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Interview im Weindorf
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Weinmacher mit muslimischen Wurzeln: „Habe eine Lukas-Podolski-Mentalität“

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Der aus einer türkischen Gastarbeiterfamilie stammende Ahmet Yildirim wollte eigentlich Fußball-Profi werden. Nun treibt er ein kleines Weinimperium um. Der Heilbronner Stimme berichtet er im Weindorf, wie es dazu kam.


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Seine Familie stammt aus der Türkei. Eigentlich wollte er Fußball-Profi werden. Heute führt der gelernte Winzer und diplomierte Sommelier mit seiner Firma Y Wine & Kitchen ein kleines Weinimperium mit eigenen Weinen und zwei Restaurants. Ein Hotel ist im Aufbau. Dieser Weindorf-Tage schaute Ahmet Yildirim (44) in Heilbronn vorbei. Ein echter Mutmacher.

Sie waren auf dem Weg zum Profi-Fußballer. Warum hat es am Ende nicht geklappt?

Ahmet Yildirim: In jungen Jahren war das absolut mein Traum und ich habe mit einigen Freuden auch drauf hingearbeitet. Beim SV Wehen, heute Wehen-Wiesbaden, habe ich alle Jugend- und viele Auswahlmannschaften durchlaufen, aber mich mit 22 Jahren dann anders orientiert.

 

Die Zweite Liga und den späteren Trainer Rüdiger Rehm aus Heilbronn haben Sie dadurch verpasst. Warum haben Sie sich umorientiert?

Yildirim: Da kommt viel zusammen, auch Freunde spielten eine Rolle. Und irgendwann geht es ja auch um den beruflichen Werdegang, um die Zukunft. Fußball ist zeitlich begrenzt und ich habe gemerkt, dass ich dann doch nicht ganz so gut bin. Bald habe ich festgestellt, dass ich am Wein mehr Freude habe, eine echte Leidenschaft.

 

Lassen Sie uns kurz beim Fußball bleiben und etwas spielen: Ordnen Sie Fußballer bestimmten Rebsorten zu.

Yildirim: Musiala steht für Chardonnay, technisch, elegant, unauffällig. Müller für Riesling, rassig, kernig, ruppig. Gündogan, ebenso elegant, einer, der relativ unauffällig vor der Abwehrkette steht und im Mittelfeld aufräumt. Er ist für mich ein Weißburgunder Reserve mit viel Potenzial und Ausdruck.

Der Weinmacher und Sommelier Ahmet Yildirim schaute dieser Tage auf dem Heilbronner Weindorf vorbei und moderierte eine Burgunder-Probe.
Der Weinmacher und Sommelier Ahmet Yildirim schaute dieser Tage auf dem Heilbronner Weindorf vorbei und moderierte eine Burgunder-Probe.  Foto: Seidel, Ralf

Wo sehen Sie Württemberg in der Wein-Bundesliga?

Yildirim: Im Mittelfeld, von der Rebfläche her als viertgrößte deutsche Weinregion, aber auch von der Qualität her. Natürlich gibt es auch einzelne Champions-League-Vertreter. Ich sehe derzeit viele ambitionierte Jungwinzer, die auch die regionalen, autochtonen Rebsorten pflegen, abseits des Mainstream. Da liegt die Zukunft.

Sie machten ihre Sommelier-Ausbildung doch in Südtirol: Was ist besser Vernatsch oder Trollinger?

Yildirim: Eine gemeine Frage. Das hängt von der Idee des einzelnen Winzers ab, letztlich vom Ausbau. Beide können super sein. Wenn sie gerade rückläufig sind, liegt dies vor allem am Image, daran müsste man feilen. Die Qualität stimmt. Das leichtere Rotweinprofil passt.

 

Haben Sie einen Lieblingswein?

Yildirim: Das hängt von der Situation ab. Als Rheingauer liebe ich natürlich Riesling, auch Bordeaux und Burgund finde ich sehr spannend.


 

Wie kommt man eigentlich als Muslim zum Wein? Alkohol ist in Ihrer Religion doch tabu.

Yildirim: Als Quereinsteiger, klar, meine Familie hat muslimische Wurzeln und kommt aus dem Landschaftsbau. Ich bin dann in den Weinbau gewechselt, nachdem mich Freunde über das Zusammenkommen von Wein und Essen emotionalisiert haben, über diverse Urlaube, meine damalige Freundin.

 

Sie haben also aus Ihrem Hobby den Hauptberuf gemacht. Toll.

Yildirim: Ja, ich habe Winzer und Sommelier gelernt und studiert, war in der Schweiz, Frankreich, Australien und habe den Weg zurück in die Heimat gefunden, zu verschiedenen Betrieben, etwa Schloss Johannisberg. Im Weingut Trenz habe ich erste Schritte als Betriebsleiter getan und schließlich einen eigenen Betrieb gegründet: Wir kaufen Trauben und Fasswein von sechs Betrieben zu, bauen sie nach unseren Vorstellungen aus und vermarkten sie unter der Marke Y, auch über zwei eigene Restaurants: ein Gourmet-Restaurant in Eltville und eines an der Wiesbadener Genussmeile, wo wir mit vier anderen Betrieben das Thema Wein, Speisen, Genuss niveauvoll umsetzen.

 

Ganz schön mutig, erstens als Quereinsteiger und dann noch in einer Zeit, da der Weinbau in Schieflage geraten ist. Was ist Ihr Erfolgsrezept? Was würden Sie Winzern raten, die derzeit ratlos sind?

Yildirim: Ich bin da mit einer Lukas-Podolski-Mentalität rangegangen. Nicht zu viel nachdenken, sondern den Ball da rein hauen, wo er rein muss. Dazu gehört in der Tat Mut, aber auch ein Traum, eine Vision, mit der man losläuft. Und: Man muss auch mit Rückschlägen umgehen können, vielleicht eine Mentalität entwickeln, die dir sagt: Jetzt erst Recht. Schritt für Schritt.

 


Zur Person

Ahmed Yildirim (44) ist im Taunus unweit von Wiesbaden aufgewachsen und stammt aus einer türkischen Gastarbeiterfamilie, die in den 1970er Jahren nach Deutschland kam. Eigentlich wollte er Fußball-Profi werden, schwenkte aber vom SV Wehen auf Wein um, lernte Winzer und Sommelier, sammelte Erfahrung in der Schweiz, Australien, Frankreich und schließlich im Rheingau, wo er seine eigene Weinmufaktur aufbaute, über die er unter der Marke Y deutschlandweit rund 800 Restaurants beliefert und in 26 Ländern vertreten ist. Zudem führt er mit seiner Ehefrau Simone Schiller-Yildirim, die ebenfalls Sommeliere ist, ein Gourmet-Restaurant in Eltville und ein Lokal in Wiesbaden.

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