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Bürger-Uni: Wie Forschung und moderne Technologien Krankheiten verhindern können

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"Die Zukunft der Medizin ist Prävention", sagt Lars Steinmetz, Professor für Genetik an der Universität Stanford. Bei der Bürger-Uni sprach der Wissenschaftler über das Verstehen und Ändern des menschlichen Erbguts und Biosensoren, von denen wir vielleicht irgendwann 300 an und in unserem Körper tragen werden.

Wissenschaftler Lars Steinmetz bei seinem Vortrag in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung.
Wissenschaftler Lars Steinmetz bei seinem Vortrag in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung.  Foto: Bihr, Lina

Ein Foto, das zwei Waldwege zeigt: der eine steil, voller aus dem Boden ragender Wurzeln und überschrieben mit "Krankheiten heilen", der andere eben, geschottert und betitelt mit "Krankheiten verhindern". Für Lars Steinmetz, der mit diesem Bild seinen Vortrag bei der 22. Bürger-Uni eröffnet, ist klar, wohin die Reise geht. "Die Zukunft der Medizin ist Prävention", sagt der Professor für Genetik an der Universität Stanford am Donnerstag in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung.

Wie moderne Technologien und Forschung dem Menschen helfen können, gesund zu bleiben, erläutert der gebürtige Münchner, Jahrgang 1975, in knapp einer Stunde ebenso anschaulich wie informativ.

 


Jede Zelle im menschlichen Körper enthält die Kopie des Genoms. Dieses Erbgut wiederum - codiert in der Aneinanderreihung der vier Buchstaben A, T, G und C - liefert "die Anleitung, wie jede einzelne Zelle in unserem Körper aufgebaut ist und wie die Zellen miteinander interagieren", liefert Lars Steinmetz zunächst wichtiges Grundlagenwissen und präsentiert einige verblüffende Zahlen und Fakten. Wie die, dass das Genom auf Papier ausgedruckt zwei Millionen Seiten füllen würde. Vor mehr als 20 Jahren ist es dem internationalen Forscherteam des Human Genom Projects nach zehn Jahren Arbeit und unter dem Einsatz von drei Milliarden US-Dollar gelungen, diese Sequenz zu entschlüsseln - was heute viel schneller und günstiger geht: nämlich in fünf Stunden und für unter 100 Euro.

Risikofaktoren im Erbgut erkennen und herausschneiden

Dank der Genomsequenzierung können nun Risikovarianten im Erbgut identifiziert werden, die eventuell zu Krankheiten führen. "Mittlerweile kennt man ungefähr 400.000 Stellen im Genom, die assoziiert sind mit verschiedenen Krankheiten", führt der Arbeitsgruppenleiter am Europäischen Molekularbiologie Labor (EMBL) in Heidelberg weiter aus. Manche Risikofaktoren sind kleiner, andere haben einen größeren Effekt. Eine Sichelzellenkrankheit können beispielsweise fünf Varianten auslösen, bei Herzkrankheiten sind es dagegen 160.000.

"Wir können diese Informationen nutzen, um präventiv zu agieren durch entweder Medikamente, die eingesetzt werden, um die Krankheiten früh zu behandeln, Lifestyleveränderung, gesunde Ernährung oder neue Technologieansätze wie die Gentherapie", sagt Steinmetz. Denn letztere ermöglicht es, krankheitserregende Genvarianten zu korrigieren, etwa indem man diese Mutationen durch gesunde Sequenzen ersetzt. 2012 entdeckt, lassen sich mit der Crispr-Cas9-Genschere, einer Art molekulares Skalpell, spezifische Stellen im Erbgut ausschneiden.


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Steinmetz nutzt diese Technologie bei seinen Forschungen zur erblich bedingten, krankhafte Erweiterung des Herzmuskels, die dazu führt, dass nicht mehr genug Blut durch den Körper gepumpt wird. Mithilfe modifizierter Viren haben der Wissenschaftler und sein Team die Genschere in die Herzzellen von Mäusen gebracht, wodurch es demnach gelungen ist, diese Zellen zu reparieren und die Pumpfunktion der Herzen zu verbessern. Aber: "Viele Herausforderungen sind damit verbunden, solche Ansätze in die Klinik zu bringen", betont der Forscher. So sind die Preise für Therapien, die schon auf dem Markt sind, hoch. Die eine Million Euro für solch eine Behandlung "muss man natürlich in Vergleich setzen zu den Kosten, die existieren würde, wenn man Patienten lebenslänglich behandeln muss mit traditionellen Medikamenten. Oft liegen diese Kosten viel höher", so Steinmetz.

Dank Biosensoren Krankheiten frühzeitig erkennen

Nach Genomsequenzierung und Genschere bringt der Genetik-Professor als drittes die Biosensoren-Technologie ins Spiel, "die es uns gestattet, in Echtzeit unseren Gesundheitsstand zu messen und anhand dieser Daten früh festzustellen, wenn diese von unserem gesunden Zustand abweichen und eventuell zu einer Krankheit führen". Bekannt sind zum Beispiel schon Glukosesensoren, die unter die Haut implantiert werden und den Blutzuckerspiegel messen. Oder Fitness-Tracker am Handgelenk, die den Puls feststellen. "Wir werden in Zukunft sicher viele Sensoren an, in und um unseren Körper tragen", ist Steinmetz überzeugt. Von 300 verschiedenen Sensoren geht der Firmengründer (Sophia Genetics, Levitas bio, Recombia Biosciences) aus. Ob integriert im Smartphone oder in der Kleidung, als Implantat im Körper oder essbare Pille, die durch Magen und Darm wandert.

KI wird bei der Analyse eine wichtige Rolle spielen

Dass er bereits im Alter von vier Jahren seinem Vater als Wissenschaftler nacheifern wollte und wie es ist, als Forscher zwischen Kalifornien und Baden-Württemberg zu pendeln, verrät Lars Steinmetz dann im Gespräche mit Stimme-Redakteur Tobias Wieland. "Deutschland ist in Europa führend, sich Gedanken zu machen, wie man genetische Analysen schlussendlich auch durch die Krankenkasse abrechnen kann", entgegnet Steinmetz auf die Kostenfrage bei Genomsequenzierungen.

Künstliche Intelligenz wird eine große Rolle spielen bei der Analyse von genetischen Informationen, sagt der Genetik-Professor, der die Betrachtung ethische Aspekte (wie in Sachen Datensicherheit oder Genomsequenzierung von Neugeborenen) als unabdingbar erachtet, wenn man die besprochenen Technologie an den Menschen bringen möchte. "Da ist es auf für uns als Forscher einfach wichtig, alle Seiten zu betrachten."

 


Zur Person

Lars Michael Steinmetz, geboren 1975 in München, ist Professor für Genetik an der Universität Stanford, Co-Direktor des Stanford Genome Technology Center und Arbeitsgruppenleiter am Europäischen Molekularbiologie Labor (EMBL) in Heidelberg.

Zur Bürger-Uni

Die Bürger-Uni ist ein kostenloses Angebot für Wissbegierige. Ihnen werden fundierte wissenschaftliche Ergebnisse unterhaltsam und verständlich dargeboten. Die Heilbronner Bürger-Uni ist eine Kooperationsprojekt von DieterSchwarz-Stiftung, TUM Campus Heilbronn und der Heilbronner Stimme. Üblicherweise finden pro Jahr drei Vorlesungen statt.

Wissenschaftler Lars Steinmetz bei seinem Vortrag in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung.
Wissenschaftler Lars Steinmetz bei seinem Vortrag in der Aula auf dem Bildungscampus der Dieter-Schwarz-Stiftung.  Foto: Bihr, Lina
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