Heilbronner Schüler verlegen Stolpersteine und setzen starkes Zeichen gegen das Vergessen
In Heilbronn wurden 13 neue Stolpersteine verlegt. Jugendliche erinnern auf Gehsteigen an die Opfer des Nationalsozialismus. Redner warnen bei der Verlegung vor neuem Antisemitismus.

„Viel Leid gebar die Zeit aus Zorn und Pein, doch darf´s nicht sein, dass es im Nichts verweht. Erinnerung soll Mahnung für uns sein, dass Menschlichkeit in Ewigkeit besteht.“ Mit diesen und weiteren eigenen Zeilen leiteten Tania Negot (16), Lena Lüftner (16) und Sarah Ramming (15) vom Theodor-Heuss-Gymnasium am Freitag die Verlegung von 13 Stolpersteinen ein: Drei von 30 Schülerinnen, Schülern, Azubis und FSJ-lern aus sechs Schulen und dem Stadtarchiv, die seit Herbst meist außerhalb des Unterrichts mit Lehrern und Begleitern die Schicksale von Verfolgten des NS-Regimes recherchiert haben.
Der von einem Runden Tisch unter Leitung von Pfarrer Dr. Richard Mössinger und Ute Kümmel vom Stadtarchiv begleitete Prozess gipfelte nun in einer Art Prozession zu sechs Wohnadressen in der Heilbronner Innenstadt und in der Bahnhofsvorstadt. Ebenda verlegten die Jugendlichen zusammen mit Daniel Herrmann und David Ferguson vom städtischen Betriebsamt Kopfsteinquader, die auf einer Messingschicht die Namen und Lebensdaten der Opfer tragen, und ließen dabei deren Biographien Revue passieren. Ideengeber Gunter Demnig war leider verhindert. Dafür begleiteten viele Interessierte den Tross.
„Das dürfen wir nie vergessen, damit sich sowas nicht wiederholt“
Dass Stolpersteine nicht allen gefallen, wusste Richard Mössinger zu berichten. So seien fünf Schülerinnen der Freien Katholischen Schule St.Kilian beim Steineputzen „angegangen worden“. Außerdem hätten Anwohner sogar ihre Angst vor antisemitischen Anfeindungen geäußert. Um so wichtiger sei es, aufzuklären und daran zu erinnern, „wie Menschen aus unserer Mitte“ damals gedemütigt, verfolgt oder gar ermordet worden seien, so der Theologe. „Das dürfen wir nie vergessen, damit sich sowas nicht wiederholt.“ Auch Mössinger zitierte ein Gedicht: über das Judenkind Inge Löwenthal aus Buttenhausen, das mit fünf Jahren fern der Heimat erschossen wurde – in Riga, wohin die Nazis auch viele Heilbronner deportiert hatten.
„Nun ist es an uns, die Erinnerung wach zu halten, nicht als Pflichtübung, als Haltung, als Verantwortung“
Bürgermeisterin Agnes Christner sprach den Jugendlichen ihren Respekt aus. „Das ist mehr als ein Verwaltungsakt.“ Sie erinnerte an die im Alter von 103 Jahren verstorbene Margot Friedlander, „eine der letzten, die uns noch erzählen konnte, was es bedeutet verfolgt und entrechtet zu sein“. Sie habe das KZ Theresienstadt überlebt und Zeit ihres Lebens die Erinnerung an den Holocaust wachgehalten, sich für die Demokratie sowie gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung engagiert. „Da immer mehr Zeitzeugen verstummen, ist es nun an uns, die Erinnerung wach zu halten. Nicht als Pflichtübung, als Haltung, als Verantwortung. Und als Versprechen: nie wieder.“
Die Standorte und die Paten der 13 neun Stolpersteine in Heilbronn
Die 13 neuen von nunmehr insgesamt 241 Heilbronner Stolpersteinen finden sich an folgenden Standorten : An der Bahnhofstraße 33 erinnerten Lena Lüftner, Sarah Ramming und Tania Negot vom Theodor-Heuss-Gymnasium an Gustav und Henriette Arnstein. In der Frankfurter Straße 7 bekam Ida Löser einen Stein von Jonas Henschel, Briana Schneider, Josephine Kormany, Kira Knie, Sophia Haremza, Luisa Schneider und Bengühan Temiz, alle Luise-Bronner Realschule. Familie Würzburger wurde an der Deutschhofstraße 1 gewürdigt, das Ehepaar Isy und Julie Krämer an der Wollhausstraße 22: jeweils von den Stadtarchiv-Azubis Lucy Volz, Emma Zenth und Florian Zörner sowie von FSJ-lerin Sarah Henning und ihrer Kollegin Heidi Brett.
An der Götzenturmstraße 41 erinnerten Ilayda Schäfer und Cassian Breban vom Mönchsee-Gymnasium an Bertha Stern, an der Götzenturmstraße 43 Ian Friederichs, Elisabeth Grasi, Marie Häberle, Noah Respondek vom Katholischen Bildungszentrum an Emma Dornacher. Eda Yalaz, Xenia Brosi, Ilara Karaduman und Helen Wakunda vom Robert-Mayer-Gymnasium setzten an der Werderstraße 94 einen Stolperstein für Lina Salomon.
Seit 2009 wurden in Heilbronn schon 241 Stolpersteine verlegt
Der Künstler Gunter Demnig erinnert seit 1996 in ganz Europa mit inzwischen Tausenden Stolpersteinen an Opfer der Nazizeit: vor allem Juden, aber auch politisch Verfolgte, Homosexuelle, Behinderte. Die Heilbronner Stolperstein-Initiative hat seit 2009 mit Schülern, Azubis, Lehrern sowie anderen Bürgern und dem Stadtarchiv 241 solcher Steine projektiert. Sie werden über Patenschaften finanziert. Zudem gibt es in Heilbronn auch Paten, die die Messingplatten auf den Pflastersteinen putzen. Lagepläne und Detailinfos mit Namen und Daten gibt es unter www.stolpersteine-heilbronn.de.


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