Neue Heimat für den Steinkauz
Die Stadt Güglingen will mehr aus ihren Flächen für Biodiversität rausholen und hat Nistkästen anbringen lassen. Steinkäuze haben am Naturkindergarten gebrütet – die Küken wurden nun beringt.

Auf den Sprossen der Metallleiter stehend, wirft Jochen Fischer einen prüfenden Blick in die Steinkauz-Röhre, die auf dem Ast des Kischbaums angebracht ist. Dann nickt er. „Es ist jemand zu Hause“, sagt der Regionalkoordinator der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Heilbronn und Umgebung (OAG HN). Behutsam und unter den gespannten Blicken der Kinder des Naturkindergartens Waldelfen und ihrer Erzieherinnen packt Fischer ein Steinkauzküken nach dem anderen aus der Nisthilfe in eine Stofftasche.
Wieder auf dem Boden, setzt er die drei Vogelbabys in einen mit Spänen ausgelegten Plastikeimer. Die Kinder scharen sich darum, drei Küken starren mit gelben, weit aufgerissenen Augen zurück. Süß sind sie, ihre Bewegungen wirken plump, etwas tapsig, das graue Gefieder ist flauschig, die Krallen ausgebildet, um auf dem Baum herumzuklettern. Auch laufen können sie schon – nur noch nicht fliegen.
Sonst würden die Küken bestimmt nicht so ruhig in dem Eimer sitzen, sondern einen Fluchtversuch unternehmen. Sie sind sichtbar irritiert, nimmt Jochen Fischer sie doch an einem sonnigen, schwülen Juni-Tag aus dem dunklen, gemütlichen Nistkasten. Die Aktion hat einen Grund: Die Jungtiere werden beringt, gewogen und gemessen, die Daten für das Steinkauz-Verzeichnis protokolliert. Ihre Eltern dürften das Vorgehen aus sicherer Entfernung verfolgen. Denn sie kümmern sich um ihren Nachwuchs, bis er flügge wird, erklärt Jochen Fischer.
Nistkästen für Steinkäuze und andere Vögel: Besonderes Artenschutzprojekt
Geschlüpft sind die Küken vor etwa 20 Tagen, sagt Fischer, nachdem er die Federlänge ausgemessen hat. Dass die Brut erfolgreich war, freut ihn und die städtische Mitarbeiterin im Liegenschaftsamt, Corinna Alagic. Sie verwaltet unter anderem die kommunalen Grünanlagen und ging der Frage nach, wie die Stadt das Beste aus diesen Flächen herausholen kann, um als Kommune einen Beitrag für den Artenschutz und die Biodiversität zu leisten.
Im ersten Schritt werden Flächen seit 2023 versuchsweise ökologisch bewirtschaftet, die Wiese am Naturkindergarten Waldelfen wird etwa nicht mehr gemulcht. Seit vergangenem Jahr weiden dort zeitweise Dorper-Schafe und Waliser Schwarzhalsziegen vom Güglinger Unternehmen Landschaftspflege Höfle. Eingegrenzt werden die Tiere durch spezielle elektrische Litzenzäune, die es auch kleineren Tieren wie Kröten und Igeln ermöglicht, ohne Stromstoß darunter durchzukriechen. Die Schafe und Ziegen tragen zur natürlichen Verbreitung der Pflanzen bei, für die Kinder im Naturkindergarten sei das anfangs natürlich großes Kino gewesen, sagt die stellvertretende Kitaleiterin Irene Gareis.
Abgerundet wird die Offensive durch das Artenschutzprojekt Steinkauz, bei dem die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft (OA) Heilbronn mit der Vogelwarte Radolfzell zusammenarbeitet. Jochen Fischer beriet bei der Auswahl des richtigen Standortes und der Nisthilfe und half bei der Anbringung.
Die Küken werden gewogen und begutachtet
Auf der Streuwiese verfolgen die Kinder nun gebannt die Beringungsaktion. Die Anwesenheit von Tieren sind sie durch die Ziegen und Schafe vor Ort gewöhnt, aber Steinkäuze aus nächster Nähe – das erlebt man nicht alle Tage. Im Halbkreis stehen die Jungen und Mädchen um Jochen Fischer, stellen auch Fragen. Ein Küken protestiert lautstark, als Fischer es aus dem Eimer nimmt, sein Schrei klingt wie ein Zischen. Es kneift in Jochen Fischers Hand, doch der hält es geschickt fest und bereitet die Metallringe vor. Jedes Küken bekommt eine eigene Nummer, werden gewogen, eines muss noch deutlich zulegen. Auch Altvögel kennzeichnet Jochen Fischer nachträglich – und erhält einen Überblick über das Vorkommen der Eulenart in der Region.
40 Nisthilfen wurden in Güglingen angebracht
Im Güglinger Stadtgebiet wurden im vergangenen Jahr 40 Nisthilfen für Vögel angebracht, die Obstbaumwiese bei den Waldelfen eignete sich besonders für die Eulenart, die in Baumstammhöhlen brütet. Weil es immer weniger altes Holz gibt oder Bäume gefällt werden, finden die Kauze weniger Brutplätze. Die Brutröhren ermöglichen, dass sich die Steinkauz-Population im Landkreis in den vergangenen Jahren positiv entwickelt, sagt Jochen Fischer. Rund 80 Prozent der aufgehängten Nisthilfen, die optisch hohlen Baumstamm ähneln sollen, wurden gleich im ersten Jahr belegt. „Das ist ein toller Erfolg, mit dem wir nicht gerechnet hätten“, sagt Corinna Alagic.
„Das ist ein toller Erfolg, mit dem wir nicht gerechnet hätten.“Corinna Alagic