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Mehr als nur Blümchen im Park

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Die Bundesgartenschau spiegelt den Zeitgeist wider und hinterlässt bleibende Spuren in den Städten

Von Henrike Mielke
Der Britzer Garten in Berlin, entstanden als Bundesgartenschau-Gelände 1985, ist als fahrrad- und hundefreier Park bis heute erhalten.
Der Britzer Garten in Berlin, entstanden als Bundesgartenschau-Gelände 1985, ist als fahrrad- und hundefreier Park bis heute erhalten.  Foto: Buga

Woran denkt man, wenn man Bundesgartenschau hört? Blumen, Rasen, Bäume. Schaut man sich die Städte, in denen die Bundesgartenschau stattgefunden hat, genauer an, wird allerdings schnell klar, dass sie mehr ist, als eine Blümchenschau. Vielerorts hat die Ausstellung die Stadtentwicklung vorangetrieben und neue Lebensräume geschaffen.

"Eine Parkgestaltung ist ein Spiegel der gesellschaftlichen und der Zukunftsthemen, die die Menschen bewegen", erklärt Sibylle Eßer, Pressesprecherin der Deutschen Bundesgartenschau-Gesellschaft. "Das spiegelt sich auch in den Nutzungswünschen wider." In der Geschichte der Bundesgartenschau könne man verschiedene Motive unterscheiden.

Die Anfänge der Bundesgartenschauen

Deutlich wird das schon bei der ersten Bundesgartenschau. Sie fand 1951 in Hannover statt, nur sechs Jahre nach Kriegsende. Als Gelände diente der Stadthallengarten am Rande des großen städtischen Forstgebiets, der vom Krieg größtenteils verschont geblieben war. "Die Innenstadt war zu diesem Zeitpunkt noch zu etwa siebzig Prozent zerstört", erinnert sich der Journalist Dieter Tesch, der damals vor Ort war. Die Situation sei für die Bewohner, wie auch für Besucher, schwierig gewesen, da es noch keine neuen Hotels gab. Trotzdem sei die Bundesgartenschau "ständig gut besucht" gewesen, insgesamt kamen etwa 1,6 Millionen Gäste. Eröffnet wurde die Gartenausstellung von dem damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der mit seiner Frau angereist war. Konrad Adenauer kam wenig später vorbei.

Durch die Bundesgartenschau hatten die Hannoveraner wieder einen gepflegten Stadtpark für vielfältige Veranstaltungen. "Es gab einen neuen Treffpunkt", sagt Tesch. Bei schönem Wetter habe man im Buga-Garten beim Pavillon Kaffee und Kuchen bestellen und in der Sonne sitzen können. "Das war zusätzliche Lebensqualität", sagt er. "Denn in erster Linie waren alle damit beschäftigt, die eigene Existenz und die Stadt wieder aufzubauen nach den Kriegszerstörungen." Deutlich wird die Bedeutung der Buga auch, wenn man sich das Veranstaltungsplakat genauer ansieht. Die darauf abgebildete Blume in weiblicher Form trägt eine Schaufel über der Schulter, um den Griff ist ein Band mit den Deutschlandfarben gebunden. Die Bildsprache weckt Assoziationen an Trümmerfrauen und Neubeginn. "Das ist sicherlich eine Anlehnung an die Enttrümmerung der Stadt", sagt Tesch. Bis 1965 habe vor allem der Wiederaufbau im Vordergrund gestanden, ein Teil der kriegsbedingten Lücken wurde mit Parks geschlossen, bestätigt Sibylle Eßer. Ab 1985 sei es mehr darum gegangen, wieder etwas Grün in die autozentrierten Städte zu bringen und Naherholungsgebiete zu schaffen.

Vom Fürstengarten zum Volksgarten

Ein gutes Beispiel dafür ist die Bundesgartenschau 1976 in Karlsruhe, die auf dem Gelände des Schloss- und Stadtgartens stattfand. "Wir haben immer gegen die autogerechte Stadt gekämpft", sagt Robert Mürb unserer Zeitung. Er war damals künstlerischer und technischer Leiter und setzte durch, dass die Straße am Stadtgarten zurückgebaut und durch eine Fußgänger- und Fahrradbrücke ersetzt wurde. Der Bereich vom Marktplatz bis zum Schloss wurde autofrei und zur Fußgängerzone erklärt. Als alternative Fortbewegungsmittel gab und gibt es bis heute die Gondolettas, kleine Boote mit denen man vom Schlossgarten- bis zum Schwanensee durch den Park fahren kann.

Revolutionär war auch, dass es im Schlossgarten keine Schilder gab, die den Besuchern das Betreten des Rasens verboten. "Ich habe in England gesehen wie schön das ist, wenn sich die Leute auf den Flächen frei bewegen können", erklärt er. "Wir haben den Schlossgarten vom Fürstengarten in den Volksgarten umgewandelt. Die Grünanlagen wurden demokratisiert." Früher wären Parks und Gartenanlagen der höheren Gesellschaft vorbehalten gewesen. Im 19. Jahrhundert öffneten die Fürsten ihre Gärten für die Bevölkerung - "aber nur die Wege".

Notwendiges Naherholungsgebiet

Mehr Grün für die Anwohner war auch das Motto in Berlin 1985. "Die traditionellen Erholungsgebiete lagen alle im Ostteil von Berlin, durch die Mauer war man davon abgeschnitten", erklärt Ele Kleufers, die damals in der Projektplanung aktiv war und jetzt Parkleiterin ist. "Die Westberliner hier im südöstlichen Teil hatten ein deutliches Defizit an Grünfläche."

Für die Bundesgartenschau wurden 90 Hektar Fläche des Stadtteils Britz neu gestaltet. Ein großer künstlicher See sollte das Herzstück des Geländes bilden. Mit dem Aushub wurde eine hügelige Landschaft in der eigentlich platten Teltower Hochfläche geschaffen. Ein Naherholungsgebiet, das vom Senat bewusst an dieser Stelle angelegt und von der Bevölkerung Britzer Garten getauft wurde. "Das ist so wie die Leute ihren Park erleben, als Garten eben. Da erholen sie sich, spielen mit den Kindern und treffen sich mit Freunden", erklärt Kleufers. Der Eintritt damals war "ein symbolischer Obolus von fünfzig Pfennig".

Auch nach Ende der Buga blieb der Park als geschützter Raum und Naherholungsgebiet erhalten. "Wir wollten den Britzer Garten in dieser Qualität bewahren", sagt Kleufers. So ist durch die Bundesgartenschauen in Berlin, Hannover, Karlsruhe und vielen anderen deutschen Städten etwas geschaffen worden, das bleibt und die Menschen bis heute erfreut.

Gesellschaftliche Entwicklungen

In der Geschichte der Bundesgartenschau erkennt man Motive, die von gesellschaftlichen und historischen Entwicklungen geprägt sind. Von 1951 bis 1965 stand der Wiederaufbau im Vordergrund. Kriegsbedingte Lücken im Stadtbild wurden zu Parks umgewandelt. Mehr Grün in den Städten war das Motto der Jahre 1967 bis 1985. Straßen wurden zurückgebaut. Von 1995 bis 2007 ging es primär um die Stadtentwicklung in den neuen Bundesländern, Militär- und Industrieflächen wurden umgewandelt. Ab 2009 kümmerte man sich um die Erschließung des Stadtrands.

 

 
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Kommentare

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am 22.04.2019 15:26 Uhr

Es mag sein, dass die BuGa in Heilbronn noch Sinn macht. In Mannheim macht eine 2. BuGa auf jeden Fall aus ökologischen und ökonomischen Gründen keinen Sinn. Die 1. BuGa fand 1975 in Mannheim im Luisen- und im Herzogenriedpark statt. Diese BuGa war die Buga mit den meisten Besuchern und dem größten Defizit in der Nachkriegszeit. Beide Parks sind auch heute noch wundervolle Ausflugs-ziele, die aber wegen zunehmender Finanzprobleme allmählich verrotten. Mit einer 2. BuGa am Rande der Stadt, wäre Mannheim mit den Folgekosten finanziell total überfordert. Mannheim benötigt das Geld sehr dringend zur Erhaltung und Pflege der 2 ersten Parks. Mit einer 2.BuGa und des damit verbundenen Grünzugs würden außerdem durch die Anlage eines unnatürlichen, relativ großen Sees, der Zerstörung wertvoller Kleingärten und der Installation eines sogenannten Radschnellwegs , ein mindesten 4m breiter Betonstreifen mit Beleuchtung , große Teile des Landschaftsschutzgebietes zerstört. Mannheim benötigt einen ehrlichen Grünzug, der nicht zu Lasten eines Landschaftsschutzgebietes geht. Ein solcher Grünzug wäre ohne Umweltzerstörung und sehr viel billiger möglich.

Klaus Brückner, Mannheim

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