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"Gib Stoff!" heißt es ab sofort im Museum im Deutschhof

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Im Museum im Deutschhof ist die Mitmach-Ausstellung "Gib Stoff!" gestartet. Groß und Klein können an zehn Stationen alles rund ums Thema Textil ausprobieren. Natürlich dürfen auch Heilbronner Firmen wie die Zwirnerei Ackermann aus Sontheim nicht fehlen. Und im Foyer lädt ein Kleidertausch zum Umdenken ein.

von Milva-Katharina Klöppel
Der Webstuhl war bereits in der Antike bekannt und nicht leicht zu bedienen.
Der Webstuhl war bereits in der Antike bekannt und nicht leicht zu bedienen.  Foto: Seidel, Ralf

Heute erinnern daheim nur noch einzelne schwere, weiße Tischdecken mit schwungvollen, meist in Rot gehaltenen Initialen der Großmutter daran, dass einst junge Frauen vor ihrer Hochzeit stundenlang an ihrer Aussteuer nähten, stickten oder knüpften. Bereits in der Antike saßen Frauen an Webstühlen und genossen in der Gesellschaft eine hohe Wertschätzung für ihre anspruchsvolle Arbeit. Das Stoff einen "weiblichen Aspekt" hat, das liegt Birgit Hummler, Kuratorin der jetzt im Museum im Deutschhof gestarteten Mitmach-Ausstellung "Gib Stoff!" sichtbar am Herzen.

Unterstützt wird die Projektleiterin dabei von Mitarbeiterin Sarah Lehnert, die sich nicht zuletzt durch ihre Ausbildung zur Textildesignerin bestens mit der Materie Stoff auskennt. Lehnert, aktuell Volontärin im Museum, entwickelte unter anderem die moderne, sehr reduzierte Wandgestaltung, die sich wie ein roter, Pardon schwarzer Faden durch die gesamte Ausstellung zieht. Nach "Donnerwetter! Klima schreibt Geschichte" sowie "Die dünne Haut der Erde - unsere Böden" wenden sich die Museen erneut einer komplexen, gegenwartsbezogenen Materie zu wie Dr. Marc Gundel erklärt. "Mit einem weiteren gesellschaftspolitisch relevanten Thema möchten wir zur Meinungsbildung beitragen", so der Direktor der Städtischen Museen Heilbronn.

Birgit Hummler, Sarah Lehnert und Jasmin Kuhlmey (von links) probieren die Hörstationen der neuen Ausstellung "Gib Stoff!" im Museum im Deutschhof aus. Hier berichten Menschen von ihren Berufen mit Textilien.
Birgit Hummler, Sarah Lehnert und Jasmin Kuhlmey (von links) probieren die Hörstationen der neuen Ausstellung "Gib Stoff!" im Museum im Deutschhof aus. Hier berichten Menschen von ihren Berufen mit Textilien.  Foto: Seidel, Ralf

Im Mittelpunkt steht die Wanderausstellung des Stadt- und Industriemuseums Rüsselsheim. "Wir haben die zehn Themeninseln von der Garnproduktion bis zur textilen Fläche durch die Heilbronner Textilgeschichte ergänzt", sagt Birgit Hummler. Denn auch wenn die Textilindustrie in Heilbronn in der Vergangenheit eine vergleichsweise kleine Rolle einnahm: Es gab Unternehmen wie die mechanische Zwirnerei Ackermann Sontheim, die 1970 noch fast 2000 Mitarbeiter hatte. Garne aber auch Wollfasern, Kunsthandwerk und mehr haben somit auch eine regionale Tradition und dürfen in der kulturgeschichtlichen Ausstellung, die noch bis zum 30. Juli zu sehen ist, nicht fehlen.

So farbenfroh wie die Stoffe, so bunt ist auch das von Museumspädagogin Jasmin Kuhlmey zusammengestellte Begleitprogramm. "Eine Textildesignerin erklärt beispielsweise die japanische Sticktechnik, eine Kooperation mit dem Maker Space der Experimenta behandelt das Thema Siebdruck", so Kuhlmey. Auch wenn sich die Ausstellung mit vielen interaktiven Stationen primär an Schulklassen und Familien richtet, kommen auch erwachsene Besucher sowohl in kulturgeschichtlicher als auch zukunftsweisender Hinsicht auf ihre Kosten. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass eine Faser in Schutzkleidung eingewebt vor Verletzungen mit einer Motorsäge schützen kann?

Wie entsteht eigentlich ein Stoffmuster? Früher aufwendig und anspruchsvoll mit Stempeln, heute einfach am Computer. Beides zum Ausprobieren vor Ort.
Wie entsteht eigentlich ein Stoffmuster? Früher aufwendig und anspruchsvoll mit Stempeln, heute einfach am Computer. Beides zum Ausprobieren vor Ort.  Foto: Seidel, Ralf

Dass sich mit der Massenindustrie auch die Textilproduktion mit negativen Konsequenzen für die Umwelt und Produktionsbedingungen gewandelt hat, schwingt beständig mit und wird im abschließenden Teil der Ausstellung besonders deutlich. Upcycling ist das Stichwort, das es nur unter anderem Namen bereits vor 80 Jahren gab. "Diese bestickte Tischdecke hat uns eine Heilbronnerin vor ein paar Jahren vermacht", erklärt Birgit Hummler. "Ein Militärleintuch wurde kreativ zur Tischdecke umgestaltet und viele Jahre in der Familie genutzt."

Die Schnelllebigkeit der Mode, der Überfluss, in dem wir leben, wird im Foyer sichtbar, wo samstags sowie in den Ferien auch dienstags ein Kleidertausch stattfindet.

Ein Thema, zwei Orte

Zum ersten Mal finden in beiden Museen Heilbronns Ausstellungen zu einem Thema statt, betont Dr. Marc Gundel, Direktor der Städtischen Museen. Er freut sich über die Verzahnung der Standorte. Während es mit "Gib Stoff!" im Deutschhof um die kulturgeschichtliche Perspektive geht, heißt es in der Kunsthalle Vogelmann: "Kunst-Stoff - Textil als künstlerisches Material". Die Ausstellung an der Allee läuft bis zum 25. Juni. Es gibt ein Kombiticket für beide Ausstellungen für neun Euro pro Person. Montags sind die Kunsthalle und das Museum geschlossen. 

Weitere Informationen

museen.heilbronn.de

 


 
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