Friedhöfe sind natürliche Klimaanlagen
"Begräbnisstätten werden wegen ihres hohen Öko-Effekts für das Stadtklima immer wichtiger", sagt Oliver Toellner, Leiter des Heilbronner Grünflächenamts. Vor allem der Bestand an alten Bäumen sorge für Kühle und gute Luft. Heilbronn hat 15 Friedhöfe mit 46 Hektar.

Friedhöfe gelten als Ruhestätten und Orte der Trauerbewältigung. Doch sie erfüllen noch eine weitere, lange Zeit nur wenig beachtete Aufgabe: Besonders in Großstädten, die dicht bebaut sind, haben Friedhöfe als Grünflächen auch eine wichtige ökologische Funktion.
"Die Klimadebatte macht auch vor unseren Friedhöfen nicht Halt", stellt Oliver Toellner sachlich fest. Für den Leiter des städtischen Grünflächenamts dienen diese Flächen der Kühlung und der Frischluft in der Stadt, weil sie meistens alten Baumbestand haben wie beispielsweise der 1882 eröffnete, 15 Hektar große Hauptfriedhof an der Wollhausstraße im Heilbronner Osten. Insgesamt hat Heilbronn 15 unterschiedlich gestaltete Friedhöfe mit einer Gesamtfläche von 46 Hektar. Das sind rund 15 Prozent der städtischen Grünflächen von 360 Hektar.
Eine angenehme Kühle und eine gute Luft
"Im Hauptfriedhof ist es etwa drei Grad kühler als in der Innenstadt", hebt Toellner einen wichtigen ökologischen Aspekt hervor. Verantwortlich dafür ist der beachtliche Baumbestand mit allein mehr als 1400 Großbäumen wie die gut 140 Jahre alten Platanen, welche die Hauptachse des historischen Friedhofsteils säumen. Vor einer mächtigen Blutbuche bleibt Martin Heier stehen. Der Leiter der Friedhofsverwaltung ist immer, wenn er hier vorbeikommt, tief beeindruckt: "Überlegen Sie einmal, die Wasserverdunstung dieses Solitärs liegt zwischen 300 und 500 Liter pro 24 Stunden, wodurch die sehr angenehme Kühle und eine sehr gute, von Feinstaub reduzierte Luft erzeugt wird." Ein Übriges leistet in diesem Zusammenhang das relativ dichte Wassernetz mit seinen 50 Schöpfstellen, die auch für Vögel und Insekten lebenswichtig sind.
Friedhöfe werden immer mehr zu Parkanlagen
Die strategische Betrachtung von Friedhöfen gewinnt nach den Worten von Toellner zunehmend an Bedeutung: "Im Fokus steht aber nicht nur das begleitende Grün der weitläufigen Grabfelder, sondern es werden auch Öko-Werte einbezogen, die einen Park ausmachen."
Wiesen gehören zum Bestandteil eines Friedhofs

So dominieren im erweiterten Teil des Hauptfriedhofs Richtung Dittmarstraße derzeit blühende Wiesenflächen das Bild: "In diesem Wiesental gibt es außer den sogenannten Schmetterlingsgräbern keine weiteren Grabstellen. Es soll ein ruhiger Teil der Parklandschaft bleiben", erläutert Martin Heier den friedhofsgärtnerischen Grundgedanken. Dazu zählt momentan auch noch die Wiese im östlichen Teil zur Straße Im Wannental hin, die für Erdbestattungen von in Heilbronn lebenden Jesiden, die aus dem nördlichen Irak und in Nordsyrien geflohen sind, reserviert ist. Ein Mahnmahl weist schon heute auf die spätere Bedeutung dieses Ortes hin.
Jede Querachse hat ihren eigenen Namen
Charakteristisch für den Hauptfriedhof sind die Querachsen, die durchweg auf die Hauptachse zulaufen und die alle den Namen einer Baumart tragen. "Wir haben hier beispielsweise die Linden-, die Kastanien- und die Tulpenbaumallee", zeigt Martin Heier die ökologische Vielfalt auf. In der Blütezeit könne man sich wunderbar am jeweils typischen Duft orientieren.
Für die Tierwelt ein Paradies
Friedhöfe sind aber auch eine wichtige Heimat für die Tierwelt. "Wer früh unterwegs ist, der sieht schon einmal Habichte, Sperber oder Käuzchen", schildert Heier seine Erlebnisse. Zuhause sind in den dichten Baumkronen und den verzweigten Sträuchern aber auch Fledermäuse, Eichhörnchen, Eichelhäher, der Gartenrotschwanz oder der Neuntöter. Und in den mit Bändern gesicherten und schwach austreibenden Lindentorsos trifft man den Beulenkopfbock und den Juchtenkäfer an.
Dass all diese Aspekte zwischenzeitlich den Weg in die politische Klimadiskussion gefunden haben, freut Oliver Toellner: "Friedhöfe sind ein wichtiger Bestandteil unseres Stadtklimas. Deshalb muss vorausschauend geplant werden", betont der Leiter des städtischen Grünflächenamts. Dabei gelte es, die große ökologische Qualität, die Friedhöfe böten, zu vermitteln.
Der Hauptfriedhof: Zahlen, Daten, Fakten
Der Heilbronner Hauptfriedhof wurde nach den Plänen des Stuttgarter Landschaftsgärtners Robert Wagner angelegt. Er hatte den Planungswettbewerb gewonnen. Eingeweiht wurde der Hauptfriedhof 1882 im Gewann "Auf der Bühn" mit Blick auf den Wartberg durch den damaligen Oberbürgermeister Karl Wüst. Er verstarb zwei Jahre später im Alter von nur 44 Jahren. Sein Grab mit dem höchsten Denkmal auf dem Friedhof pflegt heute die Stadt.
Auf den 15 Friedhöfen der Stadt Heilbronn befinden sich insgesamt rund 45.000 Gräber, 22.000 allein im Hauptfriedhof. Bei den Bestattungsformen geht der Trend immer mehr zu alternativen Bestattungen wie auf der Wiese. Zehn Prozent der Heilbronner lassen sich auf der Kirschenwiese mit den roten Sandsteinquadern zum Ablegen von Blumen anonym beerdigen.
Das von Oberbürgermeister Emil Beutinger geplante und bis 1905 erbaute Krematorium wird im kommenden Jahr für 1,75 Millionen Euro modernisiert. Sukzessive werden zudem die teilweise schlechten Wege in den Querachsen ausgebessert. In der Friedhofsverwaltung arbeiten 39 Mitarbeiter.


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