Justizwachtmeisterin über ihren Job: „Man muss zupacken können“
Mörder, Vergewaltiger, Betrüger – Maren Hagenbucher ist Justizwachtmeisterin und sorgt bei Gericht für Recht und Ordnung.

Steht schweren Straftätern und Straftäterinnen der Prozess bevor, sorgt Justizwachtmeisterin Maren Hagenbucher dafür, dass die Angeklagten gut und sicher im Prozesssaal ankommen und dort keine Gefahr von ihnen ausgeht. Eigentlich ist die 41-Jährige Friseurmeisterin. Über ihren jetzigen Beruf spricht sie voller Begeisterung.
Wie gehen Sie mit schwerstkriminellen Angeklagten um?
Maren Hagenbucher: Professionell und wertungsfrei. Wenn ich jemanden vorführen muss, ist er angeklagt und nicht verurteilt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Man sagt „Hallo“, spricht aber nicht über Privates. Wenn die Presse zu erwarten ist, erkläre ich, dass sich der oder die Angeklagte darauf vorbereiten soll, gefilmt oder fotografiert zu werden. Ich bin verantwortlich, dass die Sache gut abläuft.
Sind Sie aufgeregt oder haben sie Angst?
Hagenbucher: Wenn ich aufgeregt wäre, würde sich das auf Angeklagte übertragen. Ich bin nicht angespannt, eher konzentriert und fokussiert. Wenn ich Angst hätte, könnte ich den Beruf nicht machen.
Sie kommen in Ihrem Beruf den menschlichen Abgründen ganz nah.
Hagenbucher: Man bekommt ja im Prozess auch alles mit. Bei den Obduktionsergebnissen werden ab und zu mal Fotos einer Leiche auf den Bildschirm projiziert. Ich nehme nichts mit nach Hause und kann gut abschalten. Der eine oder andere Fall beschäftigt einen natürlich mehr.
Was passiert mit einem Häftling, wenn er bei Gericht ankommt?
Hagenbucher: Wir haben die Gewahrsamszelle, da bekommen wir die Angeklagten von der Justizvollzugsanstalt überstellt. Die bleiben in der Zelle drin, bis die Sitzung beginnt. Wir gehen zu zweit hin, legen ihm die Handschellen an und führen ihn in den Gerichtssaal. Danach bleiben wir in unmittelbarer Nähe.
Kam es schon einmal zu einem Zwischenfall?
Hagenbucher: Es kam schon vor, dass ich eingreifen musste. Das passiert etwa ein Mal im Vierteljahr. Manche benehmen sich permanent daneben und stören.
Worin liegt der Unterschied zwischen Ihrem Beruf und dem in einer Justizvollzugsanstalt?
Hagenbucher: In einem Gefängnis arbeiten Justizvollzugsbeamte, wir im Gericht sind Justizwachtmeister. Beim Vollzug ist man nur in der Justizvollzugsanstalt, wir hingegen sind nur im Gerichtsgebäude. Wir arbeiten von Montag bis Freitag und haben keinen Schichtdienst. Das finde ich sehr attraktiv. Allerdings kann ich nie sagen, wie lange es abends geht, wenn ein Prozess mal etwas länger dauert.
Wie sind Sie denn zu dem Beruf gekommen?
Hagenbucher: Ich war mal selbstständige Friseurin. Mein Laden lief sehr gut, ich hatte gute Angestellte. Irgendwann wollte ich was anderes machen. Auf einem Geburtstag habe ich einen Rechtspfleger der Staatsanwaltschaft kennengelernt. Er meinte, dass Justizwachtmeisterin genau der richtige Beruf für mich wäre.
Warum?
Hagenbucher: Von meiner Art bin ich ein sehr offener Mensch. Und ich interessiere mich schon immer für die ganzen Kriminalitäts-Serien und für „Aktenzeichen XY“. Das schaue ich jedes Mal an. Den Prozess um den Bäcker aus Siegelsbach habe ich intensiv verfolgt. Oder der Mord an dem Mann, der vor vielen Jahren am Bahnhof in Eppingen umgebracht wurde. Der Fall hat mich sehr interessiert. Also habe ich eine Bewerbung ans Amtsgericht geschrieben. Ich war übrigens die einzige Frau – und erhielt umgehend eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Danach hatte ich die Zusage.
Wie ging es weiter?
Hagenbucher: Ich habe eine ganz tolle Ausbildung erleben dürfen. Sie dauerte 18 Monate. Man ist drei Monate in Mannheim. In verschiedenen Modulen erlernt man Zugriffstechniken, Strafrecht oder die unterschiedlichen Gerichtsorgane. Zudem besuchte ich für zwei Wochen eine Justizvollzugsanstalt, war bei der Sicherheitsgruppe der Gerichte und der Staatsanwaltschaft, einen Monat beim Landgericht und drei Tage bei der Polizei. Das war mega interessant. Man erlebt unterschiedliche Etappen eines Strafverfahrens – von der Polizei, über das Gericht bis zur Justizvollzugsanstalt.
Wie wird man Justizwachtmeisterin?
Hagenbucher: Um als Bewerber infrage zu kommen, muss man eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Justizwachtmeister ist ein Ausbildungsberuf. Ein Bewerber sollte eine gewisse Reife haben und nicht zu alt sein, sonst wird er nicht verbeamtet. Ideales Alter ist zwischen Mitte 20 bis etwa Mitte 30 Jahre. Man muss zupacken können und seine Stärken und Schwächen kennen.
Was ist Ihre Stärke?
Hagenbucher: Sollte es wirklich zu einem Angriff kommen, sehe ich meine Stärke beim Blocken. Als Mauer zwischen Angreifer und Richter oder Staatsanwalt.
Haben Sie sich den Beruf so vorgestellt?
Hagenbucher: Meine Erwartungen wurden absolut erfüllt. Wenn von einer Obduktion berichtet wird oder ein Sachverständiger kommt und einen Täter oder eine Tat einordnet, das macht eine Gerichtsverhandlung interessant. Sehr spannend sind auch Aufnahmen und die Auswertung von Blutspuren oder die Liegeposition einer Leiche. Bei einem besonderen Prozess komme ich auch mal als Zuschauerin, wenn ich da gerade Urlaub habe.
Sie klingen sehr begeistert.
Hagenbucher: Das ist zu 100 Prozent mein Traumberuf. Früher dachte ich, es sei Friseurin. Ich habe den Wechsel noch keinen Tag bereut und gehe schon sehr gerne zur Arbeit. Manchmal bin ich natürlich auch froh, wenn Feierabend ist. Aber ich möchte nichts anderes machen und sehne mich auch nicht nach meinem alten Beruf zurück.
Fragen Sie Ihre Freunde nicht manchmal aus?
Hagenbucher: Komischerweise nicht. Ich habe viele Polizisten in meinem Freundeskreis. Die fragen schon mal nach. Zwei meiner besten Freundinnen sind meine Kolleginnen. Manche wollen es gar nicht wissen.
Was schätzen Sie so an Ihrem Beruf?
Hagenbucher: Die Abwechslung. Wir führen die Angeklagten vor, sind für den Aktenverkehr und die Post zuständig. Gefangene vorzuführen ist aber unsere Hauptaufgabe. Wir führen Einlasskontrollen durch, bauen die Möbel in den Sitzungssälen auf, gewährleisten den Saalschutz und sind für Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zuständig. Wir achten darauf, dass eine Gerichtsverhandlung gut verläuft.
Sind Sie auch für die Sitzordnung zuständig?
Hagenbucher: Es kann sein, dass ein Zeuge Angst vor dem Angeklagten hat. Oder ein Nebenklägervertreter möchte den Angeklagten gerne sehen. Was ganz wichtig ist: Ich möchte den Angeklagten beobachten können. Oft ist bereits an der Mimik zu erkennen, ob ein Gefahrenpotenzial vorhanden ist.
Zur Person: Maren Hagenbucher
Maren Hagenbucher ist Friseurmeisterin und hatte ihren eigenen Salon mit mehreren Mitarbeiterinnen. 2019 wechselt sie zuerst zum Amtsgericht, vier Jahre später zum Landgericht nach Heilbronn. Dort arbeitet sie als Justizwachtmeisterin. Am 1. Juli 2024 wird sie zur Justizhauptsekretärin im Justizwachtmeisterdienst befördert. Die 41-Jährige fährt gerne Rad und liest viel. Sie ist leidenschaftliche Anglerin sowie Sportschützin und ist Mitglied im Bund der Militär- und Polizeischützen. Mit ihrem Mann wohnt sie in einer Kraichgaugemeinde.