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Warum die Hochschule Heilbronn auf dem Bildungscampus ihr Profil schärfen sollte

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Roland Schweizer aus Löwenstein ist dienstältestes Mitglied des Senats der Hochschule Heilbronn. Das sind für ihn Chancen der HHN, und da liegen für ihn Fehlentwicklungen.

Seit Jahrzehnten im Senat der Hochschule Heilbronn: Roland Schweizer bezeichnet sich als ein Mensch, der schon immer sehr politisch gewesen sei. Foto: Lina Bihr
Seit Jahrzehnten im Senat der Hochschule Heilbronn: Roland Schweizer bezeichnet sich als ein Mensch, der schon immer sehr politisch gewesen sei. Foto: Lina Bihr  Foto: Lina Bihr

Roland Schweizer kennt die Hochschule Heilbronn wie kaum ein anderer Mitarbeiter. Der Löwensteiner ist mittlerweile dienstältestes Senatsmitglied in Baden-Württemberg, denn ins höchste Gremium der Hochschule Heilbronn wurde der 67-Jährige seit 1981 immer wieder gewählt. Der Leiter der Zentralen Studienberatung, der auch Personalratsvorsitzender der Hochschule ist und zum landesweiten Hauptpersonalrat beim Wissenschaftsministerium gehört, spricht im Interview über Fehlentwicklungen und Herausforderungen.

Dem Senat gehören Sie seit 43 Jahren an. Warum tut man sich das an?

Roland Schweizer: Das muss in meinen Genen liegen. Ich war in der Schule Klassensprecher, in der Schülermitverwaltung, im Zivildienst vertrat ich die Zivildienstleistenden. So ging es weiter. Ich bin ein sehr politischer Mensch und habe mich immer engagiert für das, was ich als das Gemeinwohl oder das Interesse der Gesellschaft ansehe.

 

Sehen Sie sich als die Graue Eminenz der Hochschule an, als die Person, die man jederzeit um Rat fragen kann?

Schweizer: Das Gremium braucht immer wieder neue Impulse, es braucht aber auch ein Gedächtnis. Man muss ja dieselben Fehler nicht drei oder vier Mal machen. Ich sehe mich als jemanden an, der seine Erfahrungen einbringt, Klartext redet und dafür offen ist, dass immer wieder neue Leute integriert werden - man braucht beides.


An welche Fehler denken Sie?

Schweizer: Bevor man einen neuen Studiengang in die Welt setzt, sollte man eine gründliche Nachfrageanalyse machen - zuerst auf dem Bewerbermarkt und dann auf dem Arbeitsmarkt.


Das heißt?

Schweizer: Wenn man einen Studiengang an einen unserer Standorte Künzelsau oder Schwäbisch Hall setzt, dann frage ich mich schon: Warum soll dieser Studiengang, den es in Großstädten gibt und dort nicht voll wird, ausgerechnet im ländlichen Bereich voll werden? Ich denke an den Studiengang Gebäudesystemtechnik, der wegen Bewerbermangels geschlossen werden musste. Davor habe ich eindringlich gewarnt. Noch früher gab es einen Studiengang Technik der Weinwirtschaft. Warum sollte man unsere Absolventen auf so ein kleines Berufssegment ausbilden, in dem sie nachher möglicherweise keinen Job finden? Bei neuen Studiengängen geht es um Investitionen in Millionenhöhe. Wenn man im Senat ist, ist man natürlich auch Treuhänder für die Steuergelder, die uns die Bevölkerung anvertraut.


Wo sehen Sie stattdessen Potenzial?

Schweizer: Ich denke, dass wir im Sozialbereich einsteigen könnten. Für eine älter werdende Bevölkerung braucht es im Gesundheitsbereich wie im Pflegebereich Studiengänge und Fachkräfte.


Tut sich etwas?

Schweizer: Ich sehe auf diesem Gebiet noch nichts Konkretes. Wir haben in Künzelsau mit Sozialmanagement zum Glück einen Studiengang aus diesem Spektrum etabliert. Aus der Region heraus ist wegen der demografischen Entwicklung keine nennenswerte Steigerung der Bewerberzahlen zu erwarten. Deshalb sollten wir Studiengänge einführen, die über unser etabliertes Studienspektrum und über die Region hinaus neue Zielgruppen ansprechen.


Wohin sollte sich die Hochschule entwickeln?

Schweizer: Es sollten auf jeden Fall Studiengänge sein, die unsere Gesellschaft braucht und diese voranbringen - die Diskussion sollte sich dabei aber nicht nur um Studiengänge rund um Computerspiele und "Künstliche Intelligenz" und den Hype darum drehen. Ich würde die emotionale Intelligenz, die natürliche Intelligenz und die Persönlichkeitsbildung stärker fördern und die großen Themen Gesundheit und Pflege forcieren. Uns stünde es ganz gut, wenn der Sozialbereich zu unseren Säulen Technik, Informatik und Wirtschaft dazukäme.


Als Sie in den Senat kamen, gab es nur den Campus Sontheim. Jetzt hat die Hochschule weitere Standorte auf dem Bildungscampus, in Künzelsau und in Schwäbisch Hall. Wie hat sich das auf die Hochschule ausgewirkt?

Schweizer: Eine Hochschule, die auf vier Standorte verteilt ist, muss sich permanent darum bemühen, dass eine Hochschul-Community erhalten bleibt, dass der innere Zusammenhalt gefördert wird und die Entfernung nicht zu einer Entfremdung führt. Speziell für unseren Standort am Bildungscampus gilt, dass wir unser eigenständiges Profil erhalten und schärfen müssen - und dass unser Markenkern bei der Vielzahl der dortigen Einrichtungen sichtbar bleiben sollte.


Was meinen Sie damit?

Schweizer: Hochschulen, die im Wettbewerb um Studienbewerber stehen, sind auch darauf angewiesen, dass sie mit ihrem spezifischen Profil und als eigenständige und von der Schwarz-Stiftung unabhängige staatliche Institution wahrgenommen werden. Sonst hilft auch die modernste Ausstattung nichts, wenn das eigene Profil nach außen nicht mehr richtig durchdringt.


Bildungscampus ist aber ein schöner Begriff.

Schweizer: Ja, aber unter dem Suchbegriff Bildungscampus kann man sich halt für unsere Studiengänge nicht bewerben.

Zur Person: Roland Schweizer und die Hochschule unter vorheriger Führung trafen sich vor Gericht, die Auseinandersetzung endete mit einem Vergleich. Auslöser war, dass sich Roland Schweizer nach der Rektorwahl 2014 beruflich ins Abseits abgeschoben fand. Ihm war seine Funktion als Leiter der studentischen Abteilung entzogen worden, stattdessen wurde er mit "strategischem Flächenmanagement und Technologietransfer" beauftragt. "Man hat mich faktisch vom Leiter der größten Verwaltungsabteilung zum Diplomhausmeister degradiert, mich ins berufliche Abseits gestellt und mir damit jeglichen Sinngehalt meiner Tätigkeit entzogen", sagt er rückblickend. Er bezeichnet seine damalige Funktion als "Buchhalter der Hochschulräumlichkeiten und Flächen". Er sei abgestraft worden für seine kritische Haltung bei einer Rektor-Wahl mit knappem Wahlergebnis.

Froh ist Roland Schweizer darüber, dass der damalige Vorsitzende des Hochschulrats, Erhard Steffen, mit dafür gesorgt hat, dass er rehabilitiert wurde und sich die Hochschule öffentlich für diesen Machtmissbrauch entschuldigt hat. Während der juristischen Auseinandersetzung hat er nach eigenen Angaben überlegt, "ob ich hier noch am richtigen Platz bin". Roland Schweizer erinnert sich: "Bei der Frage Flüchten oder Standhalten habe ich mich für meine Selbstachtung entschieden und bin diesen bitteren und schwierigen Weg gegangen - auch um zu verhindern, dass weiterhin Gremienmitglieder durch Machtmissbrauch eingeschüchtert werden." Die jetzige Führung unter Rektor Oliver Lenzen und Kanzler Christoph Schwerdtfeger hat laut Roland Schweizer mehreres geschafft: Durch die Hochschule seien damals tiefe Gräben gegangen. Die jetzige Leitung hätte die Hochschule wieder befriedet und eine neue Vertrauenskultur geschaffen. Im Senat hätten beide Männer das Gefühl vermittelt, "dass man Kritik offen äußern kann ohne Angst vor Schikanen".

 
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