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Hospizbegleiterin aus Heilbronn ist für Sterbende da: „Erstaunlich, wie schnell Vertrauen entsteht“

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In der dunkelsten Stunde des Lebens sind Petra Lutz und ihr Team vom Ambulanten Hospizdienst für Menschen da. Am Sterbebett hören sie zu, fragen nach letzten Wünschen und nehmen Ängste.

Petra Lutz, Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes in Heilbronn, brennt für ihre Arbeit und möchte Berührungsängste zum Thema Sterben abbauen.
Petra Lutz, Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes in Heilbronn, brennt für ihre Arbeit und möchte Berührungsängste zum Thema Sterben abbauen.  Foto: Sina Alonso Garcia

Da sein, wenn es am schwersten ist: Das ist die Aufgabe von Petra Lutz, Leiterin des Ambulanten Hospizdienstes in Heilbronn, und ihren Kollegen. In den dunkelsten Stunden des Lebens besuchen sie Sterbende zu Hause, stehen an ihrer Seite und schenken ihnen Zeit. Religion oder Konfession spielen dabei keine Rolle. „Viele Angehörige sind in der Situation wie gelähmt“, sagt Lutz. Umso wichtiger sei es, sich rechtzeitig Unterstützung zu suchen.

„Die wenigsten Menschen wollen sich mit dem Sterben auseinandersetzen“, sagt Lutz. „Ist man selbst oder ein Angehöriger dann betroffen, hat man oft die Kraft nicht mehr, sich Hilfe zu suchen.“ Egal ob bei Krebs, Demenz oder anderen Erkrankungen im Endstadium: Sich zu melden, sei ausdrücklich erwünscht. „Ich sage den Angehörigen immer: Wenn ihr Bedarf seht, ruft an. Dann kommen wir für ein Erstgespräch vorbei und schauen, wie die Situation ist - ob wir vielleicht nur alle zwei Wochen kommen oder häufiger.“

Wunsch, nah am Menschen zu arbeiten, war bei Petra Lutz immer stark

Als gelernte Krankenschwester hatte Lutz bereits in jungen Jahren viel mit dem Thema Tod und Sterben zu tun. „Einige Jahre habe ich in der Chirurgie gearbeitet - Menschen mit Krebsdiagnosen waren dort keine Seltenheit.“ Zwischenzeitlich arbeitete sie mehrere Jahre in der Verwaltung des Ilsfelder Pfarramts, hatte aber immer den Wunsch, wieder näher am Menschen zu arbeiten. 

„Durch eine ehrenamtliche Ausbildung zur Hospiz- und Trauerbegleiterin knüpfte ich Kontakte zum Ambulanten Hospizdienst Heilbronn.“ Als dort vor fünf Jahren die hauptamtliche Stelle der Leiterin frei wurde, kam eins zum anderen. „Es ist mein Herzblut, meine Erfüllung“, sagt Lutz über ihre Arbeit. Gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Nicola Hartung koordiniert sie einen Pool aus insgesamt 63 Ehrenamtlichen im Alter von 28 bis 82 Jahren. Der Verein finanziert sich über Spenden und Zuschüsse, die Dienste sind kostenlos.

Vorlesen, Singen, Musik machen: Hospizdienst bringt viele Ideen mit

Bei der Zuteilung der Ehrenamtlichen zu den Klienten achte man immer darauf, dass diese gut zusammenpassen. Doch wie begegnet man jemandem, der nicht mehr lange zu leben hat? „Wir lesen vor, wir singen, wir machen Musik, wir hören zu“, erklärt Lutz. Von Handmassagen über Mundpflege bis zur Verwendung angenehmer Düfte: Die Mitarbeiter vom Hospizdienst nutzen viele Möglichkeiten, den Erkrankten ein paar schöne Stunden zu bescheren - und Schmerz und Leid für einen Augenblick zu vergessen.

Bunt gemischt und hochmotiviert: das Ehrenamtlichen-Team des Ambulanten Hospizdienstes Heilbronn.
Bunt gemischt und hochmotiviert: das Ehrenamtlichen-Team des Ambulanten Hospizdienstes Heilbronn.  Foto: Privat

„Oftmals sind wir Ideengeber, indem wir zum Beispiel einen Rollstuhl organisieren oder einen Ausflug mit den Patienten machen.“ Auch arbeite man hin und wieder mit Organisationen wie den „DRK Glücksbringern“ oder dem „ASB Wünschewagen“ zusammen, um den Sterbenden letzte Herzenswünsche zu erfüllen. Angehörigen fehle für solche Einfälle häufig die Energie, da sie meist „wie gelähmt“ seien. „Manchmal möchten die Sterbenden auch nicht sprechen - dann sind wir einfach da.“ Insgesamt sei es „erstaunlich, wie schnell Vertrauen entsteht“. 

Sterbende und Angehörige entlasten und Ängste abbauen

Die Menschen, die im Sterben liegen, sollen merken: „Da ist jemand, der kennt sich aus. Der hat keine Angst vor dieser schweren Krankheit, vor dem Ende.“ Nicht nur der Erkrankte, sondern auch die Angehörigen werden dadurch entlastet. Besonders schön sei es, die Dankbarkeit der Angehörigen zu spüren. „Wir bekommen oft positive Rückmeldungen oder Dankeskarten.“

Mehr erfahren

Neben der Sterbebegleitung bietet der Ambulante Hospizdienst auch Trauerhilfe an - beispielsweise in Form von Trauercafés oder Trauerspaziergängen. In sogenannten „Letzte-Hilfe-Kursen“ wird außerdem Basiswissen im Umsorgen von schwerkranken Menschen vermittelt. Weitere Informationen finden Interessierte unter www.hospizdienst-heilbronn.de

Wer sich für die ehrenamtliche Tätigkeit entscheidet, sollte belastbar sein. Doch auch hier werden laut Lutz persönliche Grenzen gewahrt. „Manchmal sind die Begleitungen so heftig, dass ich keinen Ehrenamtlichen einsetzen kann, weil es psychisch extrem herausfordernd ist.“ Da die Ehrenamtlichen in den wenigsten Fällen aus der Pflege kämen, hätten sie mit vielem zuvor noch keine Berührungspunkte gehabt. „Wenn ein Patient zum Beispiel eine offene Wunde hat, die furchtbar aussieht und schrecklich riecht, möchte ich das keinem Ehrenamtlichen zumuten. Das übernehmen dann meine Kollegin oder ich.“

Wichtig für Sterbebegleiter: Seelenhygiene betreiben

Das Motto laute hier: Nähe und Distanz. „Das ist auch ein großer Teil der Ausbildung: Was bedeutet Nähe, was gesunde Distanz?“ Wichtig sei es, sich nicht von jeder Sterbebegleitung emotional tief hinein ziehen zu lassen. Privat sei es deshalb wichtig, Seelenhygiene zu betreiben, sich auch mal selbst etwas Gutes zu tun und sich bewusst Auszeiten zu nehmen.

„In meinen letzten zehn Arbeitsjahren noch einmal eine Leitung in dieser Form zu übernehmen, war eine Herausforderung. Aber ich habe gesagt: Mehr als Scheitern kann ich nicht. Ich probier`s“, sagt Lutz. Die Hospiz-Pionierin Cicely Saunders habe einmal gesagt: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu schenken, sondern den Tagen mehr Leben. Und darauf kommt es an.“


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