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Ergriffenheit ist auch zwölf Jahre nach Polizistenmord noch spürbar

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Bei einer stillen Zeremonie haben Polizei, Innenminister und OB am Donnerstag an der Theresienwiese der 2007 ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter gedacht. Polizeipräsident Becker nannte die nicht restlos aufgeklärte Tat eine „offene Wunde“.

Von Carsten Friese
Landesinnenminister Thomas Strobl (von links), Polizeipräsident Hans Becker und Oberbürgermeister Harry Mergel bei der Zeremonie an der Theresienwiese.
Landesinnenminister Thomas Strobl (von links), Polizeipräsident Hans Becker und Oberbürgermeister Harry Mergel bei der Zeremonie an der Theresienwiese.  Foto: Berger, Mario

 

Mit spürbarer Ergriffenheit haben Polizeibeamte, Polizeipräsident Hans Becker, Innenminister Thomas Strobl und Oberbürgermeister Harry Mergel am Donnerstagmorgen der Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter am Rande der Heilbronner Theresienwiese gedacht. An der Gedenkstele zur Erinnerung an Kiesewetter und neun weitere Mordopfer des rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ hielten Becker, Strobl und Mergel einige Zeit wortlos inne und richteten die Schleifen der niedergelegten Blumengebinde aus. 

Strobl spricht von Trauer und Entsetzen

„Für Michèle Kiesewetter bleibt im Gedächtnis der Heilbronner Polizei immer ein besonderer Platz“, sagte Polizeichef Hans Becker kurz vor der stillen Zeremonie auf Stimme-Anfrage. Es seien bis heute Kollegen dabei, die intensiv mit sehr vielen Überstunden versucht hätten, die Tat aufzuklären. Dass dies nicht restlos gelungen sei, „bleibt eine offene Wunde“, sagte Becker. Das Warum dieser Tat sei bis heute ungeklärt. 

„Trauer und Entsetzen“ nannte Innenminister Thomas Strobl die Gefühle auch zwölf Jahre nach der Bluttat. Er sprach von einem „widerwärtigen, heimtückischen und feigen Mord am helllichten Tag“. Auch bei ihm bleibt ein ungutes Gefühl, dass nicht alle Hintergründe der Tat erhellt werden konnten. Warum die Rechtsterroristen, die aus rechtsradikalen Motiven zuvor neun Bürger mit türkischen und griechischen Wurzeln in sechs deutschen Städten ermordet hatten, bei der zehnten Tat Polizisten in Heilbronn als Opfer auswählten, ist nach wie vor unklar.

Woher und warum die Täter zur Theresienwiese kamen, wo Kiesewetter (22) mit ihrem Streifenkollegen Martin A. (24) damals Vesperpause machte, ist ebenfalls ungeklärt. Hatten die Mörder Helfer aus der Region? Bei Insidern war die Theresienwiese als gern genutzter Pausenplatz von Polizisten bekannt. 

Der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel war damals Ordnungsbürgermeister in der Stadt. Ihn habe die Tat „sehr berührt und aufgewühlt“, sagte er im Rückblick. An dem Tag riegelte die Polizei auf der Suche nach den Mördern die Innenstadt komplett ab, der Verkehr kam über Stunden zum Erliegen. Der 25. April gehöre mittlerweile „zu unserer Erinnerungskultur“, so Mergel. Er finde es gut, dass die Polizei an dieser Gedenkzeremonie „festhält“.

Kopfschüsse von hinten auf vespernde Polizisten 

Von hinten hatten sich die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt aus Thüringen an jenem 25. April 2007 dem Streifenwagen auf der Theresienwiese genähert und dann aus nächster Nähe von schräg hinten Kopfschüsse auf die beiden Beamten abgefeuert. Kiesewetter starb am Tatort, ihr Kollege überlebte wie durch ein Wunder schwer verletzt.

Die Suche nach den wahren Tätern blieb über Jahre im Sand stecken – bis die Rechtsterroristen nach einem Banküberfall in Eisenach 2011 von der Polizei gestellt wurden und sich dann in ihrem Wohnmobil erschossen. In dem Fahrzeug fand man die Dienstpistolen der Heilbronner Beamten, die die Täter ihnen auf der Theresienwiese nach dem Anschlag abgenommen hatten.

Die Überlebende des NSU-Trios, Beate Zschäpe, wurde im Juli  2018 vom Oberlandesgericht München zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld verurteilt. 

Nach einigen Minuten des Gedenkens verließen die Teilnehmer wieder die Stätte des Erinnerns. Zurück blieben die bunten Blumengrüße vor der Gedenkstele – Begonien, Mittagsblumen, Gerbera, Jasmin, Nelken und Margariten. 

 


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