Urteil ist rechtskräftig: Kommt jetzt die Verpackungssteuer für Heilbronn?
Die Tübinger Verpackungssteuer ist rechtsmäßig, nun wollen die Klimabotschafterinnen Heilbronn für die Abgabe gewinnen. Dafür haben sie 400 Unterschriften gesammelt. Die Stadtverwaltung prüft derweil Einführung der Verpackungssteuer für den Haushalt 2027.

Tübingen hat es vorgemacht, Koblenz vor Kurzem nachgezogen, und dutzend weitere Städte wollen dem Beispiel folgen: Die Verpackungssteuer, eine Tübinger Erfindung, wurde 2022 eingeführt. 50 Cent werden auf Einwegverpackungen erhoben, 20 Cent auf Einwegbesteck. Mit der Steuer, die von Gastronomen und Händlern gezahlt wird, die Getränke oder Mahlzeiten zum unmittelbaren Verzehr in Einwegverpackungen verkaufen, soll weniger Müll produziert, und die städtischen Kosten für die jährliche Plastikmüllbeseitigung sollen gesenkt werden.
Die Steuer ist umstritten, besonders bei denen, die sie entrichten müssen. Der Betreiber einer McDonald’s-Filiale in Tübingen hatte vor dem Bundesverfassungsgericht Karlsruhe gegen die kommunale Verpackungssteuersatzung geklagt, unterlag jedoch. Das Gericht schuf mit dem Urteil Rechtssicherheit. Seitdem wird die Verpackungssteuer in vielen Städten wieder diskutiert.
Verpackungssteuer war in Heilbronn schon 2023 Thema
Auch in Heilbronn. Im Gemeinderat war sie wegen eines gemeinsamen Antrags von SPD und Grünen schon 2023 Thema. Wegen der damaligen, unklaren Rechtssicherheit wurde die Entscheidung jedoch vertagt. Die Stadt Heilbronn gab an, den Entscheidungsprozess intensivieren zu wollen. „Wir begrüßen, dass mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine sichere rechtliche Grundlage zur Verpackungssteuer geschaffen ist“, teilt Stadtsprecherin Suse Bucher-Pinell jetzt auf Anfrage mit.
Die Verwaltung prüfe aktuell die Einführung einer Verpackungsteuer für den neuen Haushalt zum 1. Januar 2027. Eine Entscheidung im Gemeinderat wird aber „voraussichtlich nicht vor Beginn des Jahres 2026 getroffen werden“.
Ein Argument, das Stadtverwaltungen häufig im Bezug auf die Verpackungssteuer vorbringen, ist der hohe Einsatz. Beispielsweise, die Steuer einzutreiben. „Das ist erst mal Aufwand, aber dann kommt das Geld zurück“, sagen Ellen Keifer und Gila Seewi. Die beiden Frauen engagieren sich bei den Heilbronner Klimabotschafterinnen, ein Bündnis aus ehrenamtlich engagierten Aktivistinnen.
Klimabotschafterinnen beklagen Müllproblem in Innenstadt
Für die Klimabotschafterinnen ist die Eindämmung von Plastikmüll – von der Vermeidung bis zur Einführung einer Verpackungssteuer – ein Ziel, auf das sie in diesem Jahr besonders aufmerksam machen wollen. „Jetzt, da die Steuer verfassungsgemäß ist, möchten wir Heilbronn dafür gewinnen“, sagen sie.
Das große Müllproblem, das beobachten sie vor allem in der Innenstadt, verschlimmere sich weiter, weggeworfene Fast-Food-Tüten, Einwegbecher oder Pizzakartons neben Mülleimern würden zunehmen. Im Jahr landeten rund 5,8 Millionen Kaffeebecher in oder neben Mülleimern, 320 000 seien es stündlich, berichten die Aktivistinnen von ihren Quellen. Die Becher machten allein 75 Prozent vom Heilbronner Innenstadtmüll aus, sagt Ellen Keifer. „Das kann so nicht weitergehen“, findet sie.
Nachhaltige Alternativen wie Mehrwegsysteme setzen sich noch nicht durch, die Nutzung liegt unter einem Prozent. „Es gibt zu viele Ausnahmen“, sagt Ellen Keifer auch über die gesetzliche Angebotspflicht, dass bestimmte Betriebe eine Mehrwegalternative bereitstellen müssen. „Wir wollen den Müll nicht sammeln, sondern vermeiden“, sagt Gila Seewi, die Aktionen wie den Clean Up Day mit organisiert.
Die Klimabotschafterinnen haben deshalb eine Unterschriftenaktion gestartet, die mittlerweile von rund 390 Menschen unterstützt wird. „Wir haben offene Türen eingerannt“, beurteilen die Klimabotschafterinnen die Rückmeldungen, der Menschen, die sie etwa beim Klimastreik angesprochen haben. Übergeben wollen sie die Unterschriftenliste bald an OB Harry Mergel, wann, steht noch nicht fest.
Bewusstsein für Verpackungssteuer soll in Heilbronn geweckt werden
Die Klimabotschafterinnen fordern, dass der Antrag auf Prüfung der kommunalen Verpackungssteuer im Heilbronner Gemeinderat wieder eingebracht wird. Die Unterschriftenliste soll den nötigen Rückenwind für einen positiven Beschluss geben. „Es gibt ja schon Systeme, die funktionieren“, sagt Gila Seewi und zählt die wieder verwendbaren Tassen und Gläser beim Heilbronner Weindorf oder auf dem Weihnachtsmarkt, allgemein das Pfandflaschensystem in Deutschland auf.
„Das Bewusstsein für die Verpackungssteuer muss geweckt werden.“ Auf Freiwilligkeit zu setzen, funktioniere offenbar noch nicht. Dass die Steuer Heilbronner Händler oder Gastronomen abschrecken könnte? „Wer keine Verpackungssteuer zahlen möchte, kann auf Mehrwegsysteme ausweichen“, meint Ellen Keifer.
Stadt Tübingen nimmt 2022 rund eine Million Euro mit Verpackungssteuer ein
Seit der Einführung der Verpackungssteuer habe sich das Müllproblem in Tübingen deutlich reduziert, gibt die bei der Stadt zuständige Projektleiterin Claudia Patzwahl in Medienberichten an. 2022 habe die Stadt knapp eine Million Euro eingenommen, rund 700 000 Euro fallen für die Beseitigung des Müll im Jahr an.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) begrüßte die Pläne der Städte, die eine Verpackungssteuer einführen wollen, zwar; eine bundesweite Einführung hält sie jedoch „derzeit für politisch nicht durchsetzbar“.