"Es geht um kostbare Erinnerungen"
Katja Trost aus Heilbronn fotografiert seit eineinhalb Jahren für die Sternenkind-Stiftung Babys, die nur ein kurzes Leben hatten. Im Interview erzählt sie, warum dieses Ehrenamt so wertvoll für sie ist.

Wenn ein Kind im Mutterleib stirbt oder nach der Geburt nur kurz überlebt, ist das eine schreckliche Erfahrung. Vielen Eltern hilft es da, eine greifbare Erinnerung an ihr Baby zu haben. Aus diesem Grund hat die Stiftung "Dein Sternenkind" deutschlandweit ein Netzwerk an Fotografen aufgebaut, die in solchen Fällen kostenlos beauftragt werden können. Zu diesen Ehrenamtlichen gehört Katja Trost aus Heilbronn. Seit eineinhalb Jahren engagiert sich die dreifache Mutter mit viel Empathie und einem großen Herzen für Sternenkind-Eltern. Sie erzählt im Interview, warum dieses Ehrenamt so wertvoll für sie ist.
Frau Trost, können Sie sich an Ihren ersten Einsatz als Sternenkind-Fotografin erinnern?
Katja Trost: Natürlich. Den werde ich nie vergessen. Es war im November 2019, ich bin nach Karlsruhe gefahren. Es wird immer einer meiner emotionalsten Einsätze bleiben.
Wie haben Sie sich vorbereitet?
Trost: Man tauscht sich zuvor mit anderen Fotografen aus, ich habe mir im Forum von "Dein Sternenkind" viele Einsatzberichte und Abläufe durchgelesen – wochenlang, bevor ich bereit war. Man braucht natürlich auch das richtige Equipment. Zum Beispiel ein lichtstarkes Objektiv, denn im Krankenhaus, wo die Fotos meistens entstehen, herrschen in der Regel schlechte Lichtverhältnisse.
Ein totes Kind zu sehen, will eigentlich niemand erleben. Wie halten Sie das aus?
Trost: Das ist schwierig zu beschreiben. Auf mich wirken die Kinder erstmal nicht leblos. Manchmal sieht es aus, als würden sie schlafen. Ich denke, ich sehe das Kind als schlafendes Wesen an, egal wie es aussieht, das hilft mir. Denn manchmal sehen die Kinder auch etwas mitgenommen aus durch die Geburt oder eine längere Lagerungszeit, wenn das Foto nicht sofort gemacht werden konnte. Ich empfinde aber niemals Ekel oder Scheu. Ich gehe unbedarft an die Sache ran und berühre die Kinder auch.
Muss man also hart im Nehmen sein?
Trost: Nein. Man muss vor allem viel Empathie und Mitgefühl mitbringen. Sich in die Eltern hineinversetzen können und ein großes Herz haben.
Hilft Ihnen auch Ihr Beruf als Krankenpflegerin?
Trost: Ich denke schon. Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Da hat man noch mal einen anderen Bezug.
Warum haben Sie sich dieses Ehrenamt ausgesucht?
Trost: Ich habe lange gezögert und die Aktivitäten von "Dein Sternenkind" in sozialen Netzwerken verfolgt, auf Facebook ist die Organisation sehr aktiv. Mir wurde klar: Es gehört Mut dazu. Motiviert hat mich letztlich das Gefühl, etwas für die Eltern zu tun, ihnen eine kostbare Erinnerung zu schaffen. Ich dachte mir: Ich kann das, ich habe die geeignete Ausrüstung. Warum nicht all das nutzen?
Wie oft werden Sie angefragt?
Trost: Insgesamt hatte ich sieben Einsätze in eineinhalb Jahren. 2020 waren es vier, im Januar einer. Wir könnten mit Sicherheit öfter gerufen werden, aber die Arbeit ist noch ein großes Tabu-Thema. Deutschlandweit hatten die Sternenkind-Fotografen vergangenes Jahr 3259 Einsätze, im Januar 2021 trotz Corona bereits 300.
Was nehmen Sie für sich aus dieser Tätigkeit mit?
Trost: Bei jedem Einsatz werde ich darin bestätigt, dass ich etwas Wertvolles mache. Ich kann den Eltern etwas mitgeben. Da ziehe ich viel Kraft draus.
Haben Sie schon einmal ans Aufhören gedacht?
Trost: Nein.
Wer ruft die Sternenkind-Fotografen?
Trost: Wir sind rund um die Uhr erreichbar über eine Alarm-App. In den meisten Fällen sind es die Kliniken, also die Ärzte, Schwestern oder Hebammen, die uns über die Internetseite anfragen. Manchmal sind es auch Freunde und Bekannte. Ganz selten die Eltern selbst.
Warum sind die Fotos, die Sie machen, wichtig für die Eltern?
Trost: Es geht darum, etwas greifbar in den Händen zu haben. Der Schmerz bleibt zwar immer, die Erinnerung an das Aussehen verblasst aber doch irgendwann. Durch die Bilder kann man sich Details wieder zurückholen.
Bekommen Sie diese Rückmeldung direkt?
Trost: Bei den Einsätzen fallen meist nur wenige Worte. Die Emotionen sind zu groß. Man spürt aber die Dankbarkeit. Später kommt auch öfter noch eine Rückmeldung der Eltern, wenn ich die Bilder zum Beispiel übergebe. Auf Plattformen im Internet kommt unheimlich viel Feedback zur Arbeit der Sternenkind-Fotografen.
Sind die Eltern beim Fotografieren dabei?
Trost: Ich habe die Eltern bisher immer kennengelernt. Es kommt aber auch vor, dass Kinder allein fotografiert werden, wenn die Eltern zum Beispiel keine Kraft dazu haben. Je kleiner die Babys sind, desto mehr Berührungsängste haben viele Eltern. Die Bilder werden meist im Kreißsaal oder auf der Station gemacht. Manchmal auch zu Hause. Da kann man viel Persönliches in die Bilder reinpacken. Das geht im Krankenhaus nur bedingt.
Was bringen Sie außer Ihrer Kamera mit?
Trost: Ich spreche mich mit den Kliniken ab, ob zum Beispiel Kleidung vorhanden ist. Bei größeren Kindern ist das oft so. Es gibt aber auch ehrenamtliche Näherinnen, die Decken und Kleidung in jeder Größe – von der frühesten Schwangerschaftswoche an – nähen und stricken. Das können wir Fotografen anfordern. Viele Kliniken sind aber schon gut ausgestattet.
Wie sehen die Fotos aus?
Trost: Je nachdem wie die Eltern dazu bereit sind, mache ich Bilder mit ihnen und dem verstorbenen Kind auf dem Arm. Ich versuche es dokumentarisch festzuhalten, es soll nicht gestellt wirken. Aber es werden auch Detailaufnahmen gemacht. Vom Fuß, vom Ohr, von den Händen, von den Haaren – waren sie zum Beispiel lockig oder glatt?
Wie kommen Sie wieder auf andere Gedanken nach einem Einsatz?
Trost: Ich brauche erst einen Moment für mich, lasse alles sacken. Wenn ich die Bilder später anschaue und auf den Computer hochlade, ist das ein Verarbeitungsprozess für mich. Aber letztlich holen mich meine Familie, meine Kinder immer schnell in den Alltag zurück. Es macht mich auch einfach so unsagbar glücklich, dass ich drei gesunde Kinder habe.
Wie geht es mit den Fotos nach einem Einsatz weiter? Schicken Sie sie per Post?
Trost: Ich packe Fotopäckchen. Darin sind entwickelte Bilder, ein USB-Stick, passende Accessoires wie etwa eine individuelle Karte. Die Päckchen übergebe ich am liebsten persönlich. Mir ist es wichtig, noch einmal mit den Eltern zu sprechen und zu hören, was in der Zwischenzeit passiert ist. Manchmal hört man im Nachhinein noch etwas, manchmal nicht. Es gibt einige Eltern, die die Päckchen nicht sofort öffnen, sondern erst Monate oder sogar Jahre später.