Dekan Baisch: Weihnachten kann in Politik und Alltag Orientierungshilfe sein
Weihnachten kann Orientierungshilfen geben, sagt der Heilbronner Dekan Christoph Baisch im Stimme-Interview. Mit Blick auf die Landtagswahl 2026 warnt der Seelsorger vor jenen, die die Demokratie abschaffen wollen. Gleichzeitig spannt er einen weiten Bogen von Musik über Kriege und Krisen bis zu KI.

Das Weihnachtsfest kann in vielerlei Hinsicht Mut machen und Orientierungshilfen geben, für alltägliche und für politische Fragen, wie Dekan Christoph Baisch im Interview anklingen lässt. Mit Blick auf die Landtagswahl 2026 warnt der Seelsorger „vor Stimmen, die nur einen bestimmten Kreis von Menschen für schützenswert halten und andere aus dem Land schaffen wollen“ und vor jenen, die die Demokratie abschaffen wollen.
Gleichzeitig spannt er einen weiten Bogen: von seinem liebsten Weihnachtslied und das Orgelprojekt „Klangraum Kilianskirche“ über Kriege und Krisen bis zu Künstlicher Intelligenz (KI).
Weihnachten als Orientierung in Krisenzeiten und politisch aufgeladener Stimmung
Was ist denn ihr liebstes Weihnachtslied?
Christoph Baisch: In diesem Jahr berührt mich besonders das Lied „Es ist ein Ros entsprungen.“ Und zwar vor allem die dritte Strophe: „Das Blümelein so kleine, das duftet uns so süß; mit seinem hellen Scheine / vertreibt´s die Finsternis.“ Das Kind in der Krippe wird mit einer zarten Blume verglichen, die so verletzlich ist – und dann doch so viel tröstliches Licht ausstrahlen kann. Ein Lied für die Kraft von Weihnachten in einer Welt voller Krisen.
Zu Weihnachten gehören festliche Orgelklänge. Die Orgel in der Kilianskirche soll für 1,3 Millionen Euro modernisiert werden. Könnte man das Geld nicht besser für soziale Zwecke verwenden?
Baisch: Für wichtige Aufgaben braucht es die nötigen Mittel. Es werden Spenden für die Orgel gesammelt– und von den Spendern gezielt für die Orgel gegeben. Für soziale Projekte wie den Seelenschmaus werden ebenfalls Spenden gesammelt und gezielt dafür gegeben. Es ist ein großes Geschenk, dass die Menschen in unserer Stadt sich so vielfältig engagieren. Und es ist für alle schön, wenn armen Menschen geholfen wird und zugleich in der Kirche an Weihnachten und auch sonst ein voller Orgelklang das Lob Gottes erklingen lässt und das Herz erwärmt.
1,3 Millionen Euro für die Orgel: Warum Kultur und Soziales kein Widerspruch sind
Hat denn so eine Kirchenorgel auch einen gewissen Mehrwert für die Stadtgesellschaft?
Baisch: Eine Nachfrage bei denen, die die Gottesdienste und Konzerte besuchen, wird bestätigen, wie breit der Mehrwert für die Stadtgesellschaft ist. Und das Konzept für die Orgelrenovierung vom „Klangraum Kilianskirche“ wird Hör-Erlebnisse ermöglichen, die auch für die ganze Region einen Mehrwert darstellen.
Weihnachten ist ja das Fest des Friedens, doch aktuell sieht es ganz anders aus…
Baisch: … in der Tat! Und eben deshalb ist dieses Fest so wichtig! Als Fest der Sehnsucht nach Frieden – und als Fest der Freude, dass Gottes Frieden mitten in unsere unfriedliche Welt gekommen ist.
Friedenssehnsucht an Weihnachten trotz Terrorgefahr und Sicherheitsdebatten
Stichwort Unfrieden: Was halten Sie von den gewaltigen Zufahrtssperren zum Weihnachtsmarkt?
Baisch: Die Sperren sind ein wuchtiges Bild dafür, dass das friedliche Zusammenleben bei uns gefährdet ist. Sie geben ein gewisses Maß an Sicherheit. Aber sie machen auch bewusst: Wir können nicht alles absichern. Und wenn aus Angst alles nur noch gesichert wird, verändert unsere Gesellschaft ihr Gesicht. Fröhliches Zusammensein in freier Gemeinschaft ist immer auch gefährdet. Das Kind in der Krippe im Stall war auch nicht gesichert. Gelebte Liebe zum Menschen bleibt ein Wagnis.
Manche sagen, man brauche diese Sperren nur wegen der Flüchtlinge.
Baisch: Sehen Sie, wegen solcher Äußerungen ist Weihnachten so wichtig. Denn der Geist von Weihnachten bewahrt davor, pauschal bestimmte Leute zum Problem zu erklären. Wir feiern doch an Weihnachten die Familie, die wenig später als Flüchtlinge nach Ägypten unterwegs war. Wir feiern das Kind in der Krippe, in dem Gott völlig wehrlos zu den Menschen kam. Die Absperrungen heute brauchen wir, weil es leider Menschen gibt, die andere Menschen verachten und ihr Leben bedrohen. Diese Haltung ist das Problem. Und sie findet sich nicht pauschal bei einer bestimmten Personengruppe.
Israel, Hamas und Antisemitismus: Ein Plädoyer für differenzierte Kritik
Ausgerechnet im Heiligen Land herrscht alles andere als Friede. Was sagen Sie zu Israels Politik?
Baisch: Zu Israels Politik sage ich nur etwas, wenn ich zugleich auch zur Politik der Hamas oder der Hisbollah etwas sage. Und da argumentiere ich erneut von Weihnachten her: Mit diesem Fest feiern wir, dass Gott den Frieden für die Menschen will, weil er an ihnen Wohlgefallen hat. Also verdient jede Politik, die die Menschenleben nicht achtet und den Frieden nicht fördert, Widerspruch. Dies aber nur in Richtung Israel anzumahnen und in die andere Richtung zu schweigen, offenbart eine innere Haltung des Antisemitismus.
Nicht weit von uns herrscht Krieg, in der Ukraine – und wir liefern Waffen. Anfangs verurteilten Sie dies, was halten Sie heute nach drei Jahren davon?
Baisch: Die Angriffe Russlands achten die Menschenleben nicht und fördern den Frieden nicht. Deshalb gilt auch für sie mein größter Widerspruch. Doch nach drei Jahren der Sprache der Waffen ist die Zerstörung nur größer und die Zahl der Toten höher geworden. Das wirft die Frage auf, ob der Widerspruch mit Waffen wirklich sein Ziel erreicht. Gibt es andere Möglichkeiten, sich zu widersetzen, mit weniger Zerstörung und Toten? Darüber will ich zumindest nicht aufhören, nachzudenken.
Wir sind nun mitten in der Politik gelandet. 2026 stehen Landtagswahlen an: Landesbischof Gohl und viele andere Protestanten haben zuletzt immer wieder vor Stimmen für die AfD gewarnt. Und Sie?
Baisch: Auch hier bietet das Weihnachtsfest Orientierung: Wir feiern das Kind in der Krippe als Ausdruck für Gottes Liebe zur Welt und zu allen Menschen. Von Weihnachten her gedacht, warne ich also vor Stimmen, die nur einen bestimmten Kreis von Menschen für schützenswert halten und andere aus dem Land schaffen wollen. Von Weihnachten her warne ich vor Stimmen, die nicht jedem das gleiche Mitspracherecht einräumen und also die Demokratie abschaffen wollen. Wo immer solches Denken aufscheint, warne ich, den Vertretern auch nur eine Stimme zu geben.
Jetzt müssen wir den Blick aber auch mal auf etwas Positives lenken, auf Heilbronn als Vorreiter beim Aufbruch ins KI-Zeitalter.
Baisch: Kleine Zwischenbemerkung: Im Grunde blicken wir die ganze Zeit auf etwas Positives, nämlich auf das kommende Weihnachtsfest. Dieses Fest gibt uns Grund für einen positiven Blick. Aber das nur am Rande.
Okay. Zurück zu Heilbronn als KI-Zentrum. Was halten Sie von KI? Eignet sie sich etwa auch für die Kirche – gerade angesichts des Pfarrermangels?
Baisch: Dieses Thema wäre ein eigenes Gespräch wert! In Kürze nur so viel: Die KI ist Teil dieser Welt, und unsere Aufgabe ist es, sie zum Wohl der Menschen zu nutzen. Sie kann ein tolles Hilfsmittel sein und viele Dinge sinnvoll weiterentwickeln. Sie wird aber nie die Mitmenschlichkeit ersetzen können. KI kann vielleicht Trost- und Segensworte aus der Bibel schnell heraussuchen. Aber die innere Stärkung, die ein Zuspruch solcher Worte von Mensch zu Mensch vermittelt, wird die KI nicht aufbauen können.
Was wünschen Sie den Menschen in und um Heilbronn zu Weihnachten?
Baisch: Das, was die Engel singen: Friede auf Erden den Menschen, die Gott liebt. Und ich wünsche Zuversicht in Krisenzeiten sowie Freude daran, sich als Stadt- oder Ortsgesellschaft offen und respektvoll zu begegnen. Dann bekommt das Jahr 2026 eine warme Farbe.
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