Welchen Sinn hat die letzte Allee-Unterführung noch?
Am Heilbronner Theater gibt es seit vielen Jahrzehnten eine dunkle Tunnelpassage, die heutzutage wenig genutzt wird. Passt sie noch in die Zeit? Die Stadt will prüfen, wie es weitergehen soll. Andere Allee-Unterführungen sind längst verschwunden.

Der Aufschrei bei Bürgern und Ladenbesitzern war groß, als der Gemeinderat 2005 beschloss, die Fußgängerunterführung Postpassage mit vielen Läden und einer Gastwirtschaft an der Allee zu schließen. Die anfälligen Rolltreppen sorgten für ein Kassendefizit. Als nicht mehr zeitgemäß sahen es die Stadträte vor 15 Jahren zudem an, Fußgänger unter die Erde zu schicken und Autofahrern absoluten Vorrang zu geben.
2009 wurde die Postpassage geschlossen. Neue Fußgängerampeln kamen an die Allee. Bereits im Jahr 2000 musste eine Unterführung zwischen Harmonie und Kaiserstraße dem Stadtbahn-Neubau weichen. Eine weitere Allee-Unterführung Richtung Hafenmarkt wurde still und leise im Jahr 2006 geschlossen.
Ein Test an einem Freitag

Alles Geschichte. Wer die Allee entlangflaniert, stößt jedoch noch auf ein Tunnelrelikt aus den 1970er-Jahren. Am Theater führt ein Weg mit vielen Stufen in die schummrige, nicht gerade sehr einladende Unterwelt. Obwohl man oberirdisch an Fußgängerampeln per Druckknopf gut über die Straße kommt.
Warum hält die Stadt daran fest? Ein Test an einem Freitag im Februar ergab: Die Nutzerfrequenz ist nicht sonderlich hoch. In drei beobachteten 15-Minuten-Intervallen ab elf Uhr querten zwischen vier, sechs und acht Passanten die schummrige Passage. Gut 30 breite Stufen geht es am Eingang zwischen Handwerkskammer und AOK in die Tiefe, 30 Stufen muss man dann wieder emporsteigen zur Ebene am Theater. Innendrin läuft man über nicht allzu saubere Fußbodenplatten. In einer Ecke steht ein herrenloser Einkaufswagen. Im Winter nutzen Obdachlose die Passage als Schlafplatz.
Beim Zeitvergleich gewinnt der Tunnel knapp gegen die Ampel
Eine Zeitmessung ergab: Eine Querung durch die Passage in gemächlichem Tempo dauert rund 1.30 Minuten. Läuft man oben zur Ampel, drückt die Taste, wartet Grün ab und läuft über die Allee, dauert es rund 15 bis 20 Sekunden länger.
"Ich bleibe gerne im Lauf-Fluss", erklärt eine Passantin ihre Wahl für die Unterführung. Ob das dunkle Ambiente nicht abschrecke? Wenn dort Jugendliche lagerten, sagt sie "freundlich guten Tag" - auch zu Obdachlosen. "Das ist deeskalierend", erklärt die 62-Jährige, die Professorin an der Hochschule ist. Es sei ihr noch nie etwas passiert.
Sorge vor herumlungernden Leuten im Untergrund

Ein 52-jähriger Heilbronner meidet dagegen die Unterführung. "In dem dunklen Eck lungern öfter Leute rum", da geht er lieber über die Ampel. Als Kind sei er unten Rollschuh gelaufen. Heute sei dort "nicht mehr viel Verkehr". Eine 70-jährige Heilbronnerin bevorzugt die Unterführung, wenn sie nicht viel Zeit hat. Nach 22 Uhr würde sie da unten eher nicht mehr laufen, sagt sie. Eine 51-jährige Passantin nimmt an dem Tag die Ampel. Unten rieche es öfter muffelig, ist ihre Erfahrung.
Hohe Baukosten
Unterführungen für Fußgänger sind Zeugen jener Zeit, als der Autoverkehr zentrale Bedeutung in Städten hatte. 1971 wurden die Allee-Unterführungen an der Harmonie gebaut. Kosten: 11,7 Millionen Mark. Die Postpassage (Bau 1980) kostete 8,5 Millionen Mark. Die Unterführung am Theater entstand 1979. Zu den Kosten ist im Archiv nichts vermerkt. Weil es keine Rolltreppen gab, liegen sie deutlich niedriger.
Die Stadt Heilbronn stuft den baulichen Zustand der Fußgängerunterführung als "gut" ein. Sie sei auch ein bequemer Zugang in die Theater-Tiefgarage, erklärt Rathaussprecher Christian Britzke.
Genutzt wird direkte Verbindung zur Tiefgarage am Theater
Vorwiegend Tiefgaragennutzer würden die unterirdische Passage nutzen. Die Stadt hat die Passage "ungeachtet der insgesamt geringen Nutzerfrequenz bislang aufrechterhalten", sagt Britzke. Es gebe aber immer wieder mutwillige Beschädigungen. Die Fensterscheiben seien zum Beispiel Ziel von Attacken geworden. Die Stimme-Anfrage nimmt die Stadt "als Anstoß zu prüfen, ob es sinnvoller ist, die Unterführung zu schließen".
Solch ein Vorgehen ist indes nicht ganz billig. Der Rückbau der Postpassage kostete im Jahr 2009 rund 800.000 Euro.


 Stimme.de
Stimme.de