Mentaltrainerin aus Heilbronn: "Veränderung ist zu jedem Zeitpunkt möglich"
Die Heilbronnerin Isabelle Müller-Pál trainiert mentale Stärke, träumt vom Winter im Warmen und liebt das Warten auf die richtige Welle.

Das türkisfarbene Surfbrett lehnt hinter dem Esszimmertisch an der Wand. Direkt dahinter fließt träge der Neckar. Den Sommer über hat Isabelle Müller-Pál oft das Brett geschnappt, um bäuchlings auf dem Neckar zu paddeln, die Arme zu trainieren. Schließlich ist ihr Ziel, bald die kalten Winter im Süden zu verbringen, irgendwo, wo es Sonne und Wellen gibt. Das Brett steht auch dafür, die Ups and Downs des Lebens zu meistern.
Vor zwei Jahren hat Isabelle Müller-Pál ihren Fulltime-Job in einer Unternehmenskommunikation gekündigt und sich als Mentaltrainerin selbstständig gemacht. Heute begleitet sie Menschen bei Veränderungen. Das Ziel dabei: Klarheit gewinnen und mentale Stärke aufbauen.
Frau Müller-Pál, schlagen Ihnen der November und Dezember aufs Gemüt?
Isabelle Müller-Pál: Nein, eigentlich nicht. Ich bin als Sonnenkind höchstens traurig, dass der Sommer zu Ende ist. Deshalb habe ich auch das langfristige Ziel, den Winter im Warmen, irgendwo am Meer zu verbringen, wo es Wellen gibt. Wobei die Vorweihnachtszeit auch ganz schön ist. Für mich ist der schlimmste Monat der Februar.
Warum nehmen viele Menschen den 1. Januar als Beginn für Veränderungen?
Müller-Pál: Weil man das eben so macht? (lacht) Nein, es liegt wohl daran, dass der Mensch oft einen Ansporn braucht, einen Anstoß von außen. Neues Jahr, neues Glück? Es ist einfach zu denken, dass ein neues Jahr beginnt und man ein neues Kapitel im Leben aufschlägt. Die meisten von uns scheitern daran. Man darf sich aber mal bewusst machen: Eigentlich ist jeden Tag Neujahr. Veränderung ist zu jedem Zeitpunkt möglich.
Was treibt Menschen zur Veränderung an?
Müller-Pál: Oft ist es eine Kraft, die von hinten schiebt. Etwa Stress und Überforderung, beruflich oder privat, zwischenmenschliche Probleme, negative Gedankenkreise. Aber oft auch eine Unzufriedenheit, die schwer zu greifen ist. Viele Menschen sind aber zu ängstlich, etwas zu verändern. Da reicht die Kraft von hinten nicht aus. Hilfreich ist es dann, eine zweite Kraft zu haben, die von vorne zieht. Dass man weiß, wo man hin will.
Und wie weiß man das?
Müller-Pál: Indem man aufhört, sich über die Dinge zu ärgern, die man nicht will, und beginnt, sich zu fragen, welcher Mensch man in Wahrheit ist oder gerne sein möchte. Hinter den Masken, die wir uns im Lauf des Lebens zugelegt haben. Da sollte man sich dann auch erlauben, groß zu träumen.
Warum trauen sich viele Menschen nicht, groß zu träumen?
Müller-Pál: Weil viele denken, "das schaffe ich eh nicht". Dahinter steht die Angst vor Enttäuschung. Selbstzweifel, Unsicherheiten und Ängste sind aber ganz normal in Veränderungsprozessen. Sie sind kein Grund, etwas nicht zu tun. Genau hier entsteht Mut. Ohne Angst kein Mut. Wichtiger ist sowieso, das Ziel zu kennen, als dass man im Detail weiß, wie man dahin kommt.
Wie war das bei Ihnen, als Sie den sicheren Job verließen?
Müller-Pál: Ich habe stark auf meine Intuition vertraut. Ich hatte keinen exakten Plan, aber ich wusste, welches Gefühl ich haben will. Und genau das mache ich unter anderem auch mit meinen Klienten. Ich male mit ihnen ihr Ideal-Zukunfts-Ich so detailgetreu wie möglich aus. Mit klaren Zielen, mit klarem Fokus. Damit ergeben sich Dinge fast wie von selbst.
Fast wie von selbst?
Müller-Pál: Ja, es gibt die Macht der Anziehung. Ganz einfaches Beispiel: Wenn ich mir überlege, ein neues Auto zu kaufen, sagen wir einen silbernen Fiesta, dann sehe ich plötzlich ganz viele Fiestas. Oder wer überlegt, ein Kind zu bekommen, sieht plötzlich ganz viele Schwangere. Man kann es Macht der Anziehung nennen oder einfach funktionierender Fokus. Ist der glasklar auf eine Sache ausgerichtet, dann nimmst du plötzlich andere Dinge wahr, die dich näher an dein Ziel heranführen. Du kommst auf neue Ideen und triffst andere Entscheidungen. Das ist super spannend.
Gibt es Momente im Leben, in denen Menschen sich nach Veränderung sehnen?
Müller-Pál: Das sind oft Krisenzeiten. Manchmal muss es erst so richtig mies laufen, damit man sich zu einer Veränderung aufrafft. Seit der Corona-Krise gibt es ganz viele Jobwechsel zum Beispiel. Weil Menschen ihr Tun viel mehr hinterfragen. Vergleichsweise selten aber haben Menschen den Antrieb zur Veränderung, wenn sie in ihrer Komfortzone sind.
Wie war das bei Ihnen?
Müller-Pál: Ich war komplett in der Komfortzone. Von außen betrachtet hatte ich keinen Grund zu klagen. Und trotzdem fehlte etwas.
Konnten Sie das benennen?
Müller-Pál: Ich denke, dass es der Sinn war, der mir fehlte. Was ich jetzt tue, das fühlt sich komplett sinnvoll an. Es ist viel mehr "Ich". Ich bin total zufrieden, ausgeglichen, erfüllt, nicht mehr auf der Suche. Vorher war es eine Suche, ohne zu wissen, wonach.
Worin finden Menschen einen Sinn?
Müller-Pál: Bei manchen ist es der Job, die Familie, die Freizeit. Es gibt mittlerweile eine Sinnforschung. Und die sagt, den Sinn, die Sinnerfüllung, die können Menschen in ganz verschiedenen Bereichen finden. Beispielsweise im Engagement für die Gemeinschaft, die Umwelt oder den Tierschutz. Aber auch in der Selbstverwirklichung oder in der Religion oder Spiritualität.
Streben die Menschen häufiger eine Veränderung im privaten oder beruflichen Bereich an?
Müller-Pál: Das ist ganz unterschiedlich. Ich hatte vor Kurzem eine Klientin, da ging es vor allem um ihre negativen Gefühle, dass sie morgens nicht in die Gänge kam, weil alles so schwer war. Sie kennt nun mehrere Mentaltechniken, mit denen sie gut in den Tag kommt. Es braucht aber die Wiederholung. Bis wir eine Gewohnheit oder unsere Denkmuster wirklich ändern, dauert es seine Zeit. Hier gibt es verschiedene Aussagen, aber mindestens 21 Tage.
Warum brauchen so viele Menschen Unterstützung, ihren eigenen Weg zu finden?
Müller-Pál: Das kann daran liegen, dass wir so viele Wahlfreiheiten haben. Allein im Supermarkt können wir zwischen 30 verschiedenen Zahnpasten wählen. Auch im Beruf hat man heute eine große Auswahl. Dazu kommt das fehlende Vermögen, sich von Dingen abzugrenzen, die nicht relevant für einen sind. Meine Werte kennen, zu wissen, was mir im Leben grundsätzlich und übergeordnet wichtig ist, das ist sehr wichtig. Dann kann ich mich einfacher entscheiden.
Warum trauen sich das viele nicht?
Müller-Pál: Zu sagen, das ist mein Ziel, das ist ja auch ein bisschen beängstigend. Denn dann muss man ja ins Tun kommen.
Muss man Veränderung spüren?
Müller-Pál: Sich anders verhalten kann man auch, ohne voll und ganz mit dem Herzen dabei zu sein. Je öfter man das neue Verhalten ausübt, umso mehr eignet man es sich an, bis es sich gut und richtig anfühlt.
Wie beim regelmäßig Joggen?
Müller-Pál: Ja, da muss man manchmal den inneren Schweinehund überwinden. Was dabei hilft, sind höhere Werte. Also beim Beispiel Joggen: die Gesundheit. Andere Dinge tun wir, weil uns vielleicht Liebe Gerechtigkeit, Authentizität oder etwas anderes wichtig ist.
Was war es bei Ihrer eigenen beruflichen Veränderung?
Müller-Pál: Mir sind Freiheit und Selbstbestimmung sehr wichtig. Aber auch Wahrhaftigkeit und Weiterentwicklung.
Sie haben Ihr Lebensziel erreicht?
Müller-Pál: Es fühlt sich gut an. Aber es ist ein Weg. Der ist noch nicht zu Ende.
Führt der ans Meer? Zum Surfen?
Müller-Pál: Das ist auf jeden Fall in irgendeiner Form mit dabei. Dabei geht es mir übrigens gar nicht so sehr um das Abreiten einer Welle. Sondern vielmehr darum, auf dem Brett zu sitzen, auf die nächste Welle zu warten, die Aussicht zu genießen, die Stille auf dem Meer. Das ist ein meditativer und schöner Freiheitsmoment.
Zur Person
Isabelle Müller-Pál (36) ist in Heilbronn geboren und aufgewachsen in Massenbach. Nach dem Abitur studierte sie Germanistik und Anglistik in Tübingen und Stuttgart. Sie machte ein Volontariat und arbeitete als Online-Redakteurin, ehe sie in die Unternehmenskommunikation wechselte. Vor zwei Jahren hat sie ihre Stelle auf 30 Prozent reduziert und sich als Mentaltrainerin selbstständig gemacht. Mit ihrem Partner lebt sie in Heilbronn und reist so oft es geht in den warmen Süden, um zu surfen.

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