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Nach rechtsradikalen Farbschmierereien in Wüstenrot
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Wüstenroter Georg-Kropp-Schüler reagieren mit Graffiti für Toleranz und Vielfalt

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Peace-Zeichen, weiße Taube oder Regenbogen symbolisieren, wofür die Bildungseinrichtung steht. Auch Neuhüttener Grundschüler starteten eine Aktion. Antwort der Gemeinde: ein Begegnungsfest.

Sie sind stolz auf das, was sie mit der Sprühdose geschafft haben: Die Sechst- bis Zehntklässler, die das Graffiti an den Außenwänden des Sanitärtrakts mit Unterstützung von Künstler Patrick Klein auf die Fassade gebannt haben.
Sie sind stolz auf das, was sie mit der Sprühdose geschafft haben: Die Sechst- bis Zehntklässler, die das Graffiti an den Außenwänden des Sanitärtrakts mit Unterstützung von Künstler Patrick Klein auf die Fassade gebannt haben.  Foto: Mario Berger

Was für eine tolle Aktion. Und genau die richtige Reaktion. An den Außenwänden des Toilettentrakts der Georg-Kropp-Gemeinschaftsschule (GKS) in Wüstenrot, die Anfang Oktober mit ausländerfeindlichen Farbschmierereien und Nazisymbolen verunstaltet wurden, haben nun Schüler ein großes Graffiti aufgesprüht als Zeichen gegen Rassismus und Hass, für Toleranz und Vielfalt. Schließlich ist die Bildungseinrichtung als Schule ohne Rassismus und Schule mit Courage zertifiziert. 

"Es soll ein Zeichen sein, das wir als Schule setzen", macht Klassenlehrerin Christina Ebel deutlich. Wofür die Schule steht, das prangt schon seit längerem über dem neuen Graffiti-Motiv: Respekt steht da in großen, bunten Holzbuchstaben, die beschriftet sind mit den Werten, die an der GKS gelten: Hochachtung, Ehrlichkeit, Wertschätzung, Verantwortung, nett sein, höflich sein, helfen, ist da zu lesen. 

Entwurf fürs Graffiti stammt von einem Schüler

Verstärkt werden diese Begriffe nun bildlich im Graffiti mit Symbolen: dem Peace-Zeichen, Hände in unterschiedlicher Hautfarbe, ineinander verschlungen, einer weißen Taube oder dem Regenbogen, der Vielfalt und Diversität versinnbildlicht. Das alles hat Schüler Jano John in eine Galaxie eingebettet. Von ihm stammt der Entwurf. "Das ist das Gegenteil von dem, was vorher da stand", stellt Jano zufrieden fest mit Blick auf die rechtsradikalen Schmierereien, die die Gemeinde, wie an allen ihrer betroffenen Gebäude schnell beseitigen ließ.

Diese Straftat, die die GKS als direkten Angriff auf die Grundwerte der Schulgemeinschaft bewertet, wie auf der Homepage nachzulesen ist, hat das Kollegium und Schüler bestürzt, aufgewühlt, betroffen gemacht. "Das hat die ganze Gemeinde bewegt", hat Lehrerin Ebel mitbekommen. "Ich war geschockt", sagt zum Beispiel Lara Gross (15), eine der drei Schülersprecherinnen. Und sie sei auch ein bisschen wütend gewesen auf den noch nicht gefassten Täter, der über das, was er tat, wohl nicht tiefer nachgedacht habe. Wie man nur auf die Idee kommen könne, die Schule mit solchen Parolen und Nazisymbolen zu besprühen? "Deutsche Schule erhalten", "Grenzen zu", war da zum Beispiel zu lesen. Shahem Alnaddaf (16), Schülersprecher mit syrischen Wurzeln, hat sich zwar durch die Parolen nicht persönlich angegriffen gefühlt, ein komisches Gefühl habe ihn aber doch beschlichen. 

Gemeinde übernimmt Honorar für den Künstler

"Wir sind im Geschichtsunterricht darauf eingegangen", erzählt Schülersprecherin Svenja Lück von der Nachbearbeitung der Thematik an der Schule. Klassenlehrerin Christina Ebel hatte die Idee zur Graffiti-Aktion, die sie zusammen mit Kunst- und SMV-Lehrerin Kathrin Holderbach umgesetzt hat. Ebel hat sich an Patrick Klein von der Künstlergruppe Graffiti Stuttgart gewandt, der auch schon in Bretzfeld eine Bushaltestelle mit Sprühdosen gestaltet hatte. Dass die Gemeinde sofort zugesagt habe, die 2500 Euro Kosten zu übernehmen, das freut Ebel. 

Die Schülermitverwaltung hat zehn Sechst- bis Zehntklässler mit künstlerischem Talent als Sprayer ausgesucht. Die haben nicht sofort losgelegt, sondern zuerst einen Theorietag absolviert, in dem es um die Geschichte von Graffiti und die Konsequenzen unerlaubten Sprayens gegangen ist. Die Teilnehmer haben auch erste Sprühversuche unternommen. "Sie haben gut mitgemacht, es kamen gute Ideen", lobt Klein die Schülerschar. 

Vom Ergebnis zeigen sich alle begeistert

Der Profi hat das Motiv mit der Sprühdose vorgezeichnet. In der Art Malen nach Zahlen habe er dann die Farben vorgegeben, ehe die Schüler zu den Spraydosen gegriffen haben. "Ich fand es nicht schwierig", meint Linus Hohly. "Es ist cool gewesen, dass wir mitmachen durften." Er habe sich angestrengt und sei schon ein bisschen nervös gewesen, erzählt der Zwölfjährige weiter. 

"Wir sind stolz wie Bolle", fasst Klassenlehrerin Ebel die begeisterten Kommentare der Schüler über das Ergebnis und die Botschaft, die dahinter steckt, zusammen. "Wir gehen mit einem geilen Gefühl nach Hause", fügt ihre Kollegin Holderbach hinzu. 

Auch die Grundschule Neuhütten ließ die Farbschmierereien an der Fassade nicht unerwidert. Eine Idee aus der Dienstbesprechung setzten die Klassenlehrerinnen von 4a und 4b, Hanna Eisert und Kathrin Berlage, um, wie Schulleiter Andreas Jäckle erzählt. Sie fotografierten die Parole "Die Gemeinde bleibt deutsch" ab, machten daraus kleine Plakate, die die Schüler so umgestalteten, dass sie einen Inhalt von Toleranz und Vielfalt bekamen, wie "Die Gemeinde bleibt bunt". Beim Weihnachtsmarkt, so Jäckle weiter, werde die Schule eine kleine Ausstellung zum Thema Menschenwürde machen, dieses Jahr ohnehin ein Schwerpunkt der Schulversammlung.

Bürgermeister Timo Wolf hatte es bereits angekündigt, dass die Gemeinde ein Zeichen für Toleranz, gegen Hass und Hetze im Nachgang der rechtsradikalen Schmierereien an 13 Objekten setzen werde. Bei einem Treffen mit allen örtlichen Akteuren - Vereinen, Schulen, Kirchen, Kindergärten, Jugendtreff - soll ein Begegnungsfest Ende November oder Anfang Dezember auf dem Dorfplatz koordiniert werden. 

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