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„Wir sind alle Mensch“: Wohnprojekt für Obdachlose und Geflüchtete in Schwaigern

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Sozialpädagogin Sabrina Apfelbach richtet in Schwaigern-Stetten ein Wohn- und Integrationsprojekt für Obdachlose und Geflüchtete ein. Hier sollen die Bewohner wieder auf die Beine kommen und Gesellschaft und Hilfe finden. 

Sabrina Apfelbach hat die Zimmer in ihrem Wohnprojekt mit alten Möbeln von Kleinanzeigen oder dem Sperrmüll eingerichtet.
Sabrina Apfelbach hat die Zimmer in ihrem Wohnprojekt mit alten Möbeln von Kleinanzeigen oder dem Sperrmüll eingerichtet.  Foto: Heil, Theresa

Noch sieht es in dem großen Haus in der Hauptstraße 46 in Schwaigern-Stetten etwas chaotisch aus. Schwarze Linien auf dem Fußboden markieren die Stellen, an denen neue Wände hochgezogen werden sollen, gebrauchte Möbel stehen in den Ecken. Sabrina Apfelbach hat sie vom Sperrmüll gerettet oder günstig im Internet gefunden. Einigen hat sie mit einem Schleifgerät und Farbe schon neues Leben eingehaucht. Upcycling ist das Hobby der 45-Jährigen. Es ist ihr Wunsch, dass die künftigen Bewohner es hier gemütlich haben. Auch Privatsphäre sei wichtig. „Das ist ein zu Hause, keine Unterkunft auf Zeit“, betont sie. „Das Wohlfühlen macht viel aus.“

Die resolute Sozialpädagogin stellt in dem gemieteten Altbau gerade das Projekt „Integrative Housing“ auf die Beine. Wohnsitzlose Menschen sollen hier eine Gemeinschaft und ein Heim finden, in dem sie sich neu orientieren und in das gesellschaftliche Leben zurückfinden können. Willkommen sind Obdachlose, Geflüchtete und andere, die alles verloren haben und bei null anfangen müssen. Später komme etwa eine Frau zur Besichtigung, die aus einer gewalttätigen Beziehung geflohen sei. 

Wohnprojekt in Schwaigern-Stetten: Erster Bewohner mit Hund eingezogen

Apfelbach kommt aus der Elternzeit, will sich mit ihrem Wohnprojekt ein berufliches Standbein aufbauen, erzählt sie. Dafür nimmt die Mutter einer kleinen Tochter vorübergehend auch persönliche, finanzielle Engpässe in Kauf. Langfristig soll sich das Projekt unter anderem von den Mieteinnahmen finanzieren, das Geld bekämen die Bewohner vom Amt. Bei den Renovierungsarbeiten bekommt sie zum Teil Freundschaftspreise. „Ich habe ganz tolle Unterstützung erfahren“, freut sie sich.

Obwohl es noch einiges zu tun und einzurichten gibt, ist die Nachfrage bereits groß. Über Mund-zu-Mund-Propaganda hat sich das WG-Konzept herumgesprochen. Die ersten zwei Bewohner sind am Montag eingezogen. Steffen Huber und sein Hund Carlos haben sich das Zimmer mit dem bodentiefen Fenster ausgesucht, weil der aufgeweckte Mischling gerne beobachtet, was draußen vor sich geht. „Ich finde das super“, sagt Huber über das Projekt, an dem er besonders den persönlichen Bezug zu Sabrina Apfelbach schätzt. „Man steht nicht ganz alleine da, wie auf der Straße.“ Seit der 43-Jährige aus Bretten vor rund zehn Jahren von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, war er in verschiedenen Zeiträumen wohnungslos, lebte zuletzt eineinhalb Jahre am Stück ohne festes Dach über dem Kopf. „Jetzt habe ich endlich wieder was Eigenes“, freut er sich. „Auch wenn es ein Zimmer in einer WG ist.“ 

In diesem alten Haus in der Hauptstraße in Schwaigern-Stetten entsteht gerade ein besonderes Wohnprojekt, in dem etwa Geflüchtete oder Wohnungslose ein zu Hause finden.
In diesem alten Haus in der Hauptstraße in Schwaigern-Stetten entsteht gerade ein besonderes Wohnprojekt, in dem etwa Geflüchtete oder Wohnungslose ein zu Hause finden.  Foto: Heil, Theresa

„Fundament festigen“: Sabrina Apfelbach hilft Bewohnern bei Bewerbungen

Die Bewohner können so lange bleiben, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen. Hier können sie ihr „Fundament festigen“, wie Steffen Huber es nennt. Der gelernte Konstruktionsmechaniker möchte sich nun auf Jobs bewerben. Dabei unterstützt ihn Sabrina Apfelbach. Die Sozialpädagogin hat sich ein kleines Büro im Haus eingerichtet. Von hier aus steht sie mit Rat und Tat zur Seite, begleitet bei Behördengängen, hilft bei Bewerbungsunterlagen und der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. 

Spannungen unter den Bewohnern könne es immer geben, das weiß Huber. „Man muss zusammenhalten“, findet er. Auch Sabrina Apfelbach ist sich bewusst, dass in ihrem Wohnprojekt Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Mentalitäten und Lebensgeschichten aufeinandertreffen. Bei den Besichtigungen achtet sie auf ihr Bauchgefühl. „Die sollen schon auch zusammenpassen.“ Ihr Hoffnung ist, dass die Bewohner die Gemeinschaft nutzen, zum Beispiel zusammen Feste feiern oder Plätzchen backen. „Meine Visionen gehen ins Unermessliche.“ Schließlich gehe es bei dem Projekt auch um Integration und Resozialisierung, es sei nicht nur „eine Aufbewahrungsgeschichte“. 

Auf mögliche Schwierigkeiten unter den Bewohnern will sie dennoch vorbereitet sein. Mit dem Sicherheitsdienst T-Security aus Heilbronn spricht sie gerade über eine mögliche Zusammenarbeit. Ihre Idee sei, dass die Mitarbeiter regelmäßig während ihrer Bürozeiten vorbeischauen und nach dem Rechten sehen. Das gebe sowohl Bewohnern als auch Nachbarn ein gutes Gefühl. Der Geschäftsführer der Firma „unterstützt das System total“, sagt sie. Aber es sei auch eine Frage des Geldes.  

Sozialpädagogin will Bedürftigen in Schwaigern ein Heim geben

Für die Gemmingerin ist die WG nicht nur ein Job, sondern ein Herzensprojekt. „Wir sind alle Mensch“, betont sie. Die Flüchtlinge hätten alles hinter sich gelassen, oft Schlimmes erlebt. „Wohnraum bieten ist das eine, aber wer fängt sie auf?“ Schneller als man denkt, könne jeder in einer ähnlichen Situation landen wie etwa auch Steffen Huber. „Das wohnungslose Leben ist ein hartes, raues Leben“, berichtet er. Mitten im Winter habe er bei minus 15 Grad einen kalten Entzug vom Alkohol gemacht. Das härtet ab. Auch sein treuer Begleiter Carlos braucht endlich einen Ort zum Ankommen. In seinen drei Lebensjahren habe er schon fünf Besitzer gehabt, der letzte sitze nun im Gefängnis. Huber freut sich, dass hier im idyllischen Stetten Felder und Wälder direkt vor der Tür sind, wo Hund und Herrchen spazieren gehen und zur Ruhe kommen können. 

Anderer Ansatz

Insgesamt 17 Leute kommen in der WG unter, jeder in einem eigenen Zimmer. Küchen und Bäder werden geteilt. Obwohl Gemeinschaft ein Aspekt dieses Projekts ist, sei wichtig, dass jeder seinen eigenen Rückzugsort hat, in dem er sich wohlfühlt. Dann seien die Menschen auch direkt viel kooperativer, sagt Sabrina Apfelbach. In vielen ähnlichen Unterkünften würden schwierige Zustände herrschen. „Da habe ich Dinge gesehen“, sagt Apfelbach. Auch Integrationsversuche fänden kaum statt. Das möchte sie mit ihrem Projekt anders machen. Wer alte Möbel hat oder anderweitig unterstützen will, kann sich unter sabrina.apfelbach@web.de melden. 

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