Sturz von Assad: Wie Syrer in der Region Heilbronn auf den Machtwechsel reagieren
Viele Syrer in der Region sind glücklich über den Sturz des Assad-Regimes in ihrem Heimatland. Wie es dort weitergeht, sei aber noch unklar. Sie hoffen auf eine Demokratie.
"Ich freue mich, dass der Diktator weg ist", sagt Abdul Mdirati. Der 35 Jahre alte Syrer ist 2017 aus dem kriegsgeschundenen Land nach Deutschland geflohen. Seine Eltern und einer seiner Brüder leben noch immer in dem kleinen Dorf bei al-Bara im Nordwesten des Landes. "Es geht ihnen gut", sagt Mdirati. Für sein Heimatland hofft er jetzt das Beste. "Die Zukunft dort ist aber noch ungewiss", sagt der Heilbronner.
Nach Sturz des Assad-Regimes: Keine öffentliche Freudenfeiern in der Region Heilbronn
Nach dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad blieben große öffentliche Freudenfeiern in der Region aus. Aber alle Landsleute, die Mdirati kennt, seien froh, dass das Regime gestürzt ist. Sie alle hofften jetzt darauf, dass die neuen Machthaber demokratische Strukturen schaffen. "Damit meine ich eine echte Demokratie. Nicht Wahlen mit 99 Prozent Zustimmung für den Präsidenten."
Anzeichen dafür seien da. "Es gibt jetzt viele Ideen in Richtung Demokratie", sagt Mdirati. Aber noch seien die Machtverhältnisse nicht geklärt. Und auch nicht alle politischen Gefangenen aus den Gefängnissen befreit. Allein aus seinem Dorf seien 40 Menschen verhaftet und nach Aleppo oder Damaskus verschleppt worden. Nur von sechs davon habe er nach dem Sturz des Regimes gehört, so der Heilbronner.
Syrer aus der Region Heilbronn: Verwandte noch immer nicht aus Kerkern befreit
Auch Nezah Saleh weiß von Menschen, die noch immer in den Gefängnissen sitzen. Unter anderem sein Onkel und sein Cousin. Sie seien in einem unterirdischen Kerker eingesperrt, der noch immer nicht befreit ist. Die rebellischen Soldaten machten dort zwar Etage für Etage auf. Für das Stockwerk, in dem seine Verwandten sitzen, hätten sie in dem unterirdischen System aber noch immer nicht einmal die Türe gefunden.
Salehs Eltern leben in einem Dorf südlich von Damaskus. Drei Tage bevor Assad geflohen ist, habe es dort noch kleine Kämpfe gegeben. Jetzt fühlten sich die Syrer frei. Jeder könne sagen, was er will. "Das gab es dort früher nicht", sagt Saleh. Er hofft, dass Syrien eine Demokratie wird.

Im Nordheimer Begegnungscafé in der alten Bahnhofswirtschaft war am Sonntag der Sturz des Diktators das große Thema. "Die Syrer haben sich total gefreut", sagt Marco Preiß vom Nordheimer Asylkreis. Sie hofften jetzt auf einen neuen Aufbruch. Preiß ist eher vorsichtig. Immerhin habe der Anführer der rebellischen Miliz, Abu Muhammad al-Dschaulani, früher für die Terrororganisation Al Kaida gekämpft. Den Syrern wünsche er, "dass sich in ihrem Land alles normalisiert".
Demokratie in Syrien habe eine gute Chance – Wunsch: Assad vor Gericht
Dass das nicht von heute auf morgen gehen wird, steht für Nezahl Saleh fest. "Jetzt müssen erst einmal alle die Waffen abgeben", sagt der 28-Jährige, der seit Mai 2023 einen deutschen Pass hat. Danach müsse eine neue Regierung gewählt werden. "Die Demokratie in Syrien hat eine gute Chance." Wünschen würde er sich, dass Assad vor ein internationales Gericht gestellt wird.
Reinhard Buyer engagiert sich seit 2014 in der Flüchtlingshilfe. Der Heilbronner Diakon im Ruhestand hat nach dem Sturz des Diktators viele Whatsapp-Nachrichen mit Syrern in der Region geschrieben. "Die Freude darüber, dass die furchtbare Zeit vorbei ist, ist wirklich groß." Wie es in Syrien weitergeht, könne man aber kaum vorhersagen, so Buyer. "Vier Fünftel der Menschen dort leben unterhalb des Existenzminimums." Und auch die politische Lage sei derzeit eher diffus, so Buyer.
Warum Syrer aus der region Heilbronn nicht in ihr Heimatland zurückkehren möchten
Nach Syrien zurückkehren will Abdul Mdirati nicht. In Deutschland hat er sich inzwischen eine Existenz aufgebaut. Er hat einen deutschen Pass, hat geheiratet und absolviert derzeit eine Ausbildung zum Krankenpfleger beim Heilbronner Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). Im August 2025 ist er damit fertig. Danach will er beim ASB in seinem neuen Beruf arbeiten.
Auch Nezah Saleh hat sich in Deutschland integriert. Er ist ausgebildeter Koch und hat hier viele neue Freunde gefunden. "In Syrien müsste ich wieder bei Null anfangen", sagt Saleh.
Tausende Syrer leben in Stadt- und Landkreis Heilbronn
In Heilbronn hatten zum 30. Juni dieses Jahres 781 Einwohner mit dem Herkunftsland Syrien einen deutschen Pass (Eingebürgerte). Davon besitzen 742 Personen syrisch als zweite Staatsangehörigkeit. Darüber hinaus lebten laut dem Ausländerzentralregister Stand 31. Oktober 2411 syrische Staatsangehörige in Heilbronn. 290 davon besitzen eine Niederlassungserlaubnis. 197 Personen befinden sich in einem laufenden Asylverfahren.
Im Zuständigkeitsbereich des Heilbronner Landratsamtes leben heute 2467 syrische Staatsangehörige. Die Zahlen decken den Landkreis ab, ausgenommen die Flüchtlinge, die in Neckarsulm, Bad Rappenau und Eppingen leben. Diese Großen Kreisstädte haben eine eigene zuständige Ausländerbehörde.
In Neckarsulm befinden sich laut Pressestelle der Stadt aktuell 179 Flüchtlinge aus Syrien in der Anschlussunterbringung. In Bad Rappenau und den Stadtteilen leben laut Pressestelle aktuell 245 Menschen aus Syrien. Im Zuständigkeitsbereich Eppingen, Gemmingen und Ittlingen verzeichnet die Stadt Eppingen laut Pressestelle aktuell eine untere dreistellige Zahl an Flüchtlingen aus Syrien mit Aufenthaltserlaubnis.