Statt Gewinnmaximierung stehen soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Mitbestimmung und Menschenwürde im Fokus der Gemeinwohl-Ökonomie. Rund 1000 Unternehmen in Deutschland haben bereits eine Gemeinwohl-Bilanz, die misst, wie sehr ihre Geschäftspraktiken diesen Werten entsprechen, was verschiedene Vorteile bringen kann: Unter anderem können Verbraucher so leichter entscheiden, welche Unternehmen sie unterstützen wollen, außerdem beispielsweise bei Förderungen oder öffentlichen Aufträgen.
Vom Gemeinwohl profitieren alle
Wino Bio ist bislang das einzige nach der Gemeinwohl-Ökonomie zertifizierte Unternehmen im Raum Heilbronn. Nicht der Profit, sondern Mensch und Umwelt stehen im Fokus.

Die Gemeinwohl-Ökonomie ist Marion Winkler ein persönliches Anliegen. „Wir sind seit 30 Jahren Bioland-Betrieb, also fast mein ganzes Leben.“ Die nachhaltige Bewirtschaftung der Böden und der Klimaschutz sind „in unserer DNA schon drin“. Als ihr Vater Jürgen Winkler den landwirtschaftlichen Betrieb auf Bio umgestellt hat, „ist das damals schon kritisch beäugt worden“, sagt Marion Winkler.
Mit Wino Bio ist eine neue Geschäftsidee dazu gekommen. „Wir haben keinen Hofladen, daher stellten wir uns die Fragen, wie kommen unsere Produkte zum Kunden?“ Im Online-Shop lassen sich die Kisten individuell zusammenstellen. „Früher hat man bekommen, was Saison hat. Jetzt sieht jede Kiste anders aus“, sagt Marion Winkler, die seit 2021 Geschäftsführerin von Wino Bio ist.
1600 Kunden schätzen die Bio-Kisten mit frischem Obst, Milch oder Nudeln
Und es läuft gut: „Wir haben 1600 regelmäßige Kunden in der Woche.“ Auch Schulen, Kindergärten und Firmen schätzen die Lieferung von frischem Obst und Gemüse bis hin zu Nudeln und Tomatensoße. „Man muss eigentlich nicht selbst einkaufen – nur Klopapier fehlt noch im Sortiment“, stellt die 31-Jährige mit einem Lachen fest.
Weil Marion Winkler sich auch privat für die Gemeinwohl-Ökonomie stark macht, war die Zertifizierung des Betriebs für sie selbstverständlich. Den ersten Bericht von 2023 schaut sie sich derzeit wieder genauer an, weil in diesem Jahr die Verlängerung ansteht. Die Zielrichtung ist dabei klar: „Das bringt dem Unternehmen was, weil wir noch besser werden wollen.“
Daher sei es auch für eher „traditionelle“ Betriebe von Vorteil, wenn sie ihre Eignung für die Gemeinwohl-Ökonomie prüfen lassen. „Größer, schneller, weiter kann nicht das einzige Kriterium für das Wirtschaften sein.“ Als Geschäftsführerin sei ihr natürlich klar, dass Umsatz, Gewinn und die Kosten die drei zentralen Eckpunkte des Erfolgs sind. „Als Geschäftsführerin bin ich verantwortlich dafür, dass es dem Betrieb gut geht.“
Aber für sie sei klar: „Wir haben nur diese eine Welt.“ Der so genannte „Earth Overshoot Day“ zeigt auf, wann die zur Verfügung stehenden Ressourcen aufgebraucht sind. In Deutschland war dies für 2024 bereits Anfang Mai der Fall. „Also verbrauchen wir auch dieses Jahr bald wieder mehr als wir haben.“
Billige Preise im Supermarkt: Die Umwelt zahlt mit
Im Supermarkt werde auf möglichst billige Ware geachtet. „Wir zahlen aber nicht den wahren Preis, den Rest zahlt die Umwelt.“ In der Landwirtschaft verursachten die Verschmutzung von Trinkwasser und der Düngereintrag in schützenswerte Biotope Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Natürlich müsse auch Bio-Ware konkurrenzfähig sein. Von der Politik würde sich Marion Winkler daher wünschen, dass Agrar-Subventionen nicht nur nach der Fläche bezahlt werden, sondern auch fürs ökologische Wirtschaften in kleinbäuerlichen Betrieben.
Im Bereich „Ökologische Nachhaltigkeit“, eines der Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie, sei man mit 90 Prozent schon sehr weit oben, berichtet Marion Winkler. Wo man noch Nachholbedarf habe, sei der Bereich „Mitbestimmung“. Ideal wäre es, wenn Wino Bio keine GmbH, sondern eine Genossenschaft wäre. Marion Winkler ist sich sicher: „Da gibt es noch Entwicklungspotential.“
Aber in größere Entscheidungen wie den jetzt anstehenden Neubau werden die 40 Mitarbeitenden einbezogen. „Letztlich war das sogar ihre Idee, dass wir mehr Platz brauchen.“ Mehr Platz für Lager und Versand, oben Büros und eine Küche für Kochkurse – und auch der schön gestaltete Pausenraum, den sich die Angestellten gewünscht haben, wird verwirklicht.
Wunsch: Mehr Lieferfahrzeuge mit Elektro-Antrieb
„Transparenz“ bedeutet, dass die Lieferkette mit betrachtet wird, dass also die Regionalpartner bis zu den Lieferanten von Südfrüchten und Oliven ebenfalls in die Bewertung einbezogen werden. Immer wieder wird an Details gefeilt: Zum Arbeitsplatz mit herrlicher Aussicht am Hasenlauf können die Angestellten auch mit dem Job-E-Bike kommen, für die Lieferfahrzeuge würde sich Marion Winkler noch mehr E-Antriebe wünschen. „Das ist schwierig wegen der Kühlung, aber genügend Solarstrom haben wir hier.“
Und wer seine Mitarbeiter halten will, sollte auf ein gutes Betriebsklima achten, das gilt im Maschinenbau ebenso wie in der Landwirtschaft. „Der Umgang hier ist sozial und familiär.“ Deshalb habe man – trotz manchem Wechsel – einen festen Stamm von langjährigen Mitarbeitern.
Das sei, gibt Marion Winkler zu, „kein komplett konträrer Ansatz“ zu der sozialen Marktwirtschaft. „Jedes Unternehmen muss darauf achten, dass es gut mit seinen Mitarbeitern umgeht.“ Aber Nachhaltigkeit, Menschenwürde und soziale Gerechtigkeit werden in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen, ist sie sich sicher. „Den Kunden ist es wichtig, dass sie ein gutes Produkt bekommen.“ Die Zertifizierung zeige auf, in welchen Bereichen Abläufe noch besser gestaltet werden können. „Wir haben ja auch was gelernt“, stellt Marion Winkler fest.
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