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Heilbronn
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Heilbronner Türme mit Alleinstellungsmerkmal

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Die Reihe Wissenpause im Deutschof beleuchtete am Montag Heilbronner Türme - und brachte für viele Besucher neue Erkenntnisse: einen Weltrekord für den Wartberg, einen Landesrekord mit den EnBW-Schornsteinen und viel Erhellendes zum Kiliansturm.

Das Stadtbild prägende Türme (von links): Allee-Shoppinghaus, Hafenmarktturm, Kiliansturm, Deutschordensmünster und rechts der Wollhausturm.
Foto: Archiv/Sawatzki
Das Stadtbild prägende Türme (von links): Allee-Shoppinghaus, Hafenmarktturm, Kiliansturm, Deutschordensmünster und rechts der Wollhausturm. Foto: Archiv/Sawatzki  Foto: Sawatzki

Allerhand Balsam für die oft lädiert wirkende Heilbronner Seele, aber auch einen kleinen Dämpfer für den alten reichsstädtisch-reformatorischen Stolz gab es am Montagmittag bei der Reihe Wissenpause im Deutschhof. Stadtarchivdirektor Prof. Dr. Christhard Schrenk beleuchtete mit dem Waiblinger Kunsthistoriker Dr. Karl Halbauer und mit dem einheimischen Architekturhistoriker Dr. Joachim Hennze von der Unteren Denkmalschutzbehörde Heilbronner Türme. Und siehe da: Die Käthchenstadt hat diesbezüglich tatsächlich so manches Alleinstellungsmerkmal.

Signalkugel auf dem Wartberg

Gleich zum Einstieg stellte sich heraus, dass der 1140 erbaute Wartbergturm einst von einer weithin sichtbaren Signalkugel gekrönt war, der einzigen weit und breit, die soweit bekannt gleichzeitig eine der ersten weltweit gewesen sein dürfte. Laut Halbauer tauchten die bis heute bekannten in Portsmouth und London erst 1829 und 1833 auf, die Heilbronner aber schon 200 Jahre früher. Nicht genug: Der aus dem Badischen stammende Hennze wusste, dass der 273 Meter hohe Sendemast in Mühlacker bald abgerissen werden soll und dann die 250 Meter großen Heilbronner EnBW-Schornsteine mit denen in Altbach/Deizisau die höchsten Bauwerke Baden-Württembergs seien.

Kiliansturm ist der Turm der Türme

Superlative ohne Ende finden sich derweil am "Turm der Türme" (Schrenk), dem Kiliansturm. Nicht weil er mit 64 Metern 50 Zentimetern höher als der WTZ-Turm ist und damit nach wie vor das höchste Gebäude der Kernstadt. Vielmehr wegen seines reichen Skulpturenspiels. Halbauer nannte ihn in der Kunstgeschichte "völlig unterschätzt", weil die meisten Forscher ihn gar nicht im Original gesehen hätten. Gleichzeitig räumte er mit Titeln wie erstes oder bedeutendstes Renaissance-Bauwerk/Turm nördlich der Alpen auf.

Christhard Schrenk (v. re.) beleuchtete bei der Wissenspause im Deutschhof mit Joachim Hennze und Karl Halbauer markante Heilbronner Türme.
Foto: Ralf Seidel
Christhard Schrenk (v. re.) beleuchtete bei der Wissenspause im Deutschhof mit Joachim Hennze und Karl Halbauer markante Heilbronner Türme. Foto: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Das 1513 bis 1529 errichtete Meisterwerk von Hans Schweiner vereine Stilelemente aus Gotik, Romanik und Renaissance. Zur Enttäuschung mancher der rund 80 Zuhörer betonten Halbauer und Schrenk, dass der Turm keinesfalls reformatorisches Gedankengut widerspiegle oder dieses gar vorwegnehme. Bibel-Anklänge seien an einem Kirchturm normal. Und die Klerikerkarikaturen, aber auch andere Darstellungen wie etwa ein Muslim seien bestenfalls Ausdruck der "Aufgewühltheit und Zerrissenheit der Zeit".

Einst sieben Wehrtürme in der Stadtmauer

Der ebenso kurzweilige wie informativ-lehrreiche Streifzug begann im tiefen Mittelalter, als insgesamt sieben Türme in der 2400 Meter langen Stadtmauer Teil der Stadtbefestigung waren. Neben dem 1392 gebauten, recht beengten Götzenturm steht davon nur noch der Bollwerks-turm. Grundgelegt im 13. Jahrhundert, hat sich seine Nachbarschaft bis heute oft verändert. Deshalb hat Hennze auch keine Probleme damit, dass der Turm bei der Neugestaltung und Einfassung des Platzes mit einem Hotel und einem großen Wohngebäude - wie Kritiker meinen - "zugebaut" worden sei.

Weiter ging es zum Hafenmarktturm, der für Hennze als ehemaliger Franziskanerklosterturm und späterer Barockbau die Genese vom Sakral- zum Profan- und Gedenkort - für die Toten beider Weltkriege - verkörpert. Ganz profan, aber markant: der Böckinger Wasserturm von 1929 als Teil der Wasserversorgung für die westliche Stadt. Manche Türme wie den Hochbunker auf der Theresienwiese oder den Aussichtsturm auf dem Schweinsberg streifte das Trio nur. Andere wie der Münsterturm im Deutschhof, der immerhin das älteste Sakralgebäude der Stadt birgt, oder der umstrittene Wollhausturm wurden ganz übergangen.

Kritik an modernen Hochhäusern

Gleichzeitig kritisierte Halbauer unverhohlen den modernen Hochhausbau, sprach von "Schandflecken" und würde sie gerne "alle abrasieren", um den Blick auf historische Gebäude frei zu machen. Hennze sah es nicht ganz so duster. Er gab zu bedenken, dass die meisten Kirchtürme in den Heilbronner Stadtteilen nach wie vor weithin sichtbar seien und so den Ortsmittelpunkt markierten.

Dienstag im Deutschhof

An diesem Dienstag geht es bei der Wissenspause ab 12.30 Uhr um "Heilbronn - Stadt der Innovationen".

 
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