Bürger-Uni Heilbronn: Warum Bäume unsere Zukunft sind
Die Professorin und Stadtplanerin Simone Linke spricht bei der Heilbronner Bürger-Uni über die grüne Stadt der Zukunft.
Es wird heißer. Auch wenn es viele nicht hören wollen und sich an die Sommer ihrer Kindheit zurückerinnern, in denen das Thermometer schließlich auch regelmäßig die 30-Grad-Marke überstieg, lügen die Statistiken nicht. Innerhalb von 35 Jahren stieg die Zahl der Hitzetage in Stuttgart von fünf auf 20. Tropische Nächte gab es früher kaum, mittlerweile sind sie in vielen Städten Usus. "Das ist eine große Herausforderung", beschreibt Stadtplanerin Simone Linke die Situation. Für die Münchnerin gibt es nur eine Lösung: mehr Grün.
Mit Blick auf die Wohnungsnot in Ballungsräumen werden die jeweiligen Verwaltungen allerdings vor Probleme gestellt. Denn wo sollen sie noch bauen? "Auf Grünflächen" kann nicht die Antwort sein. "Wir müssen den Bestand nutzen", sagt die Professorin an der HSWT Freising bei der 26. Bürger-Uni in der Aula auf dem Bildungscampus im Gespräch mit Stimme-Redakteur Tobias Wieland. Es gelte, nicht die Stadt an den Rändern weiterzuentwickeln, "weil es eben einfacher ist". Stattdessen müsse die sogenannte "Graue Energie" gespart werden. Also jene Energie, die für Herstellung, Transport oder Entsorgung von Baustoffen benötigt wird. "Der Bausektor ist für zirka ein Drittel des weltweiten Endenergieverbrauchs verantwortlich", zitiert Simone Linke eine Erhebung.
Grüne Stadt der Zukunft: Immobilien-Bestand sanieren
Doch wie stattdessen vorgehen? Für die Stadtplanerin ist die Sanierung des Bestands ein wichtiger Faktor. Fast immer lohne sich diese Entscheidung. Ein weiterer Punkt: der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen und Erneuerbaren Energien. Außerdem müsse man bestehendes Grün sichern und weiterentwickeln: "Je mehr Menschen da sind, desto mehr Grünflächen werden gebraucht." Doch Grün ist nicht gleich Grün. "Bäume sind tagsüber top Klimamanager, weil sie Schatten spenden und für Verdunstung sorgen."
Nachts sieht das jedoch anders aus. Das weiß jeder, der nach einem heißen Sommertag unter einer großen Linde sitzt − die warme Luft kann nicht richtig abziehen. Dann kommen laut Simone Linke die offenen Standorte zum Einsatz. Über diese könne die Luft entweichen. Diese Flächen sollten allerdings geplant werden. "Der Korridor muss beachtet werden. Und er darf nicht zugebaut werden." Dach- und Fassadenbegrünung spielen auch eine Rolle, besonders bei Starkregen und zur Abkühlung von Räumen.
In diese Richtung gehen die Pläne für das Wollhaus in der Heilbronner Innenstadt. "Das schreit nach etwas Tollem", sagt die Münchnerin mit Blick auf das Gebäude, das von vielen als Schandfleck wahrgenommen wird. "Daraus kann man mit Sicherheit viel machen." Praktischerweise gibt es dort bereits eine Tiefgarage. Denn ausreichend Stellplätze müssen bedacht werden, obwohl Simone Linke auf mehr klimafreundliche Mobilitätskonzepte mit weniger Pkw setzt. Mehr Öffentlicher Personennahverkehr, Ausbau von Fuß- und Radwegen: "Es wird zu viel Platz für Autos verschwendet."
Grüne Stadt der Zukunft: Warum Bäume so wichtig sind
An einem Fallbeispiel macht sie klar, was sie damit meint. Im Münchner Stadtteil Moosach wurden verschiedene Entwicklungsszenarien definiert. Unterschiedliche Nachverdichtungstypen mit verschiedenen Gebäudehöhen und Stellplatzbedarfen: Mehrere Möglichkeiten wurden durchgespielt. Die Parkmöglichkeiten in Form von Tiefgaragen scheinen sinnvoll, bedeuten aber einen großen Verlust des Baumbestands. Das wiederum führt zu einer Erwärmung um mehrere Grad.
Zwar können viele Bäume nachgepflanzt werden. Doch das dauert. "Deshalb müssen Großbäume in Städten erhalten werden. Denn erst ab einer gewissen Größe kühlen sie", so Simone Linke. Eine 20 Jahre alte Linde kühlt wie 21 Kühlschränke. Wächst sie noch 60 Jahre, wirkt sie wie mehr als 200 Kühlschränke.
Wie wichtig die Bäume für das Klima, aber auch das psychische Wohlbefinden sind, wird an der sogenannten 3er-Regel deutlich. Laut der Stadtplanerin sollte jede Person, egal wo sie sich aufhält, mindestens drei Bäume sehen können. 30 Prozent der Stadtfläche sollten außerdem von deren Kronen überdeckt sein. Maximal 300 Meter sollte man laufen, um zum nächsten Park oder zur nächsten Grünfläche zu gelangen. "Das ist der Idealfall", räumt Simone Linke ein. "Aber wir müssen uns an Idealen festhalten."
Für Heilbronn sieht sie nach der Fahrt vom Bahnhof zum Bildungscampus viel Potenzial: "Aber man kann überall meckern." Was oft nicht beachtet werde: Für Baumbepflanzungen brauche es einen geeigneten Untergrund. "Es ist also viel komplizierter, als es scheint", so Linke. Trotzdem müssten alle Menschen mehr Grün einfordern, auch wenn dieser Wandel einigen wehtut.
Zum Beispiel dann, wenn dafür − wie auch in Heilbronn im Bereich der Sommerzone − auf Parkplätze verzichtet werden muss. Unliebsame Entscheidungen müssten getroffen werden. "Wir müssen diskutieren und durch diesen Aushandlungsprozess durch."
Vorbilder bei der grünen Stadt der Zukunft
Denn die Zeit drängt, die Erderwärmung ist längst nicht mehr nur in wenigen Gebieten spürbar. Man müsste eigentlich weiter sein, so Linke. Besonders im Mobilitätsbereich. Als positive Beispiele für Städte der Zukunft sieht sie Kopenhagen oder Wien. "Aber auch in Deutschland bemüht man sich stark."
Doch Bemühungen alleine werden es nicht richten. Besonders dann, wenn die rechtlichen Vorgaben aus der Zeit gefallen sind. Stichwort: heimische Baumarten. Die werden nach wie vor häufig verlangt. Allerdings kommen viele mit den heutigen Begebenheiten nicht mehr klar, können mit dem Hitzestress nicht gut umgehen. "Aber in Deutschland steht Baurecht vor Baumrecht", sagt die Stadtplanerin.
Ihren Optimismus verliere sie allerdings trotz der Situation nicht: "Wir Wissenschaftler sind Optimisten, weil wir denken, man kann etwas verändern."