„Wir haben Angst“: Lokalbetreiber über Gewalt-Ausbrüche am Heilbronner Marktplatz
Der Betreiber eines Restaurants in Heilbronn bekommt die gewalttätigen Auseinandersetzungen vor der Tür hautnah mit. Er fühlt sich im Stich gelassen. Denn die Schläger machen vor seinem Lokal nicht Halt.
Hilflos. Ohnmächtig. Die Begriffe beschreiben die Gemütsverfassung von Seyfettin Samaras. Der 39-jährige Betreiber des Merkez Grill in der Heilbronner Kaiserstraße erzählt, wie ihm ein paar Kriminelle vor der Tür, aber auch im Lokal am Marktplatz das Leben zur Hölle machen. In seinem Gastro-Betrieb hat er Überwachungskameras installiert. Aufnahmen vom zurückliegenden Wochenende belegen das Vorgehen respektloser Schlägertypen. Diese machen auch anderen Geschäftsleuten zu schaffen. Die Polizei ist am Problem dran.
Bilder aus der Überwachungskamera zeigen, wie die Schläger am Marktplatz vorgehen
Samaras lässt die Videoaufzeichnungen laufen. Zu sehen ist, wie ein Mann mit einer blauen Mütze das Lokal betritt. Er marschiert schnurstracks zu den Kühlschränken mit den Getränken, nimmt drei Cola-Dosen heraus, geht ohne zu bezahlen raus und pfeffert eine ungeöffnete Getränkedose gegen einen nicht sichtbaren Gegner. Ein paar Sekunden später sieht man, wie draußen vor der Scheibe ein Stock durch die Gegend fliegt.
Im Lokal klauen die Kriminellen Messer aus dem Besteckkasten, womöglich um sie draußen als Waffe einzusetzen. Ein weiteres Video zeigt, wie sich eine Schlägerei von der Kaiserstraße nach drinnen ins Lokal verlagert. Einer der Beteiligten hält eine lange, schmale Stange in der Hand. Ein anderer will einen der Stühle greifen, wie um ihn dem anderen entgegenzuschleudern. Mittendrin: Mitarbeiter vom Merkez Grill. Sie versuchen, die Eindringlinge durch Gesten und Rufe zu vertreiben. Wollen sie die Eingangstür schließen, stellt jemand den Fuß dazwischen.
Heilbronner Lokalbetreiber: Hausverbote halten Gruppen nicht von Zutritt ab
„Die Zustände hier ...“, sagt Samaras und schüttelt resigniert den Kopf. „Wir haben Angst. Ich will, dass das aufhört.“ Er kennt die meisten der Täter vom Sehen. Es handle sich um zwei rivalisierende Gruppen, die sich gegenseitig ihre illegalen Drogengeschäfte streitig machten. Seyfettin Samaras hat nach eigenen Angaben mehrfach Hausverbote ausgesprochen. „Das interessiert die nicht.“ Seine Familie und Mitarbeiter würden bedroht, bespuckt, beleidigt. Die Videos zeigen auch, wie unbeteiligte Kunden und Passanten sich vor den Schlägern draußen in den Laden retten.
„Es fängt mittags an, dass die sich hier treffen und Drogen verkaufen“, erzählt Bernd Kleinhans (59) von der Sicherer’schen Apotheke nebenan. Das Gewaltpotenzial sei groß. Die undurchsichtigen Typen vergraulen die Kundschaft. So sei neulich eine treue Kundin aus Obersulm draußen vor der Apotheke angesprochen worden. „Ob sie Geld hat.“ Zu Hause angekommen, habe die Kundin ihn angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie nicht mehr kommen werde. Seine Mitarbeiterinnen, erzählt Kleinhans, gingen nach Feierabend nur gemeinsam hinten raus.
Polizei ist nicht jede Sekunde am Heilbronner Marktplatz präsent – Dealer nutzen das aus
Seyfettin Samaras sagt, ein Mitarbeiter habe gekündigt, weil er die Situation nicht mehr aushält.„Ich persönlich habe keine Angst“, sagt Christian Geiger (35), Inhaber der gleichnamigen Metzgerei mit Gastronomie am Rathausplatz. Es sei nicht so, dass seine Mitarbeiter ständig negative Erfahrungen machten. Dass draußen in der Gasse bei der Kilianskirche gedealt werde, wenn Schüler daneben stehen, beobachte auch er.
Katz-und-Maus-Spiel Die Geschäftsleute gegenüber vom Marktplatz loben ausdrücklich die Polizei. „Die ist präsent“, sagt Apotheker Kleinhans. „Sie sind sofort da, wenn ich sie rufe“, meint Samaras. Es sei allerdings ein Katz-und-Maus-Spiel. Fährt der Streifenwagen mal weg, erzählt Geiger, „dann pfeift einer und sie kommen wieder aus allen Ecken raus“.
Polizei Heilbronn: Einige Täter im Gefängnis – Ermittlungen nach jüngsten Schlägereien
Die Problematik in der City ist nicht neu. Die Polizei ermittelt auch in den aktuellen Schlägereien. Es handle sich nach derzeitigen Erkenntnissen um eine Auseinandersetzung zwischen Personengruppen, teilt Polizeisprecher Frank Belz mit. Diese hielten sich regelmäßig im Stadtgebiet auf und würden engmaschig durch die Polizei und das Ordnungsamt der Stadt kontrolliert. Die überwiegend männlichen Personen nordafrikanischer Abstammung nutzten jede noch so kurze polizeiliche Abwesenheit aus, um derartige Taten zu begehen. Die Straftaten werden Belz zufolge schnell und beweiskräftig aufgearbeitet und verfolgt. „Wir haben auch welche ins Gefängnis gebracht.“ Weiter werden mit den zuständigen Behörden wie Ausländeramt und Regierungspräsidium mögliche Abschiebungen von Tätern geprüft.
Die Stadt Heilbronn unterstützt die Arbeit der Polizei nach ihren Möglichkeiten, teilt Rathaussprecherin Suse Bucher-Pinell mit. Dazu gehöre beispielsweise das Aussprechen von Aufenthaltsverboten.Seyfettin Samaras wirkt ausgelaugt. „Ich bin kaputt von der Arbeit.“ Aus Sorge sei er ständig im Betrieb. Seine Frau könne er dort nicht allein lassen.

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