Sensoren schlagen bei Glätte Alarm
Der Bauhof wird in Neckarsulm mit neuer Technik informiert,wo Streudienste nötig sind. Nächtliche Kontrollfahrten sind bald nicht mehr nötig.

Aus Daten werden Informationen: So lässt sich der Weg zur „Smart City“ kurz beschreiben. Ob das Verkehrszähler sind, die Luftgüte gemessen wird oder die Gefahr von glatten Straßen an den Bauhof übermittelt wird: Zunächst braucht es dazu ein Netzwerk. So genannte Gateways mit Antennen, die auf günstig gelegenen Gebäuden verteilt sind, nehmen die per Funk übermittelten Informationen der einzelnen Sensoren auf und leiten sie an den zentralen Rechner weiter. „Wir bekommen dann die Luft- und Bodentemperatur an neuralgischen Stellen direkt übermittelt“, beschreibt der Neckarsulmer Bauhofleiter Michel Hettich die neue Lage ab diesem Winter, sofern der Förderantrag bewilligt wird.
Künftig schlagen die Sensoren Alarm, wenn es nachts glatt wird
Bisher war es so, dass bei Kälteeinbruch jede Nacht der Bereitschaftsdienst Kontrollfahrten durchgeführt hat. Wenn es dann schneit oder glatt wird, klingelt der Kollege die anderen Mitarbeiter zwischen drei und vier Uhr morgens aus dem Bett. Künftig melden die Sensoren an Steigungen und Gefällstrecken die aktuelle Lage. Mittels künstlicher Intelligenz werden die Datenpakete aufbereitet. Die aktuellen Wetterprognosen werden mit dem Erfahrungsschatz der Winterdienst-Mitarbeiter „verschnitten“, wie Hettich erklärt. „Das Kopfwissen wird mit objektiven Daten verfestigt.“
Gefährliche Straßenabschnitte können in der Zukunft schon tagsüber mit Salz-Sole besprüht werden, wenn es in der Nacht glatt werden könnte. „Bislang streuen wir Trockensalz, das können wir nur ausbringen, wenn es schon schneit oder überfrierende Nässe droht.“ Die Salz-Sole könne auf der Straße trocknen und sei dann einsatzbereit, wenn es in der Nacht schneit oder feucht-kalt wird.
Gefahr von Rutsch-Unfällen nimmt deutlich ab
Das neue System, das in diesem Winter zum Einsatz kommt, bringt gleich mehrere Vorteile: Die Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass der nächtliche Einsatz von Personal und Maschinen sinkt. Zum anderen, und das ist der Hauptvorteil, ist man bei Blitzeis und nächtlichem Schneefall besser gewappnet. Die Gefahr von Rutsch-Unfällen nimmt also deutlich ab.
Mit dem „Intelligenten Winterdienst“ ist die Stadt kurzfristig auf ein Förderprogramm aufgesprungen, das die Installation von so genannten „Long Range Wide Area Network“ oder kurz LoRaWAN unterstützt. Die Anwendungsmöglichkeiten sind breit gestreut: In Neckarsulm wird neben dem Winterdienst auch das Gießen von Bäumen künftig „smart“.
„Wenn wir in der Römerstraße in Obereisesheim einen Baum mit einem Sensor versehen, dann wissen wir, wie es allen Bäumen in der Straße geht.“ Per Funk übermittelt der Sensor die Bodenfeuchte, muss gegossen werden, bekommt der Bauhof ein entsprechendes Signal. „Wir haben im Sommer bis zu drei Gießfahrzeuge im Einsatz“, beschreibt Michel Hettich die derzeitige Situation.
Um Wasser und Personal ressourcenschonend einzusetzen, können nicht alle 12 000 Stadtbäume gleichmäßig gegossen werden. „Wir konzentrieren und uns auf Jung-Bäume und besondere Bereiche.“ Im Trendpark und in der Binswanger Straße mussten einige Bäume wegen Trockenschäden gefällt und ersetzt werden. Mit so genannten Rigolen bekommen die neu gepflanzten Bäume ein Wasserreservoir mit. Wenn dann der Sensor meldet, wann es wieder Zeit fürs Gießen ist, hilft das dem Bauhof wie dem Baum. „Zu viel Gießen ist auch nicht gut, und wenn uns ein Baum abstirbt, ist der ökologische Schaden hoch.“ Auch für den Sportrasen kann in Zukunft die Beregnung zielgenau gesteuert werden, wenn der Feuchtigkeitssensor im Boden meldet, welche Wassermenge ausreicht.
Sole sprühen verbraucht weniger Salz
Und wenn der Winterdienst künftig weniger Salz streut, tut das wiederum den Bäumen gut. Zusätzlich zum Aufbau des Netzwerks müssen jetzt allerdings noch die Fahrzeuge auf das neue Streusystem umgebaut werden. Ein Kombinationsstreuer für Flüssigsole und und Trockensalz kostet 25 000 Euro und kann an einen Kommunal-Lkw anmontiert werden, erklärt Hettich.
Ein weiterer Nachteil bei Salz ist, das weiß jeder, der mal hinter einem Streugerät hergefahren ist, dass die Salzkörner über die ganze Straße und manchmal auch darüber hinaus geschleudert werden. „Die Salzkörner werden oft auch von nachfahrenden Autos von der Fahrbahn heruntergeschleudert. Am Straßenrand bringt uns das Salz aber nichts.“
Mit der Sole kann die Straße zielgenau besprüht werden. Das stark salzhaltige Wasser gefriert erst bei knapp minus 20 Grad. Im Vergleich zu festem Salz beträgt die Einsparung bei der Menge rund 75 Prozent, für eine Fläche von 3300 Quadratmetern braucht man also statt 100 Kilo Salz nur 25 Kilo.
Sehr sportlich sei es jetzt, alle Sensoren und die Funkverstärker bis Ende des Jahres zu installieren. Als nächstes werden 22 städtische Gebäude begutachtet, wo man die Gateways mit Antennen am besten platziert, damit man in Neckarsulm eine flächendeckende Funkabdeckung erreicht.
„Die KI ist ein lernendes System“, sagt Bauhof-Chef Hettich. „Es kommt immer darauf an, aus den Daten etwas zu machen, das uns bei unserer täglichen Arbeit hilft.“ Bei der Vielzahl der Aufgaben der 78 Mitarbeitenden im städtischen Bauhof vom Friedhof bis hin zur Straßenreinigung gelte halt leider meist der Grundsatz: „Das, was wir tun, wird oft übersehen. Und wenn wir etwas nicht tun, merkt das jeder.“

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