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„Die Arbeit geht nie aus“: Mit Friedhofsgärtnern unterwegs auf dem Heilbronner Hauptfriedhof

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Sie helfen bei Bestattungen, verschönern Gräber und leisten sogar Seelsorge: Die Friedhofsgärtner auf dem Hauptfriedhof Heilbronn tun weit mehr als nur gärtnern. 

Landschaftsgärtner Sascha Schneider zeigt ein 2,60 Meter tiefes Reihengrab, das vorübergehend leer steht und durch einen Gitterrost abgeschirmt wird.
Landschaftsgärtner Sascha Schneider zeigt ein 2,60 Meter tiefes Reihengrab, das vorübergehend leer steht und durch einen Gitterrost abgeschirmt wird.  Foto: Sina Alonso Garcia

Ob Sommerhitze, Regen oder Minusgrade: Die Friedhofsgärtner auf dem Hauptfriedhof Heilbronn trotzen jeglicher Witterung und sind das ganze Jahr über im Einsatz. „Jede Rasenfläche, jede Hecke, jeder Baum, jeder Weg - alles gehört zu unserer Pflege“, erklärt Landschaftsgärtner Sascha Schneider bei einem Rundgang über das 15 Hektar große Gelände. „Außerdem kümmern wir uns um den Erhalt von etwa 100 Gräbern.“

Bereits um 7 Uhr morgens startet bei Schneider und seinen Kollegen der Arbeitstag. Was viele nicht wissen: Zu ihrem Job gehört weitaus mehr als nur gärtnern. „Die Kollegen hier machen grundsätzlich alles“, sagt Schneider. „Sie helfen bei Bestattungen als Sargträger, schütten nach der Beisetzung das Grab zu, leisten Baggerarbeiten, kümmern  sich um die Grünpflege, aber auch Müllentsorgung.“ Je nachdem, wo die persönlichen Stärken des Einzelnen liegen, werde er auch schwerpunktmäßig eingesetzt.

Bis zu drei Erdbestattungen am Tag - jeweils vier Sargträger müssen ran

Allein auf dem Hauptfriedhof können Schneider und seine Kollegen bis zu drei Erdbestattungen am Tag durchführen. Vier der Männer brauche es, um bei einer Beerdigung den Sarg zu tragen - bei einem schweren Exemplar sogar sechs. „Die Hälfte aller Bestattungen in Heilbronn findet auf dem Hauptfriedhof statt.“ 

Eingespieltes Team: die Gartenbau- und Bestattungshelfer Robert Tur (seit 33 Jahren dabei), Sascha Schneider (seit neun Jahren dabei), Holger Zwölfer (seit drei Jahren dabei).
Eingespieltes Team: die Gartenbau- und Bestattungshelfer Robert Tur (seit 33 Jahren dabei), Sascha Schneider (seit neun Jahren dabei), Holger Zwölfer (seit drei Jahren dabei).  Foto: Sina Alonso Garcia

Nicht immer wird die Arbeit der Friedhofsgärtner von den Grabbesitzern vollumfänglich gesehen. „Die meisten sehen nur ihr eigenes Grab und den Weg dort hin“, bedauert er. „Wie es drum herum aussieht, ist ihnen egal.“ Andere wiederum würden den weitläufigen Park mit seiner gepflegten Anlage und den historischen Gräbern sehr schätzen. „Viele Spaziergänger haben entdeckt, dass der Park mit seinen riesigen Bäumen vor allem im Sommer bei hohen Temperaturen ein sehr angenehmer Ort zum Verweilen ist.“ 

„Millionenviertel“ und anonyme Gräber

Neben dem alten Baumbestand tragen auch zahlreiche historische Grabdenkmale zum besonderen Charme des Hauptfriedhofs bei. Auch Soldatengräber aus dem ersten und zweiten Weltkrieg werden von den Gärtnern in Schuss gehalten. „Millionenviertel“ nennen Schneider und seine Kollegen den Teil des Friedhofs, wo die Gräber der wohlhabenden Heilbronner Familien liegen: „Da ist eine Familie Schwarz, eine Familie Knorr... Das sind teilweise achtfache Gräber.“

Laut Schneider gehe die Zahl der Erdbestattungen definitiv zurück. „Der Trend geht immer mehr zu anderen Bestattungsformen.“ Urnengräber gibt es auf dem Hauptfriedhof selbstverständlich auch. Genau wie anonyme Gräber, die sich unter einer Wiese befinden - ohne einen Hinweis, wer wo begraben ist.

„Es gibt Momente, da schluckt man schon“: Schmetterlingsgräber erinnern an verstorbene Föten

Etwas abgeschieden stößt man beim Rundgang auf eine Gruppierung von Steinsäulen. Um diese herum verteilt liegen zahlreiche Stofftiere, Engelsfiguren und Spielsachen. „Unsere Schmetterlingsgräber“, sagt Schneider. Sprich: Totgeburten unter 500 Gramm. „Die neun Säulen symbolisieren die Schwangerschaft. Die erste Säule liegt unter der Erde, die sieht man nicht - sie symbolisiert die Zeit bis zum ersten Schwangerschaftsmonat.“ Je nachdem, in welchem Status ein Fötus verstorben ist, wird er an der entsprechenden Säule platziert. Ein Künstler habe sich das einst ausgedacht.

Stofftiere, Steinengel und Spielzeug: Angehörige haben Erinnerungsstücke auf die Schmetterlingsgräber gelegt.
Stofftiere, Steinengel und Spielzeug: Angehörige haben Erinnerungsstücke auf die Schmetterlingsgräber gelegt.  Foto: Sina Alonso Garcia

„Hier können sich die Angehörigen einfach nochmal verabschieden“, sagt Schneider. „Es gibt auch einen Briefkasten. Die Briefe legen wir vor der Beisetzung mit in den Sarg.“ Täglich mit dem Thema Tod konfrontiert zu werden - gerade, wenn es wie bei den Schmetterlingsgräbern um Kinder geht - geht nicht spurlos an Schneider vorbei. „Es gibt Momente, da schluckt man schon“, sagt der vierfache Familienvater. Mit der Zeit lerne man aber, damit umzugehen.

Friedhof ist wie ein kleines Dorf - „wir haben Leute, die kommen jeden Tag zweimal“

Wer hier arbeitet, muss laut Schneider immer damit rechnen, angesprochen zu werden. „Friedhof ist auch Seelsorge“, sagt er. „Manche Leute fragen nach dem Weg und erzählen einem dann ihre Lebensgeschichte.“ Der Friedhof sei fast wie ein kleines, eigenes Dorf. „Wir haben Leute, die kommen jeden Tag zweimal und schauen nach ihrem Grab. Die kennt man dann schon.“

In seinem Job hat Schneider mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun. Unter den anonymen Gräbern sei beispielsweise auch das Grab eines Obdachlosen. „Dessen Kumpels - ich würde sie als Punks bezeichnen - kommen alle paar Wochen und trinken einen Jacky auf ihn.“ Manche älteren Damen würden sich dadurch gestört fühlen - „einfach nur, weil diese Leute ein bisschen anders aussehen“. Den älteren Frauen müsse man dann „Begleitschutz geben und zeigen, dass die Punks überhaupt nichts machen. Die wollen auch nur trauern, die trauern halt anders.“

Auf dem Hauptfriedhof Heilbronn können Besucher imposante Gräber und Statuen bewundern.
Auf dem Hauptfriedhof Heilbronn können Besucher imposante Gräber und Statuen bewundern.  Foto: Sina Alonso Garcia

Friedhofsgärtner legen weite Strecken zurück

Um ihre körperliche Fitness müssen sich Schneider und seine Kollegen keine Gedanken machen: „Bei unserer Arbeit kommen täglich ein paar Kilometer zusammen.“ Zwar gebe es Fahrzeuge wie Radlader, Golfcarts und Bagger. Dennoch erfordert der Job eine gute Kondition. „Wenn man zweimal um den Friedhof gelaufen ist, merkt man das abends dann auch.“ 

In Heilbronn und seinen Teilorten gibt es insgesamt 15 Friedhofe. Auf neun davon werden regelmäßig Bestattungen vollzogen. 21 Mitarbeiter inklusive Krematorium und Verwaltung arbeiten auf dem Hauptfriedhof, insgesamt 32 Mitarbeiter auf allen Heilbronner Friedhöfen. Der Hauptfriedhof steht als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz und beherbergt das älteste Krematorium Württembergs.

Schneider und seine Kollegen sind ein eingespieltes Team: „Wir haben einen Bestattungskapo“, sagt er. „Der nimmt über den Tag Leichen an, weil die Bestatter bringen ja auch täglich neue. Diese bringen wir dann in die Leichenhalle.“ Auch Verwaltungsaufgaben sind ein Bestandteil des Jobs: „Dazu gehören zum Beispiel die Grabrückgabe oder Kaufverträge.“ Ein reguläres Reihengrab laufe über einen Zeitraum von 18 Jahren und werde dann abgeräumt.

Einblicke ins Krematorium - wo die Leichname verbrannt werden

Grundsätzlich kann jeder von Schneiders Kollegen jeden Arbeitsbereich übernehmen. „Der Arbeitsbereich, der da ein bisschen raussticht, sind die Mitarbeiter im Krematorium, die ganz eigene Tätigkeiten haben.“ In der hochmodernen Anlage werden die Bestandteile der Leichen verbrannt. Angeliefert im verbrennungsgeeigneten Sarg, wandert der Leichnam in die Verbrennungsanlage und kann anschließend in einer Urne beigesetzt werden.  

Im Krematorium auf dem Hauptfriedhof Heilbronn findet die Einäscherung der Verstorbenen statt.
Im Krematorium auf dem Hauptfriedhof Heilbronn findet die Einäscherung der Verstorbenen statt.  Foto: Sina Alonso Garcia

Worin sich alle hier einig sind: Die Atmosphäre auf dem Friedhof ist eine ganz besondere und nicht vergleichbar mit einem gewöhnlichen Arbeitsplatz. Die andächtige Stille, das sanfte Rascheln der Bäume, die vielen denkmalträchtigen Gräber - der Ort hat etwas an sich, das einen unmittelbar ruhiger macht. Wie ein ganz eigener Kosmos. Wenn Schneider und seine Kollegen um 16 Uhr in den Feierabend gehen, wissen sie: Sie haben viel geschafft. „Die Arbeit geht nie aus.“ 


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