Familie Kolb hat ihre Abenteuerreise genau protokolliert. Sie war 178 Tage im Mittelmeer vor Griechenland unterwegs: in Preveza und im Ambrakischen Golf, im Ionischen Meer, im Golf von Patras und Korinth, im Saronischen Golf, im Golf von Euböa, in den Nord-Sporaden und im Golf von Volos. Die „Feuerland“ legte dabei 830 Seemeilen zurück. Das entspricht 1537 Kilometern. Davon haben die Kolbs etwa je die Hälfte unter Motor und unter Segel zurückgelegt. Zweimal machte die Familie einen kurzen Zwischenstopp an Land in Ferienwohnungen.
Weinsberger Familie segelt ein halbes Jahr lang durchs östliche Mittelmeer
Das Down-Syndrom muss kein Hindernis sein: Familie Kolb aus Weinsberg segelte mit zwei kleinen Söhnen sechs Monate lang durch die Ägäis – und erfüllte sich damit einen großen Traum.
Geht das gut? Kann man sich eine solche Reise mit einem Kind mit Down-Syndrom zutrauen? Man kann, entschieden Sandra und Hannes Kolb – und haben es nicht bereut. Ihre Geschichte erzählt davon, wie wichtig es ist, seinen Traum zu leben. Sie erzählt von Zweifeln, die dazu gehören. Und von großem Mut. Sechs Monate lang bereisten die Weinsberger mit ihren beiden kleinen Söhnen in ihrem Segelboot das Mittelmeer vor Griechenland.
Weinsberger Familie: Traum vom langen Segeltrip bleibt erstmal unerfüllt
Diese Geschichte beginnt mit einem Sturm. Sandra Kolb (39) blickt zurück: „Es hat uns erstmal den Boden unter den Füßen weggezogen.“ Zwei Tage nach der Geburt ihres zweiten Sohnes erfahren sie und ihr Mann Hannes, dass Elias, heute vier Jahre alt, das Down-Syndrom hat. Ein zusätzliches Chromosom verändert alles. Das Ehepaar – sie Angestellte, er Professor für internationalen Handel – muss lernen, diese Botschaft zu akzeptieren. Der Alltag muss neu geordnet werden. Fortan ist er mitbestimmt von Arzt- und Facharztbesuchen, von Terminen beim Physiotherapeuten, beim Ergotherapeuten und beim Logopäden. Sandra und Hannes Kolb fragen sich: Was bleibt von unserem alten Leben? Beide sind gerne gereist, haben einen Segelschein, waren schon öfter mit gecharterten Booten unterwegs.

Diese Geschichte ist die eines geplatzten Traums. Die ursprünglich geplante Elternzeitreise hängen die Kolbs nach Elias’ Geburt erstmal an den Nagel. Alle Energie fließt in die neue Lebenssituation. Jedoch: Die Idee einer längeren Auszeit lässt die beiden nicht los. Erste Segelurlaube mit den Kindern in Griechenland und Kroatien funktionieren gut, auch wenn der kleinste Matrose noch etwas wackelig an Bord ist.
Nach Schicksalsschlägen: Weinsberger Familie kauft Segelboot
Nach mehreren Schicksalsschlägen im näheren Umfeld ist sie schließlich da, die Überzeugung: Wir machen es! Jetzt, da der Trip möglich ist, weil Samuel noch nicht in die Schule geht. „Das Leben in den Tagen und nicht die Tage im Leben zählen“ ist die Devise der Kolbs. Und dann dieser Zufall: Freunde in der Nachbarschaft verkaufen ihr Segelboot. So kommt die „Feuerland“ in die Weinsberger Familie – und „Crew Kolb“ sticht von Februar bis August 2025 in See.
Diese Geschichte handelt von Zweifeln. „Die Reise hat viel gekostet – nicht nur Geld, sondern auch Gewissensbisse“, sagt Sandra Kolb im Rückblick. „Dürfen wir den eher schüchternen Samuel aus seinem gewohnten Umfeld herausreißen?“, fragen sich Johannes Kolb (41) und seine Frau. Was, wenn die Kinder krank werden? Wenn Elias auf See einen Pseudokruppanfall oder eine Lungenentzündung bekommt? Er ist viel anfälliger für Atemwegserkrankungen als Kinder ohne Down-Syndrom. Was verliert er in sechs Monaten ohne professionelle Logo-, Ergo- und Physiotherapie?
Segeltörn von Weinsberger Familie: Kinder bleiben auf See kerngesund
Weder Samuel noch Elias wurden während der Reise krank, berichtet ihre Mutter. Der gesunden Luft und dem salzhaltigen Wasser sei’s gedankt. Samuel (6), findet Sandra Kolb, habe enorm profitiert von dem Familientrip. „Er hat sehr an Selbstwertgefühl gewonnen. Die Leute sagen, er ist wie ausgewechselt.“ Samuel selber sagt: „Das Schwimmen war gut! Im Wasser gab’s viele Fische.“ Mit Elias machen Mama und Papa Übungen, so gut es fernab der Praxen geht. Und die Eltern schenken ihren Kindern etwas, das im Alltag oft knapp ist: Zeit. Und ein Gefühl von großer Freiheit.

Segeltrip von Weinsberger Familie: Klare Regeln helfen gegen Ängste
Diese Geschichte spiegelt Ängste wider: „Je näher der Abflug rückte, desto schlechter habe ich geschlafen“, gesteht Sandra Kolb. „Ich hatte solche Angst, dass ein Kind über Bord geht.“ Und dann die Befürchtung: Gehen wir uns auf einem zehn Quadratmeter großen Boot mit einer Bugkabine und einem kleinen Salon auf die Nerven? Gegen die Angst helfen klare Regeln – etwa, wann die Schwimmwesten anzulegen sind. Oder dass nie, unter keinen Umständen, ein Risiko in Sachen Wetter eingegangen wird. Die Sorge wegen der Enge erweist sich als unbegründet – auch weil es jeden Tag an Land geht.

Diese Geschichte ist die Geschichte einer Erfüllung: „Die Reise war für uns alle ein ganz großes Geschenk“, sind sich die Kolbs einig. Der Trip schweißt die Familie zusammen. Am Ende steht eine Gewissheit: Ein zusätzliches Chromosom ist kein Hindernis – „sondern eine Einladung, das Leben mit noch mehr Offenheit zu umarmen“.

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