Workshop im ehemaligen Zwangsarbeitslager Plattenwald – mehr als 100 Fundstücke
Bei einem zweiwöchigen Workshop im ehemaligen Zwangsarbeitslager Plattenwald mit Schülern und Studenten traten zahlreiche Funde zutage.

Wer durch den Plattenwald spaziert, kann dort immer wieder Fundamente des früheren Zwangsarbeiterlagers entdecken. Dennoch hat sich bislang niemand gründlich mit dessen Geschichte beschäftigt. „Das KZ in Kochendorf, das nur wenige hundert Meter davon entfernt ist, war einfach viel spektakulärer und hat bisher mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen“, sagt Klaus Riexinger, Vorsitzender der Miklos-Klein-Stiftung, am Rande eines zweiwöchigen Workshops mit Schülern des Friedrich-von-Alberti-Gymnasiums und Studenten der Universität Tübingen.
„Die Geschichte des KZ ist relativ gut erforscht und sehr gut dokumentiert“, bestätigt Bad Friedrichshalls Bürgermeister Timo Frey. „Das Unrecht, dass den KZ-Häftlingen widerfahren ist, ist hier sehr eindrücklich dokumentiert.“ Über das Zwangsarbeiterlager wisse man hingegen wenig – obwohl das Gelände im Plattenwald gut zugänglich sei.
Geschichte des Zwangsarbeiterlagers Plattenwald lange in Vergessenheit geraten
„Mit dem Lager hat man sich bisher nicht befasst, weil die Quellen schwer zugänglich sind. Seine Geschichte wurde lange verkannt“, sagt Riexinger. Er selbst habe schon lange nach Material gesucht und mit Zeitzeugen gesprochen. Wie es der Zufall wollte, sei er ins Gespräch mit Attila Dézsi, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität Tübingen, gekommen. „Als Fachmann für zeitgeschichtliche Archäologie hat er nochmal einen ganz anderen Blick auf die Dinge wie ich als Historiker“, sagt Riexinger. Bei einer ersten Begehung des Plattenwalds im November 2023 seien sie auf „eindrucksvolle Hinterlassenschaften“ gestoßen, von denen sie nicht vermutet hätten, dass es sie noch gebe.

Schnell war die Idee einer archäologischen Begehung geboren. Gemeinsam mit dem Verein „Institut für Fragen und Fortschritt“ aus Hamburg, in dem Dészi aktiv ist, entwickelten sie einen Workshop für Studenten und Schüler. Mit im Boot: das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg.
Auf das Projekt angesprochen, waren die Geschichtslehrer Holger Feucht und Moritz Wölfel vom FvAG direkt Feuer und Flamme. Schnell fanden sich 14 interessierte Schüler aus der 10. und 11. Klasse, die in zwei Siebener-Gruppen an einer der beiden Workshop-Wochen gemeinsam mit Studenten der Universität Tübingen teilnehmen wollten.
Spurensuche im Wald bei Bad Friedrichshall – mehr als 107 Fundstücke
Für die erste Gruppe ging es in der ersten Woche nach der Vorarbeit direkt auf Spurensuche in den Wald. „Wir haben etwa fünf Hektar des etwa 15 bis 20 Hektar großen Areals systematisch untersucht“, sagt Dézsi. Dabei habe man sich den Wald „in kleine Häppchen“ aufgeteilt, die man tageweise abarbeitete.
„Insgesamt konnten wir 41 Befunde ausmachen. Das heißt Gebäudeüberreste, aber auch Erdbefunde wie Gräben, Luftschutzanlagen und dergleichen.“ Daneben wurden auch 107 Gegenstände gefunden, die in Folien eingepackt und zunächst im Seminarraum am Europaplatz 1 in Bad Friedrichshall ausgelegt wurden. „Darunter sind zum Beispiel bauliche Überreste des Lagers wie Fensterglas aus Barracken oder Schussmunition.“ Ziel sei es, den Alltag der Menschen zu verstehen, die dorthin verschleppt waren. Die Funde sollen an der Universität Tübingen gereinigt und gewaschen und später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Geschehnisse im Plattenwald: Schüler zeigen großes Interesse an Zeitgeschichte
Die zweite Gruppe hatte sich zum Ziel gesetzt, darüber nachzudenken, wie an die Geschehnisse im Plattenwald in Zukunft gedacht werden kann - beispielsweise über einen Geschichtslehrpfad. Auf die Frage des Bürgermeisters, was ihre Motivation zur Teilnahme am Seminar war, antwortet Leonie Braun vom FvAG: „Die Aufarbeitung der Geschichten von Menschen, sodass ihnen ein Stück weit Gerechtigkeit widerfährt.“ Mitschülerin Paula Wartenberg fügt hinzu: „Dass man eine Erinnerungskultur schaffen kann in einem Umfeld, wo man sich tagtäglich begegnet - vielleicht nicht im Wald direkt, aber im Ort. Dass man daran denkt, dass hier einmal viel Schlimmes passiert ist und nicht immer alles in Ordnung war.“
Grabungsleiter Attila Dézsi resümiert: „Ich danke den Schülern für ihr Engagement und ihren Enthusiasmus, mit uns im Wald zu sein, auch wenn es teilweise ein bisschen kalt und regnerisch geworden ist. Ihr habt wunderbare Arbeit geleistet und sehr gute Dokumentationen angefertigt, die uns helfen, diesen Ort besser zu verstehen.“
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