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Kaum Überlebenschancen für kleines Krankenhaus

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Was wird aus dem Krankenhaus Brackenheim? Diese Frage treibt die Menschen im Zabergäu seit Wochen um. Auch am Mittwochabend beim Stimme-Forum gab es Diskussionen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Von Thomas Dorn

Vielen Menschen wäre es wichtig, dass die wohnortnahe Versorgung aufrechterhalten bleibt, wie am Mittwochabend beim Forum der Heilbronner Stimme im Brackenheimer Bürgerzentrum deutlich wurde. Der Andrang war nicht ganz so groß wie zuvor beim Forum in Möckmühl, wo das Krankenhaus vor ähnlichen Veränderungen steht. Knapp 350 Menschen füllten den Saal nur teilweise. Trotz der spürbaren emotionalen Beteiligung der Besucher, die unter anderem (zu) lange Wege befürchten, blieb die Stimmung weitgehend sachlich.

Dass Geschäftsführung und Aufsichtsrat der Stadt-Landkreis-Kliniken GmbH (SLK) die haus- und fachärztliche Versorgung vor Ort erhalten wollen, machten Geschäftsführer Dr. Thomas Jendges und der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende, Landrat Detlef Piepenburg, deutlich. Aber sie möchten dazu die Strukturen so verändern, dass am Ende, wie Jendges einräumte, nicht mehr von einem Krankenhaus die Rede sein kann.

Neben den beiden stellten sich Professor Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Instiutut für Wirtschaftsforschung, ein anerkannter Fachmann im stationären Gesundheitssektor, und Brackenheims Bürgermeister Rolf Kieser den Fragen von Reto Bosch, Leiter der HSt-Landkreisredaktion, und des Publikums.

 

 

 Hier einige Themenbereiche der dreistündigen Veranstaltung:

- Warum sind Veränderungen überhaupt nötig?

Steigende Defizite, wachsende Personalnot, schärfere Vorgaben: Das sind die Hauptgründe, weshalb die kleinen Krankenhäuser mit der Grundversorgung bundesweit große wirtschaftliche Probleme haben. Auch Brackenheim schreibt rote Zahlen, etwa zwei Millionen Euro pro Jahr. Gesetzliche Vorschriften, das machte Professor Augurzky deutlich, führen dazu, dass in den kleinen Häusern in der Summe ein höherer Investitionsbedarf je Patient und auch mehr Personal je Patient nötig sind - und das bei einer systematischen Benachteiligung durch das Vergütungssystem.

Gleichzeitig sind kleine Kliniken für hochqualifiziertes Personal weniger attraktiv, sie tun sich deshalb schwer, überhaupt ausreichend Personal zu finden. Durch das seit Januar 2016 geltende Krankenhausstrukturgesetz, so Augurzky, verschärfen sich die Rahmenbedingungen für Häuser wie Brackenheim weiter. Durch zusätzliche Qualitätsvorgaben steigen die - kaum erfüllbaren - Mindestanforderungen. Dazu kommen Trends wie die Spezialisierung der Medizin oder die Ambulantisierung: Einfache Fälle werden immer seltener stationär versorgt. Somit gibt es weniger Fälle für kleine Krankenhäuser.

- Wie ist die Lage konkret in Brackenheim?

Derzeit gibt es am Zabergäu-Krankenhaus eine Innere und eine chirurgische Abteilung sowie die geriatrische Rehabilitation. Thomas Jendges verwies auf eine rückläufige Zahlen in der Inneren Abteilung, was die schweren Fälle und die behandelten Patienten anbelangt. Der SLK-Geschäftsführer führte den Besuchern auch vor Augen, dass nur ein kleinerer Teil der Zabergäuer, "ein gutes Viertel", das Krankenhaus vor Ort nutzt. 50 Prozent der Patienten, die sich aufgrund des angebotenen Leistungsspektrums in Brackenheim hätten behandeln lassen können, fuhren im Jahr 2015 lieber an den Heilbronner Gesundbrunnen. 26,5 Prozent gingen nach Brackenheim, knapp zehn Prozent nach Bietigheim, knapp sieben Prozent an den Plattenwald.

"Schon heute wählen die meisten Patienten den Weg am Krankenhaus Brackenheim vorbei", sagte Jendges, der dem Team vor Ort gleichwohl kompetente Arbeit bescheinigte: "Was hier als Leistung erbracht wird, ist gut." Doch die Perspektiven, die Qualität aufrechterhalten zu können, seien schlecht. Dazu komme in Brackenheim ein "erheblicher Sanierungsbedarf", vor allem "hinter den Wänden", in Bereichen wie Lüftung, Wasser oder Brandschutz. Größenordnung der erforderlichen Investition: 25 Millionen Euro.

- Wie sieht das Zukunftskonzept für Brackenheim aus?

Ja zu einer bedarfsgerechten haus- und fachärztlichen Versorgung, nein zum stationären Krankenhaus - das ist der Plan. Chirurgie und Innere sollen im Lauf des Jahres 2017 geschlossen und an den Gesundbrunnen verlegt werden. In Brackenheim würde - in einem Neubau - die Geriatrische Reha bleiben und weiter ausgebaut. Dazu käme weiterhin eine umfassende Notfallversorgung: mit Rettungswagen und Notarzt, mit einer Notfallambulanz für die weniger kritischen, nicht lebensbedrohlichen Fälle. Außerdem soll eine Grundversorgungspraxis für einen Allgemeinmediziner eingerichtet werden, in der beispielsweise auch einfache Brüche geschient oder Wunden versorgt werden können.  

- Gibt es Alternativen?

Für seine Feststellung: "Wir sind mit diesem Konzept nicht einverstanden", bekam Brackenheims Bürgermeister Rolf Kieser, zugleich Vorsitzender des Krankenhausfördervereins, lang anhaltenden Beifall. Der Förderverein stimmt der Verlegung der Chirurgie zu, fordert aber den Erhalt der Inneren Abteilung. Sie sei auch "zwingend notwendig" für die Funktionsfähigkeit der geriatrischen Reha. "Investitionen könnten vermieden werden", sagte Kieser. Es brauche keinen Neubau und in absehbarer Zeit auch keine Sanierung des Krankenhauses.

Indem auch auf die - für die Verlegung der Inneren - erforderliche Erweiterung im Gesundbrunnen verzichtet werden könne, rechnete Kieser die Einsparungen auf 18 Millionen Euro hoch. "Die könnten zum Auffangen des jährlichen Defizits verwendet werden." Jendges und Piepenburg konnten dieser Rechnung eher wenig abgewinnen.

- Wo steht der Landkreis?

"Der Landkreis will die gute Versorgung in der Fläche weiter vorhalten", versicherte Detlef Piepenburg. Das angedachte Konzept biete dazu die Chance. Dem Erhalt des Krankenhauses in der jetzigen Form gibt er dagegen keine Chance: "Noch vor zwei Jahren hätte ich gesagt: Wir kriegen das hin." Aber inzwischen hätten sich die Rahmenbedingungen - vor allem wegen entsprechender Vorgaben der Krankenkassen - so verschlechtert, "dass kleine Häuser keine Überlebenschance haben". Die Entscheidung über die Zukunft der Krankenhäuser Möckmühl und Brackenheim fällt am 7. November, wenn der Heilbronner Gemeinderat und der Kreistag über das Thema diskutieren und abstimmen. Ein Zuhörer sieht die Kreisräte in der Pflicht und forderte eine namentliche Abstimmung. 

 

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