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Junge Frau erlebt häusliche Gewalt: "Ich war völlig verletzlich und verwirrt"

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Eine junge Frau aus dem Raum Heilbronn verliebt sich und gerät in einen Kreislauf der Gewalt. Anonym erzählt sie von ihrer Leidensgeschichte, und wie sie es geschafft hat, auszubrechen.


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Selbstbewusst und sportlich wirkt Mandy S., wenn sie den Raum betritt. Mit ihren langen Haaren und dem freundlichen Lächeln unterscheidet die Endzwanzigerin auf den ersten Blick nichts von anderen jungen Frauen ihres Alters. Nur wer genau hinsieht, kann erahnen, was Mandy S. (Name von der Redaktion geändert) durchgemacht hat. Ihre Unterarme sind von kleinen kreisrunden Narben übersäht. So groß wie der Durchmesser einer Zigarette - denn die hat ihr Exfreund auf ihr ausgedrückt, wenn er wütend war.

Die junge Frau aus der Region Heilbronn ist mit ihrer Erfahrung nicht alleine. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO hat jede dritte Frau in ihrer Partnerschaft bereits Gewalt erlebt. Die Auswertung stammt aus der Zeit vor der Corona-Pandemie. Experten gehen davon aus, dass die weltweiten Lockdowns die Lage zwischenzeitlich noch verschärft hatten. In Deutschland steigt die Zahl der Fälle von Partnerschaftsgewalt seit Jahren immer weiter an. Fast 160 000 Menschen sind laut der Polizeilichen Kriminalstatistik im Jahr 2022 Opfer geworden. In Heilbronn wurden im selben Jahr mehr als 900 Fälle registriert. Partnerschaftsgewalt trifft beide Geschlechter - dennoch sind eine überwiegende Mehrheit von rund 80 Prozent der Opfer weiblich.

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Frau aus der Region Heilbronn berichtet von häuslicher Gewalt

Der Ex-Freund von Mandy S. habe nach ihrer Aussage die Ansicht vertreten, Probleme mit Gewalt lösen zu können. "Er hat es immer damit gerechtfertigt, wenn er andere Leute verletzt, dann kriegt er eine Strafanzeige - bei den eigenen ist es nicht so schlimm, die verzeihen das", erinnert sich Mandy S.

Häusliche Gewalt ist ein generationenübergreifendes und gesamtgesellschaftliches Problem. Die Gründe, warum ein Mann zum Täter wird, sind vielfältig. Oft spielen Frauenhass, Aggressionsprobleme oder familiäre Prägung eine Rolle. 50 Prozent der Kinder, die in der Familie häusliche Gewalt miterlebt haben, werden später selbst zu Tätern oder Opfern.

2019 wird Mandy S. von einem unbekannten Mann hinter einem Club vergewaltigt. Ein Ereignis, das sie traumatisiert und in ihr den Wunsch nach Liebe weckt. "Ich war völlig verletzlich und verwirrt", sagt sie. Den Täter kennt sie nicht, auch zur Anzeige kommt es nie. "Ich war lediglich beim Check-Up im Krankenhaus." Als sie kurze Zeit später ihren heutigen Ex-Partner kennenlernt, verliebt sie sich sehr schnell - und ist blind für die Warnzeichen. "Schon nach einigen Wochen hat es angefangen, dass erste Beleidigungen kamen, falsche Kleidung und sowas. Er gab mir auch die Schuld an der Vergewaltigung", erzählt Mandy S. "Das hat sich dann deutlich gesteigert, so dass er angefangen hat mich zu schlagen, anzuspucken und mich mit Zigaretten verbrannt hat."

Eine Frau aus dem Raum Heilbronn berichtet von ihrer gewaltvollen Beziehung. (Gestellte Szene)
Eine Frau aus dem Raum Heilbronn berichtet von ihrer gewaltvollen Beziehung. (Gestellte Szene)  Foto: Jonas Walzberg (dpa)

Warum trennen sich Opfer von häuslicher Gewalt nicht einfach?

Für Außenstehende ist es oft schwer zu verstehen, warum Betroffene die Beziehung nicht verlassen. Aber so einfach ist das nicht, weiß Kathrin Geih. Sie ist Sozialarbeiterin bei der Mitternachtsmission in Heilbronn. "Das ist ein Mensch, den man sehr nah an sich heranlässt, oder den man liebt", sagt sie. Sie spricht von einem Kreislauf der Gewalt. Auf jede Eskalation folgt auch wieder eine Verliebtheitsphase. In dieser entschuldigt sich der Partner und überschüttet das Opfer mit Liebesbeweisen.

Mandy S. verspürt nach eigener Aussage lange Zeit Liebe für ihren Ex-Partner. Aber auch Scham. "Das wird einem kein Mensch glauben, wenn man erzählt, wie man behandelt wird", fasst sie die Befürchtung vieler Betroffener in Worte. Durch die anfängliche und wiederkehrende Liebe und Zuneigung bauen die Täter ihrer Ansicht nach eine emotionale Abhängigkeit beim Opfer auf. "Man versucht die Person zu ändern und will sie krampfhaft bei sich haben."

Sechs Monate ist Mandy S. mit ihrem Ex-Freund zusammen. Dann trennt sie sich, bricht den Kontakt ab und sucht sich therapeutische Hilfe. Ihr Therapeut erkennt bei ihrem Ex-Partner narzisstische Züge. "Er geht immer von sich aus, macht andere schlecht, hat dadurch ein Dominanzgefühl, ein Freudengefühl, keine Empathie, kann sich nicht in andere hineinversetzen", gibt Mandy die Einschätzung ihres Therapeuten wieder.

Auch ohne Anzeige kann die Polizei bei häuslicher Gewalt tätig werden

Angezeigt hat sie die Gewalttaten nicht. Damals sei sie nicht dazu in der Lage gewesen. Um Hilfe zu erhalten, ist das auch erst mal nicht nötig, die Polizei kann bereits unabhängig davon in die Situation eingreifen, erklärt Oliver Seyboth vom Polizeipräsidium Heilbronn. Die Beamten können den Täter in Gewahrsam nehmen oder einen Wohnungsverweis aussprechen. Auch anschließend gibt es viele Möglichkeiten. So kann dem Täter der Führerschein entzogen werden, weil er charakterlich nicht dafür geeignet ist.

Anderen Betroffenen von häuslicher Gewalt oder Vergewaltigung rät Mandy S., sich nicht selbst die Schuld zu geben. "Da nimmt sich irgendjemand etwas ganz Intimes, was ihm nicht zusteht", sagt sie. Sie hat heute wieder eine Beziehung, in der sie sich wohlfühlt. Geholfen hat es ihr, sich ihrer Familie zu öffnen. "Die haben auch ganz klar gemacht, dass ich mich nicht schämen muss." Diese Botschaft gibt sie nun an andere Frauen weiter.

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