuer – und Vereinsbetreuer. Deren Arbeit wird im Rahmen dieser gesetzlichen und von Gerichten überwachten Betreuung immer wichtiger. Im Hohenlohekreis kümmert sich darum der Betreuungsverein – und das schon seit 30 Jahren. Am Montag erfuhren die Kreisräte im Sozialausschuss, wie umfassend und fordernd dessen Tätigkeit ist.
Das waren die Gründe für die Gründung
Gegründet wurde der Betreuungsverein am 27. April 1995 vor allem deshalb, weil wegen der demografischen Entwicklung ein starker Anstieg der Betroffenen vorhergesagt wurde – vor allem unter sehr alten Menschen. Und weil die zuständige Betreuungsbehörde im Landratsamt heillos überlastet war. Auf eine Vollzeitstelle kamen damals 70 Fälle. Da blieb kaum noch Zeit für anderes. Der Verein sollte Abhilfe schaffen. Mit einem Mitarbeiter fing es an, jetzt sind es elf. Die Zahl der Mitglieder ist von 25 auf 168 gestiegen. Damit zählt er zu den großen Betreuungsvereinen im Land.
Betreuungsbehörde war heillos überlastet
Die Notwendigkeit resultierte daraus, dass zum 1. Januar 1992 das über 100 Jahre alte Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) geändert wurde, was einen enormen Mehraufwand für die örtliche Betreuungsbehörde zur Folge hatte. Die Vormundschaften und Pflegschaften für Erwachsene wurden abgeschafft und durch rechtliche Betreuungen für Erwachsene ersetzt. Ziel war, die Rechte all jener Bürger zu stärken, die wegen Behinderung oder Krankheit nicht selbst in der Lage waren, sich um ihre rechtlichen Angelegenheiten zu kümmern. In Abstimmung mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege wurde beschlossen, einen Betreuungsverein zu gründen, der Aufgaben übernimmt, die ansonsten die Betreuungsbehörde des Hohenlohekreises leisten müsste.
Menschen in der Lebensmitte sind Hauptklientel
Die Institution sei „nicht mehr wegzudenken“, heißt es in der Vorlage des Kreistagsausschusses. Landrat Ian Schölzel bekräftigt: „Es ist eine sehr wertvolle Einrichtung.“ Dies umso mehr, als nicht etwa wie damals angenommen „Hochaltrige“ heute das Hauptklientel der fünf Vereinsbetreuerinnen sind, sondern „eher Menschen in der Lebensmitte“, wie Silke Reuther berichtet, die seit 2013 Geschäftsführerin des in der Schnurgasse 9 in Künzelsau ansässigen Vereins ist. Oder ganz junge Leute. „Oft haben wir auch mit der Jugendhilfe zu tun: von Schulden bis zu vier Handyverträgen auf einmal ist da alles mit im Boot.“
Viele Hochbetagte haben sich frühzeitig abgesichert
Viele Hochbetagte hätten sich frühzeitig über Vorsorgevollmachten abgesichert und würden vom familiären Umfeld versorgt. Jüngere Altersgruppen haben dies weniger auf dem Schirm und müssen deshalb von externen Kräften aufgefangen werden. Die Betreuung ist dann noch viel komplexer und zeitintensiver, etwa weil mehrere Krankheitsdiagnosen auf einmal vorliegen.

Ausschließlich Frauen managen die Arbeit
Die Vereinsbetreuerinnen müssen speziell geschult und belastbar sein. Sie übernehmen vor allem die schwereren Fälle. Das Team besteht nur aus Frauen, „wir haben keine männlichen Bewerber“, sagt Reuther. Dafür werden im Kreis mittlerweile mehr Männer als Frauen betreut. Wie anstrengend der Job sein kann, verdeutlicht die Geschäftsführerin mit drei Beispielen samt sehr „unappetitlichen Bilder“ von total verwahrlosten Wohnungen, in denen die meist alkoholkranken Männer im Alter von 46, 52 und 55 lebten. Umso höher ist die Wertschätzung der Kreisräte.
Nachfrage nach Vereinsbetreuern stetig gestiegen
Neben den aktuell 167 Fällen, die in Vereinshand liegen, sind im Kreis derzeit berufliche Betreuer in 341, Ehrenamtliche ohne familiären Bezug in 29 und ehrenamtliche Betreuer aus dem familiären Umfeld in 481 Fällen im Einsatz. Die Nachfrage nach den Vereinsbetreuern ist stetig gestiegen, anfangs sei diese Dienstleistung noch gar nicht im Zentrum gestanden, so Reuther. Daneben informiert der Verein über das Betreuungsrecht, gewinnt und schult ehrenamtliche Betreuer und berät privatrechtlich Bevollmächtigter.
So finanziert sich der Verein
Seit 1995 wurden 830 Hohenloher vom Verein direkt betreut. Die meisten der derzeit 167 Bürger aus dem Kreis, die auf diese Weise versorgt werden, sind zwischen 40 und 69 Jahre alt. Für jeden erhält der Verein eine monatliche Pauschale von 102 Euro, die ab 1. Januar um zehn Prozent steigt. Hinzu kommt ein separater Zuschuss des Landes. All dies ist immer noch zu wenig, weshalb der Betreuungsverein mehr denn je auf Spenden angewiesen ist.

Stimme.de