Stimme+
Weinbau in Baden-Württemberg
Lesezeichen setzen Merken

Ärger und Frust bei Winzern wegen wilder Weinberge

   | 
Lesezeit  2 Min
Erfolgreich kopiert!

In vielen Gemeinden der Region Heilbronn sorgen vernachlässigte Rebanlagen für Aufsehen und Ärger. Weil sich der Weinbau nicht mehr rentiert, werden sie vernachlässigt, doch das kann böse Folgen haben. 

Inzwischen kein Einzelfall mehr: Wilder Wengert im Oktober 2023 am Sattel zwischen Weinsberg und Heilbronn.
Inzwischen kein Einzelfall mehr: Wilder Wengert im Oktober 2023 am Sattel zwischen Weinsberg und Heilbronn.  Foto: Krauth, Kilian

Am sogenannten Weinsberger Sattel, im Jagst- und Kochertal, ja, sogar in einer Top-Lage am Heilbronner Wartberg: Vielerorts und immer öfter fallen Weinberge in der Region Heilbronn und in Hohenlohe aus dem Rahmen. Genauer gesagt: Sie werden mangelhaft oder gar nicht mehr bewirtschaftet und verwildern. Das sorgt für Ärger, vor allem bei Nachbarwengertern.

Weinberge in der Region Heilbronn brach: Freie Flächen finden keine Pächter mehr

Hintergrund für die wilden Weinberge ist die tiefe Krise, in der die Branche inzwischen steckt. Für immer mehr Betriebe rentiert sich der Weinbau kaum noch oder gar nicht mehr. So hat sich die Zahl der Württemberger Wengerter in 30 Jahren auf rund 7.000 mehr als halbiert. Bisher nahmen in der Regel größere Betriebe die frei werdenden Flächen auf. Doch inzwischen sind die meisten an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen und üben bei Erweiterungen Zurückhaltung: wegen zusätzlicher Betriebskosten und wegen Vermarktungsproblemen.

Dies hat zur Folge, dass ganze Rebanlagen vernachlässigt oder gar nicht mehr gepflegt werden und verwildern. Der Weinbauverband Württemberg rechnet damit, dass bis in wenigen Jahren 20 Prozent von heute 11.300 Hektar Rebflächen aufgegeben werden.

Gefahr durch durch Pilze: Weinberge und Reben in Region Heilbronn geschädigt

"Dass das Gras nicht gemäht wird und sich Brombeerhecken breit machen, könnten wir noch verschmerzen“, sagt ein 62-Jähriger Winzer mit Blick auf seinen Nachbarwengert. Seinen Namen will er lieber nicht nennen. „Wenn aber jetzt im Frühjahr der Pflanzenschutz ausbleibt und die Rebtriebe von Pilzen befallen werden, habe ich die Sauerei garantiert bald auch bei mir in der Anlage.“

Man muss wissen: Gegen die beiden Pilze Oidium und Peronospora ist kein Kraut gewachsen, selbst Bio-Winzer müssen ihre Reben jetzt bis Ende August zirka alle zehn Tage mit bestimmten Spritzmitteln vor Krankheiten schützen. Sonst wachsen weder die Reben noch die Trauben. Im schlimmsten Fall droht ein Totalschaden.

Höchste Zeit zur Weinberg-Rodung.
Höchste Zeit zur Weinberg-Rodung.  Foto: WVW

Strafe droht: Weinbauverband erinnert Kommunen an Aufsichtspflicht

Das Thema sorgt derzeit vielerorts für Unmut, nicht zuletzt bei der jüngsten Mitgliederversammlung des Weinbauverbandes Württemberg. Vize-Präsident Peter Albrecht, der mit seiner Familie in Heilbronn das Weingut Albrecht-Kiessling betreibt, ging dabei in einer Diskussionsrunde in die Offensive. „In unseren Weinbergen sorgen vermehrt nicht gepflegte Parzellen zu Frust und Mehrarbeit bei den Winzern.“ Er erinnerte die Kollegen sowie Vertreter aus Politik und Verwaltungen daran, dass „der gesetzliche Rahmen die Mindestpflegepflicht von landwirtschaftlichen Grundstücken vorsieht“.

Gleichwohl verwahrlosten derzeit zahllose Flächen. Albrecht nahm dabei ausdrücklich die Kommunen in die Pflicht und betonte: „Die Überwachung der Bewirtschaftungs- und Pflegepflicht obliegt der jeweiligen Gemeinde.“ So appellierte der Vize-Präsident an die Kommunen, „das geltende Recht in der Fläche auch umzusetzen“. Im schlimmsten Fall droht die Zwangsrodung oder zumindest ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro.

Wengerter in der Pflicht: Landratsamt Ludwigsburg weist auf Rechtslage hin

Auch bei den Landratsämtern ist das Problem angekommen. So erinnert der Landkreis Ludwigsburg Kommunen und Wengerter an ihre Pflichten. In einem Rundschreiben heißt es: „Selbst wenn bestehende Bewirtschaftungsverhältnisse aufgelöst, Pachtverträge gekündigt oder keine Bewirtschaftenden mehr für die Weinbauflächen gefunden werden, besteht trotzdem die Pflicht, eine Mindestpflege der Weinberge durch Beweidung oder Mahd zu gewährleisten.“

Gleichzeitig sei vor der Mindestpflege „eine ordnungsgemäße Rodung der Flächen erforderlich“. Hierzu müssten die Rebstöcke inklusive Wurzel sowie alle Stickel, Drähte und Anker entfernt werden. Wer diese Arbeiten nicht selbst durchführen könne, habe auch die Möglichkeit, einen Dienstleister zu beauftragen. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, sich an die amtlichen Weinbauberater zu wenden.

 

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben