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Unterricht per Videokonferenz ist in der Region angekommen

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Die Gemminger Grund- und Gemeinschaftsschule übt den Quarantäne-Fall, die Neckarsulmer Realschule holt Lehrer digital zurück ins Gebäude. Wie Online-Unterricht in der Praxis funktionieren kann, zeigen wir an zwei Beispielen aus der Region.

Corona-Quarantäne kann Schulen sehr schnell treffen. Erklärtes Ziel im Land ist es , dass die Kinder in solchen Fällen auch über digitale Angebote sehr gut erreicht werden. Wie der Unterricht am PC funktionieren kann, zeigen zwei Beispiele aus Gemmingen und Neckarsulm.

Allein Klassenzimmer der Wolf-von-Gemmingen-Schule: Tobias Mühling bespricht mit den Kindern, die daheim sind, die Aufgaben. Foto: Simon Gajer
Allein Klassenzimmer der Wolf-von-Gemmingen-Schule: Tobias Mühling bespricht mit den Kindern, die daheim sind, die Aufgaben. Foto: Simon Gajer  Foto: Gajer, Simon

Auf den digitalen Unterricht setzt seit diesem Schuljahr ganz konsequent die Grund- und Gemeinschaftsschule in Gemmingen. Einmal pro Woche trifft sich jedes Kind, egal ob Erstklässler oder Jugendlicher im Abschlussjahrgang, mit dem Lehrer im virtuellen Klassenzimmer. Es ist beeindruckend zu erleben, wie Zweitklässler die Videokonferenz mit der Lehrerin meistern.

Der Tablet-Bildschirm ist in kleine Mosaikfensterchen unterteilt, eines gehört der Lehrerin, auf den anderen sind Kinder zu sehen. Die melden sich artig, um dranzukommen. Wer sich nicht von zu Hause zuschalten kann, nimmt in der Wolf-von-Gemmingen-Schule am digitalen Nachmittagsunterricht teil.

Auch eine achte Klasse ist an diesem Nachmittag in der Schule, um per Chat mit ihrem Lehrer in Kontakt zu kommen. Der Online-Unterricht hat Vorteile. Man bekomme bessere Hilfe als im Präsenzunterricht, findet Ennio. "Die Lehrer schreiben recht schnell zurück." Nimmt sie zu Hause am Unterricht teil, ist das für Daniela gut: "Man ist nicht so abgelenkt wie im Klassenzimmer." Und alles ist entspannter, weil das Hetzen zum Bus wegfalle, erzählt Emilie.

 


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Unterdessen sitzt in einem Klassenzimmer Tobias Mühling ganz allein, die Jugendlichen nehmen von zu Hause aus teil. Der Lehrer lacht. "Wer isst denn da Chips im Hintergrund?" Einer aus der Klasse hat vergessen, das Mikro auszuschalten. "Die Schüler kommen damit klar", zieht er ein positives Fazit der ersten Wochen. "Videounterricht fördert die Selbstständigkeit", sagt er und gibt zugleich offen zu, dass ihm die Kontrolle über die Klasse fehle. Wer passt auf? Das ist schwer herausfinden. Es gibt aber klare Anweisungen. Sind Aufgaben allein zu lösen, kommen alle zu einer bestimmten Uhrzeit zurück in die Videokonferenz. Sollte es zu einer Quarantäne kommen, fühlt er sich gerüstet. "Ich habe keinen Bammel, wenn es dazu kommt."

Dem Rektor fehlt die Schule als Begegnungsort

Online-Unterricht in einem Raum der Grund- und Gemeinschaftsschule in Gemmingen: Ennio (links) und Okan tauschen sich mit dem Lehrer virtuell aus.Foto: Gajer
Online-Unterricht in einem Raum der Grund- und Gemeinschaftsschule in Gemmingen: Ennio (links) und Okan tauschen sich mit dem Lehrer virtuell aus.Foto: Gajer  Foto: Gajer, Simon

Rektor Christian Mair stimmt zu. "Wir fühlen uns gut aufgestellt." Allerdings sieht er Grenzen. Eine längere Phase nur übers Internet abzudecken, werde schwierig. Sein Stellvertreter wartet auf die ersten Klassenarbeiten. "Das wird ein Gradmesser sein", sagt Jan Pfeil. Die Wolf-von-Gemmingen-Schule geht nur mit Nebenfächern ins digitale Klassenzimmer, und auch nur dann, wenn es Präsenzstunden in dem Fach gibt. Präsenzzeiten bleiben das A und O - nicht allein wegen des Stoffs. "Die Schule als Begegnungsort ist sehr wichtig", sagt der Rektor.

Die Hermann-Greiner-Realschule in Neckarsulm geht einen ähnlichen Weg, um Lehrer zu integrieren. Dort gehören Kollegen zur Risikogruppe, die nicht mehr vor Ort unterrichten. Sie schalten sich von zu Hause zu, die Jugendlichen sitzen morgens in Klassenzimmern und nachmittags zu Hause.

"Bist du fertig?", fragt Thomas Landsgesell einen Schüler, der mit seinen Klassenkameraden in einem vorbereiteten Schulzimmer sitzt - mit Videokamera im Eck, Mikro am Pult. Konjunktiv II steht auf dem Stundenplan, der Lehrer ist auf eine große weiße Wand projiziert. Bei sich zu Hause hat er einen Überblick, wer sich meldet, er ruft sie nacheinander auf.

An der Neckarsulmer Realschule läuft alles nur dank guter Vorbereitung

Auf den ersten Blick wirkt es nach normalem Unterricht - das geht aber nur dank guter Vorbereitung. Wenn sich Lehrer in die Klassenzimmer schalten, ist stets ein Kollege vor Ort in der Schule, um nach dem Rechten zu schauen. Sie teilen notfalls auch Arbeitsblätter aus. Thomas Landsgesell übernimmt einen Teil der Deutschstunden, die andere Hälfte findet im Präsenzunterricht statt. Der Unterricht ist anders. Vieles gehe nur verbal, es gleiche einer Vorlesung an der Universität. Sein Kollege Irhad Bacic, der unter anderem Geschichte und muslimischen Religionsunterricht anleitet, sieht das ähnlich. "Ich habe die Inhalte reduziert." Außerdem greift er überwiegend aufs Buch zurück, damit Kinder, sollten sie sich von daheim aus zuschalten, nicht auf einen Drucker angewiesen sind.

Lehrer, die per Videokonferenz ihre Klassen sehen, bedauern diesen Frontalunterricht. Alles Kreative fällt weg, ist zu hören. Und es gibt noch den Aspekt des Kontakts. Irhad Bacic kennt seine Fünfer nur aus dem digitalen Unterricht. Das ist zu wenig: "Das Lernen funktioniert nur über zwischenmenschliche Beziehungen." Zugleich weiß er, dass es eine außergewöhnliche Situation ist. "Sie lässt keine anderen Optionen zu."

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