"Im Gerichtssaal kommt es auf jedes Wort an" - Heilbronner Franz Messing ist seit 20 Jahren vereidigter Dolmetscher
Franz Messing dolmetscht bei Telefonüberwachungen der Polizei ebenso wie bei Gerichtsprozessen um Mord und Totschlag live und simultan. Seine Auftraggeber brauchen und schätzen ihn und seine Zunft. Dennoch sieht er seinen Berufsstand in Gefahr.

Wird Franz Messing zu einer Gerichtsverhandlung geladen, redet dort kein Mensch so viel wie er. Und doch fällt der 68 Jahre alte Heilbronner in den Verhandlungen von allen Prozessbeteiligten am wenigsten auf. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet der gebürtige Rumäne als vereidigter Dolmetscher für die rumänische Sprache.
Jedes Wort, das während einer Verhandlung gesprochen wird, übersetzt der studierte Musiker simultan für Angeklagte aus seinem Geburtsland, sofern diese die deutsche Sprache nicht verstehen. Neutral, dezent, korrekt: "Ich bin nur das Übersetzungsorgan, damit alle Seiten miteinander klar kommen", sagt Messing über sich selbst.
Stundenlang simultan übersetzen erfordert höchste Konzentration
"Leicht ist es nicht", sagt Messing. "Aber was ist schon leicht?" Zuhören, während man gleichzeitig übersetzt, was eben gesagt wurde. Und das über Stunden. Das gehe nur mit hoher Konzentration. Am Anfang habe er "unheimlich Angst" gehabt, gesteht Messing. Als er vor mehr als 20 Jahren eine Bewerbung als Dolmetscher für die rumänische Sprache bei der Heilbronner Polizei abgegeben hat. "Ich lebte schon lange in Deutschland und hatte die rumänische Sprache fast vergessen."
Die Heilbronner Polizei reagierte damals sehr schnell. Der Bedarf war groß. Messing dolmetscht unter anderem bei Befragungen. Längst übersetzt er auch bei Telefonüberwachungen live und simultan. Wenn die Polizeibeamten kurz vor dem Zugriff stehen und die Verdächtigen unter anderem Treffpunkte vereinbaren. "Ich bin bei den Fällen, die vor Gericht landen, oft schon vor der Verhandlung dabei", sagt Messing.
Gerichte haben für den Übersetzer immer Priorität
Beim Dolmetschen für die Polizei ist es nicht geblieben. Messing übersetzt auch für Zollamt oder Notare. Auch private Anfragen kämen immer wieder. "Vorrang haben aber die Gerichte", so Messing. Dort muss er jedes Wort übersetzen. Schließlich muss der Angeklagte alles verstehen. Umgekehrt übersetzt der Dolmetscher auch für die Prozessbeteiligten von rumänischer in deutsche Sprache. Und zwar jedes Wort. Auch wenn der Angeklagte zum Richter schon einmal gesagt habe, er könne ihn am Arsch lecken. "Der Richter wollte wissen, was die schimpfende Angeklagte sagt", erzählt Messing.
So spektakulär geht es selten zu. In wie vielen Prozessen er als Dolmetscher bestellt wurde, kann er nicht sagen. Mehre Hundert müssten es gewesen sein, so Messing. Die Geschichten in den Prozessen lasse er im Gerichtssaal. Das sei am Anfang noch anders gewesen. "Da haben mich die Fälle beschäftigt." Inzwischen bereitet es ihm kaum Probleme. "Nur wenn es um Vergewaltigung oder Kindesmissbrauch geht, geht mir das länger nach."
Erste Anfragen schon für Juni
Ans Aufhören verschwendet Messing keinen Gedanken. "Ich arbeite solange ich gebraucht werde", sagt er. "Was soll ich als Rentner sonst auch tun? Angeln gehen?" So ist sein Kalender schon Anfang Januar wieder bis in den April hinein mit Terminen voll. Selbst für Juni kommen schon die ersten Anfragen. "Ich habe wirklich viel zu tun", blickt Messing optimistisch nach vorn. Auch wenn ihm mittlerweile die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI) die eine oder andere Sorgenfalte ins Gesicht treibt.
Digitale Übersetzungsprogramme seien schnell, fehlerlos und unendlich belastbar, sagt der Dolmetscher. Ihn selbst werde KI wohl kaum mehr aus dem Beruf drängen. Auf junge Übersetzer sieht der Dolmetscher aber ein riesiges Problem zukommen. Wenn sie von den Maschinen ersetzt werden, "fehlt in der Übersetzung das Menschliche".
Zur Person
Seit rund 44 Jahren lebt Franz Messing in Heilbronn. Der heute 68 Jahre alte deutsche Staatsbürger ist im westrumänischen Temeschburg geboren und hat dort ein Musikgymnasium besucht. Nach dem Abitur 1975 zog er mit seiner Familie nach Deutschland. Nach einem achtmonatigem Sprachkurs hat Messing an der erziehungswissenschaftlichen Hochschule in Koblenz Musik studiert. Er trat mit verschiedenen Orchestern auf und arbeitete 25 Jahre lang als Musikschullehrer für Violine in Heilbronn und Lauffen. Zeitweise war er für eine Versicherung tätig, und er war Gastronom beim TC Heilbronn am Trappensee. Messing ist verheiratet, hat drei Kinder und sieben Enkelkinder. In seiner Freizeit spielt er zum Ausgleich nach wie vor Tennis. Als Dolmetscher arbeitet er seit mehr als 20 Jahren.