So läuft eine Reerdigung ab
Das Berliner Unternehmen Meine Erde hat ein neues naturnahes Verfahren für die Kompostierung von Leichnamen entwickelt. Bislang ist das nur in Schleswig-Holstein möglich. So läuft eine Reerdigung ab.

Erd- und Feuerbestattungen dominieren die deutsche Bestattungskultur seit fast 150 Jahren. Mit der Gründung der Friedwald GmbH in Mammern in der Schweiz wurde 1999 die Baumbestattung begründet, die seit 2001 auch in Deutschland immer beliebter wird, hier in der Region etwa im Waldfriedhof Friedrichsruhe oder im Friedwald in Schwaigern. Auch in vielen Kommunen sind Beisetzungen am Baum zwischenzeitlich möglich. Ob Wald oder Friedhof: Dem voraus geht die Einäscherung in einem Krematorium. Die Asche wird in einer kompostierbaren Urne beigesetzt.
Bei der Reerdigung wird der Leichnam nicht verbrannt, sondern kompostiert und in einem 40-tägigen Prozess zu Erde, die auf Gräbern in 70 Zentimetern Tiefe eingebracht wird. Das ist bislang aber nur auf Friedhöfen in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern erlaubt.
Neue Bestattungsform stößt in europäischen Ländern auf großes Interesse
In allen anderen Bundesländern, auch in Baden-Württemberg, bestehen noch Vorbehalte gegenüber der neuen Bestattungsform, die die Berliner Firma Meine Erde etwa mit Hilfe von unabhängigen Studien der Universität Leipzig zerstreuen will. Die wissenschaftliche Erforschung sei Teil der Erprobungsklausel, heißt es.
Den Paderborner Moraltheologen Monsignore Prof. Dr. Peter Schallenberg zitiert das Unternehmen Meine Erde mit der Aussage, aus katholisch-theologischer Sicht sei die Reerdigung der Feuerbestattung vorzuziehen.
Auch im Ausland gewinnt der Trend hin zu naturnahen Bestattungen immer mehr Anhänger. In den USA begründete Katrina Spade die Reerdigung 2019 unter dem Namen „natural organic reduction“. In Dänemark kämpft der Verein „Formuldning“ um die Legalisierung und Verbreitung der Kompostierung von Toten.
In Frankreich treibt die Initiative „Humo Sapiens“ das Thema voran. In den Niederlanden setzt sich die „Stichting Veraarden“ dafür ein. In der Schweiz heißt eine vergleichbare Initiative „Werde Erde“, in Tschechien „Posledni stopa“, was so viel bedeutet wie „Der letzte Fußabdruck“.
Reerding: Schritt für Schritt erklärt
- Vorbereitung: Nach dem Tod holt ein Bestattungsinstitut den Leichnam ab, versorgt und überführt ihn nach Schleswig-Holstein.
- Alvarium: Einzelne Friedhofskapellen wurden dort zu Ruhestätten. Wie in einem Bienenstock, lateinisch Alvarium, befinden sich dort Waben, die je einen Kokon in sich bergen.
- Kokon: Ein Kokon ist hier ein sargähnliches Behältnis, in das der Leichnam auf Heu, Stroh, Luzerne und Biopflanzkohle gebettet und mit Heu und Stroh bedeckt wird. Bei diesem Vorgang können Angehörige zum Abschiednehmen dabei sein. Der Kokon wird verschlossen und mit Zu- und Abluft verbunden. Der Reerdigungsprozess beginnt.
- Dauer: Natürliche Mikroorganismen aus Pflanzenmaterial und dem menschlichen Körper selbst sorgen für die Transformation. Der Kokon wird sanft gewiegt, damit die Mikroorganismen mit Feuchtigkeit und Sauerstoff versorgt werden.
- Beisetzung: Nach 40 Tagen befinden sich im Kokon zirka 120 Kilogramm Erde. Sämtliches humanes Weichgewebe sei verschwunden, „die Knochen weisen eine Alterungsstruktur auf, die einer Liegezeit von 20 bis 50 Jahren entspricht“, schreibt Meine Erde auf Grundlage der Leipziger Studie. Fremdstoffe wie Prothesen werden entnommen. Letzte Knochen zermahlen. Für die Überführung auf einen Friedhof wird die Erde in ein Tuch eingeschlagen. Die neue Erde kann wie ein Sarg oder eine Urne im Rahmen einer Abschiedsfeier beigesetzt werden.