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Bewerbung um Green Capital Award
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Titel als Türöffner: Was Heilbronn von der Umwelthauptstadt Essen lernen kann

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Heilbronn will Umwelthauptstadt Europas werden. Die Entscheidung im Finale des Green Capital Awards fällt Ende November. Essen hat den Titel 2017 geholt, in der Ruhrgebietsstadt hat das Projekt einiges in Gang gesetzt. 

Krupp-Park in Essen: Die Ruhrmetropole holte 2017 den Green-Capital Award, um den sich Heilbronn bewirbt.
Krupp-Park in Essen: Die Ruhrmetropole holte 2017 den Green-Capital Award, um den sich Heilbronn bewirbt.  Foto: Hettich, Alexander

Trist, grau, von den Kohlezechen geprägt: Die Vorurteile gegenüber Essen sind so alt wie falsch. Schon 2010 trug die Metropole stellvertretend für das ganze Ruhrgebiet den Titel Kulturhauptstadt Europas. Den Green Capital Award - also jener Wettbewerb, in dem es Heilbronn jetzt unter die drei verbliebenen Finalisten geschafft hat - holte Essen 2017, begleitet von Vorbehalten und Spott aus der eigenen Bevölkerung, wie das auch in Heilbronn der Fall ist. 

Das hat erstmal Fragezeichen ausgelöst", erinnert sich Kai Lipsius, Klimaschutzbeauftragter der Stadt Essen und Leiter der Grüne-Hauptstadt-Agentur. "Dann kam der Aha-Effekt und die Einsicht: Die eigene Stadt ist ja grüner, als man denkt." Dabei ist das Label Green Capital etwas irreführend. Die Europäische Kommission honoriert mit dem seit 2010 verliehenen Preis nicht die Metropole mit den meisten Parks oder den üppigsten Waldflächen. Ausgezeichnet werden langfristige Konzepte in Städten, die sich auf dem Weg der Transformation befinden. 

Umwelthauptstadt Essen: Wandel der Bergbaumetropole

Essen steht da prototypisch für den Wandel vom Bergbau- und Industriezentrum zum Dienstleistungsstandort. Der Titel 2017 "hat eine große Dynamik ausgelöst", sagt Lipsius. Für Essen war es der Start in eine "grüne Dekade", in der Entwicklungen in zwölf Themenfeldern angestoßen und umgesetzt werden sollen. Der Umwelthauptstadt-Gedanke ist keine Bundesgartenschau, "es gibt nicht die eine Großveranstaltung", erklärt der Essener Klimaschutzbeauftragte. 

Publikumsträchtige Highlights gab es, etwa das Familienfest im Grugapark zum Auftakt mit 30.000 Besuchern. Vor allem war das Green-Capital-Jahr an der Ruhr gespickt mit Dutzenden kleinen Veranstaltungen, Workshops, Nachbarschaftsfesten und Kursen rund um die Themenfelder Umwelt und Nachhaltigkeit. 

Zentral unter den zwölf Handlungsfeldern war neben Abwasserwirtschaft, Biodiversität und Grünflächen der Komplex Mobilität. Beim Radverkehr konstatiert Lipsius durch den Impuls von 2017 eine "echte Zeitenwende", das Netz wurde ausgebaut, in der Kommunalpolitik genoss das Thema Priorität, die Stadt tat sich leichter, an Fördergelder zu kommen.

Green Capital als Schub für Mobilitätskonzept

Damit verbunden war ein ehrgeiziges Ziel: Die in der Stadt zurückgelegten Wege sollen sich zu  je einem Viertel auf ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr und Motorisierten Individualverkehr, also das Auto verteilen.  Zum Vergleich: Auch Heilbronn hat sich Ziele für den sogenannten Modal Split gesetzt. So sollen bis 2030 nicht mehr 57 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden, sondern 46 Prozent. Der ÖPNV-Anteil soll von zehn auf 15 Prozent steigen, der Rad-Anteil von zehn auf 13 Prozent. Zu Fuß sollen statt 18 in Zukunft 20 Prozent der Wege zurückgelegt werden.

Essen hält an seiner Mobilitätswende fest, auch an der 25-Prozent-Marke für den Radverkehr bis 2035. Dieses Ziel ist jedoch weit entfernt, wird zum Teil in der Kommunalpolitik wieder infrage gestellt. Auch das zeigt die Essener Erfahrung. Der Einsatz für Nachhaltigkeit erfordert einen langen Atem, insbesondere dann, wenn das Geld knapp wird.    

Heilbronn als Green Capital? Favorit ist eine andere Stadt 

Mehr Grün in die Stadt: Auch das war für Essen zentral im Green-Capital-Jahr  und danach. Stellvertretend für den Wandel steht etwa die Emscher-Renaturierung: Der Fluss im Norden der Stadt wurde infolge der Industrialisierung zur Kloake, das Gewässer war tot. Seit 2021 ist der Fluss abwasserfrei, Auen werden angelegt, der ehemalige Kanal bekommt sein natürliches Bett wieder - auch das ist ein Projekt, das noch Jahrzehnte in Anspruch nimmt. Sinnbild der Transformation ist auch der Krupp-Park, der auf einem Teil des ehemaligen Stahlwerks entstand. Von der Grünfläche fällt der Blick auf Fördertürme, die an die Zechenvergangenheit erinnern. 

Eines kann sich Heilbronn bei Essen abschauen: Geduld. Die Ruhrmetropole bewarb sich einmal vergeblich, bevor ihr 2017 der Titel zuerkannt wurde. Kaum ein Bewerber hat es in der Geschichte des Green Capital Awards beim ersten Mal geschafft. Für Heilbronn ist die Bewerbung eine Premiere. Das österreichische Klagenfurt und Guimarães sind außerdem noch im Rennen, wobei die Portugiesen als favorisiert gelten. Erste Lorbeeren hat Heilbronn aber schon gesammelt. Die Jury lobte das „umfassende System zur Überwachung der Lärmbelastung, den Landschaftsplan, das Mobilitätskonzept und eine breitere Bürgerbeteiligung“. Das alles zeuge von einem „ganzheitlichen Ansatz der Stadtplanung“. 

Sollte es  bei der Sieger-Kür vom 26. bis 28. November in Valencia nicht ganz nach oben aufs Treppchen reichen, hat Heilbronn vorgesorgt. Die Stadt will sich in jedem Fall ein weiteres Mal bewerben.  

 

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