Handgemachte Schuhe halten ein Leben lang
Andreas Schäfer stellt Schuhe nach traditioneller Art her. 35 Stunden arbeitet er an einem maßgefertigten Paar. Aufgrund der langen Lebensdauer seien handgemachte Schuhe nachhaltig.

In der Werkstatt in der Heilbronner Turmstraße liegt der Duft von Leder und Klebstoff in der Luft. Fünf Neonröhren hängen an dünnen Seilen von der Decke. Männer sitzen auf ihren Stühlen, schlagen Nägel in Leisten, messen nach, schneiden aus. Auf den Arbeitstischen liegen Lederteile und Schnittmuster. In der Werkstatt der Orthopädie-Schuhtechnik Oliver Setzer ist Handwerk greifbar. Und mittendrin arbeitet Andreas Schäfer.
Der 29-Jährige aus Heilbronn macht Schuhe für Menschen, die gesundheitliche Probleme an den Füßen haben. Und er stellt handgemachte, rahmengenähte Schuhe für Kunden her, die sich etwas Besonderes leisten wollen.
Dieter Meier von Yello zu handgenähten Schuhen
An dieser Stelle sei an den Konzeptkünstler und Frontmann des Schweizer Musik-Duos Yello, Dieter Meier, verwiesen. Er soll selbst großer Anhänger von handgemachten Schuhen sein. Gegenüber stimme.de sagt der 76-Jährige: "Ein gutes Schuhwerk stimmt mich fröhlich, weil ich schon beim Schnüren weiß, dass ein Glück auf mich zukommt. Schuhe und Socken machen es möglich, dass ich täglich aufs Wunderbarste im Kontakt bin mit unserem Planeten." Einen weiteren Höhepunkt erlebe er beim Putzen, Einschmieren und Polieren des Schuhs, der sich höflich für den Glanz bei ihm bedanke.

Einen Schuh von Hand herzustellen ist Maßarbeit. Deshalb ist der erste Schritt der Tritt auf ein weißes Stück Papier, das Schäfer zuvor an der Unterseite mit blauer Tinte bestrichen hat. Die Fußform wird sichtbar, es entsteht der sogenannte Blauabdruck. Das Bild ist wichtig, um zu erkennen, ob der Fuß Deformitäten hat, ob es ein Plattfuß oder Hohlfuß ist. Schäfer zeichnet den Umriss des Fußes mit einem blauen Filzstift nach und legt ein Maßband um Ballen, Vorspann, über den Spann und die Ferse.
Der sportlich-schlanke Mann und passionierte Rennradfahrer geht in den Keller des Altbaus im nördlichen Zentrum Heilbronns. In zwei Kellerräumen hängen etwa 2000 Paar Leisten, die zum Einsatz kommen, wenn ein Kunde ein neues Paar Schuhe benötigt. Leisten vom linken und vom rechten Fuß.

Die meisten Schuhe stellt die Firma für Menschen her, die mit einem Rezept zu ihm kommen. "Die Zahl der Kunden für Maßschuhe ist überschaubar", sagt Schäfer. Mit geschultem Auge sucht Schäfer nach einem Rohleisten, der in Größe und Form einigermaßen zum vermessenen Fuß passt.
Die zwei Füße des Menschen sind nicht identisch
An einer Schleifmaschine bringt er den Leisten in Form, schleift hier etwas ab, setzt dort etwas an und bringt ihn aufs Maß. Dann muss er die Paarigkeit der Schuhe herstellen. "Damit trotz unterschiedlicher Fußform die beiden Schuhe gleich aussehen." Denn die Füße des Menschen seien nicht identisch.
Ist der Leisten fertig, geht es ans Fußbett, erklärt Schäfer. Dies sei bei jedem Maßschuh individuell. Jetzt muss der Kunde erneut zum Schuhmacher. Durch den aus durchsichtigem Plastik hergestellten Probeschuh erkennt Schäfer, ob die Passform stimmt und die Maße dem Fuß entsprechen. "So sieht man genau, ob man noch irgendwo etwas ändern muss."

Die Gründe, weshalb sich Kunden ohne Vorerkrankungen für einen handgemachten Schuh entscheiden, seien unterschiedlich. Ein Mann mit Schuhgröße 48 erklärte Schäfer, dass ihm die wenigen Modelle, die ihm der Handel in seiner Größe anbietet, nicht gefielen. Ein anderer erfüllt sich einen lange ersehnten Wunsch. "An einem handgemachten, rahmengenähten Schuh kann nichts kaputtgehen." Hin und wieder müsse die abgelaufene Sohle erneuert werden. Der Schuh als solcher bleibe erhalten.
Beitrag zur Nachhaltigkeit
"Gerade in der heutigen Zeit, in der es um das Thema Nachhaltigkeit geht, kann ich sagen: Die Schuhe sind extrem nachhaltig." So ein Schuh halte ein ganzes Leben. Hauptsächlich Kalbsleder aber auch andere Lederarten werden für die Produktion eines so hochwertigen Schuhs verwendet. Ein traditionell gefertigtes, rahmengenähtes, handgemachtes Paar kostet ab etwa 1600 Euro. Plus circa 200 Euro für den Leisten, den man nur einmal herstellen muss. 35 Stunden benötigt Schäfer für ein Paar Schuhe.

Bei der Frage des Modells, hat der Kunde mehrere Möglichkeiten, erklärt Schäfer. Entweder er bringt ein Foto eines Schuhs mit, der ihm gefällt. Oder der Schuhmachermeister berät ihn und zeigt unterschiedliche Modelle. Der Kunde hat die Wahl zwischen unterschiedlichen Obermaterialien und entscheidet sich für Leder- oder Gummisohle. Schäfer entwirft das Schnittmuster und zeichnet es auf das Leder auf. Dann schneidet er die Teile aus und vernäht sie mit der Nähmaschine, der Schaft des Schuhs ist fertig. Nun kommt der Leisten wieder ins Spiel. Schäfer zieht den Schaft mit einer speziellen Zange über den Leisten und treibt mehrere Nägel in das Holzstück, das sogenannte Zwicken.
Alles an einem handgemachten Schuh könne man ersetzen
Damit der Schuh in Form bleibt, setzt Schäfer an der Ferse die Hinterkappe und an der Vorderkappe das Kappenleder zwischen Futter und Oberleder ein. "Dadurch bleibt der Schuh formbeständig und er hat einen guten Stand." Der fertige Schaft wird danach mit dem Rahmen vernäht, das sogenannte Rahmennähen. Mit dem darauffolgenden Doppeln wird der Rahmen mit der Laufsohle verbunden. Danach erhält der Schuh eine Ledersohle und der Absatz wird aufgebaut. "Alles, was sich an einem handgemachten Schuh abnutzt, kann man ersetzen."
Für Schäfer ist das Handwerk eine Leidenschaft. Er stammt aus Stuttgart Bad-Cannstatt. Seine Eltern und sein Bruder betreiben dort ein Geschäft für Orthopädietechnik. Wohin es Andreas Schäfer zieht? Er hat bei Oliver Setzer in Heilbronn seine dreieinhalbjährige Ausbildung absolviert, in Dresden hat er seinen Orthopädie-Schuhmachermeister gemacht. Schäfer schätzt das traditionelle Arbeiten bei Setzer. "Da wird sehr viel Wert daraufgelegt."
Die Kunst der rahmengenähten Schuhe sei selten geworden. Schäfer besitzt etwa 20 Paar davon. "Ich habe schon lange keine Schuhe mehr im Laden gekauft." Er empfiehlt, die Schuhe nur alle zwei Tage anzuziehen. Auch diese Stücke bräuchten einen Tag, um sich zu erholen. Die Kunden seien in der Mehrheit Männer. Auf Wunsch könne er auch Damenschuhe herstellen. "Wenn jemandem ein Modell gefällt und er oder sie ein Foto mitbringt, können wir für jede Fußform einen passenden Schuh produzieren." Alles nach Maß.

Stimme.de
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