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Räte stellen Heilbronner Fahrrad-Parkhaus infrage

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Wird das Heilbronner Fahrrad-Parkhaus, für das nach einigen Ehrenrunden Mitte Dezember endlich der Spaten angesetzt wurde, zur Bauruine? Diese Frage stand in der jüngsten Sitzung des städtischen Bauausschusses im Raum. Selten war die Luft im Großen Ratssaal so dick.

Die Bauarbeiten vor dem Heilbronner Hauptbahnhof haben bereits begonnen. Foto: Mario Berger
Die Bauarbeiten vor dem Heilbronner Hauptbahnhof haben bereits begonnen. Foto: Mario Berger  Foto: Berger, Mario

Am Ende einer harten Debatte wurde die Entscheidung auf Antrag von Hauptkritiker Thomas Randecker (CDU) in die nächste Gemeinderatssitzung vertagt, also auf Donnerstag, 21. Januar. Bis dahin muss die Verwaltung Einsparmöglichkeiten aufzeigen, wobei ein Radhaus-Baustopp fürs Rathaus wegen Regressforderungen und Fördergeld-Verfall wohl teurer käme als die geplante Fertigstellung bis Juni.

Kostenverdoppelung seit 2017

Anlass für die Aufregung gibt eine erneute Kostensteigerung um 250.000 auf nun 1,1 Millionen Euro. Das ist doppelt so viel wie das Rathaus 2017 nach einem Antrag von SPD und Grünen berechnet hatte, wobei der Bund rund 314.000 Euro übernimmt und das Land - nach einer aktuellen Aufstockung - 318 000 Euro. An der Stadt bleiben also 478.000 Euro hängen, 98.000 Euro mehr als zuletzt abgesegnet, aber viermal soviel wie vor drei Jahren.

Alte und viele neue Gründe

Bei früheren Kostensprüngen war vor allem von komplizierter Standortsuche und unklaren Förderszenarien die Rede. Nun nannte Stefan Papsch vom Amt für Straßenwesen eine ganze Latte neuer Gründe: Baustelleneinrichtung, Sicherheitskoordination, komplexe Fundament-Planungen für den polygonalen, zwölf Meter hohen Turm auf engem Baufeld mit nur sieben Metern Durchmesser. Zudem Kampfmittel-Untersuchung, technische Abnahme, Brand- und Blitzschutz, Beschichtungen für den Vogel- und Insektenschutz an dem transparenten Glasbau. Auch Lichter schlügen zu Buche, die der Gefahr eines Angstraums mit Vandalismus-Gefahr vorbeugen sollen. Hinzu komme Geld für Werbung und nicht zuletzt für die zusätzliche Buchung von Stellplätzen per Smartphone.

Mahnungen der Stadträte

So soll das Heilbronner Fahrrad-Parkhaus eines Tages aussehen. Illustration: Firma Wöhr
So soll das Heilbronner Fahrrad-Parkhaus eines Tages aussehen. Illustration: Firma Wöhr  Foto: (Copyright: Firma Wöhr, Friolzheim).

"Warum hat man das nicht alles vorher gewusst?", fragte sich nicht nur Holger Kimmerle (Grüne), der gleichzeitig betonte, wie wichtig dieses Projekt fürs Image der Stadt und den Umweltverbund sei. Punkt für Punkt hinterfragte Randecker die "unglaubliche Drucksache". Er gab zu bedenken: "Auch Fördergelder sind Steuergelder." Der Kostensprung erhöhe den Druck auf die Etatberatungen. Mit Blick auf die Planer betonte er: "Wir dürfen den Firmen nicht Tür und Tor öffnen, irgendwann ist Schluss".

Ähnlich sah es Raphael Benner (AfD). "Wir können denen nicht alles durchgehen lassen." Gottfried Friz (FDP) rechnete vor, jeder der 120 Fahrradstellplätze koste 9000 Euro koste - so viel wie ein Kfz-Stellplatz.

Luft aus der harten Debatte versuchte Tanja Sagasser-Beil (SPD) zu nehmen. "Es wäre fatal, wenn das bereits begonnene Parkhaus auf der Zielgeraden noch gestoppt würde." Bei aller berechtigter Kritik sei sie felsenfest von der Notwendigkeit und von der Auslastung überzeugt. Ähnlich sah es Konrad Wanner (Linke). "Wir können nicht zurück. Der Bedarf ist groß, die Aufregung überzogen." Gleichzeitig wünschte er sich für ein zweites, im Neckarbogen angedachtes Radlerhaus eine einfachere Lösung.

Bürgermeister wirft Firma Trickserei vor

Der in die Enge getriebene Baubürgermeister Wilfried Hajek beklagte, dass sich die Bahn mit keinem Cent an dem Projekt beteilige, obwohl die Stadt beim Bahnhofsumbau, am Vordach und vor allem bei der Stadtbahn in Vorleistung gegangen sei. Gleichzeitig sei er "sauer" auf die beauftragte Firma Wöhr, der er "Trickserei" vorwarf.

Hajek betonte auch: "Wir haben uns für diese Lösung bewusst entschieden", weil das Gebäude an einem städtebaulich und verkehrlich wichtigen Knotenpunkt ein Signal für eine umweltverträgliche und zukunftsgerichtete Verkehrspolitik setze. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass etliche städtische Baumaßnahmen unterm Strich günstiger "und nicht immer teurer" würden. So habe sein Dezernat allein bei drei aktuellen Straßenbaumaßnahmen 540.000 Euro eingespart.

 
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Kommentare

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am 14.01.2021 10:28 Uhr

Natürlich ist eine Kommune kein Unternehmen, das man ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien führen kann. Dazu sind die sozialen Verbindlichkeiten zu groß. In den letzten 10 Jahren konnte Heilbronn gewaltige Steuermehreinnahmen verzeichnen. In einem gewaltigen finanziellen Kraftakt hat man mit der BUGA und dem neuen Stadtquartier Neckarbogen einen Schwerpunkt gesetzt, Im Rausch des scheinbar nicht versiegenden Geldstromes wurden auch viele Projekte realisiert die jährliche Investitionsrücklagen sowie dauerhaft höhere Ausgaben im Personal-, und Verwaltungsbereich erfordern. Neue Probebühnen für das Theater, Literaturhaus Trappensee, Stadtarchiv, Grünflächen und Seen im Neckarbogen, und so weiter.

Krisen kommen nie zu einem guten Zeitpunkt. Wer, wenn nicht die öffentliche Hand sollte antizyklisch wirtschaften. In guten Zeiten Geld zurücklegen um in Krisenzeiten die Wirtschaft zu stimulieren. Fehlanzeige - schließlich kann man in einer Wahlperiode nur mit Big Points glänzen.

Heilbronn hat im letzten Krisenjahr wie wir, betroffenen Unternehmen, staatliche Hilfe erhalten. Doch es sind Steuergelder die ausbezahlt werden. Gelder, die Arbeitnehmer und die Wirtschaft bezahlt haben und auch wieder zurückzahlen müssen. Wir sehen eine öffentliche Hand deren Verwaltung sich immer weiter aufbläht. Viele Selbständige können nicht mehr ihrer Kernaufgabe nachkommen und sind am Limit aufgrund der immer wachsenden Verordnungen und Auflagen von Kommune, Land, Bund und Europäischer Union. Die von der Krise betroffenen Unternehmen, sofern sie diese in den kommenden Wochen und Monate überleben werden, brauchen das gesamte Jahr 2021 um Schadensbegrenzung zu betreiben. Investitionen müssen zurückgestellt und Kosten minimiert werden ohne Mitarbeiter psychisch und finanziell zu belasten um diese letztendlich vor Ende der Krise nicht zu verlieren.

Der Ruf der Kommunen nach weiterer staatlicher Unterstützung bei einem Weiter so, ist in meinen Augen eine bodenlose Frechheit und eine Demütigung für uns Steuerzahler. Es muss anscheinend noch dicker kommen, damit die Krise auch endlich bei den Entscheidungsträgern ankommt. Wenn ich die bis jetzt noch nicht ausbezahlten Novemberhilfen zum Bau eines Fahradparkhauses für meine Mitarbeiter und Gäste verwenden würde, hätte ich morgen die Titelseiten.

Jürgen Mosthaf

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