Zwei pfiffige Sekt-Schwestern mit viel Esprit
Carolin Stengel und Lisa Bahr aus Weinsberg-Gellmersbach lassen sich von der Champagne und den USA inspirieren. Ihr Vater ist ein hoch dekorierter Württemberger Sekt-Pionier.

Ihre Produkte entstehen im Kopf, für klar definierte Zielgruppen. Erst danach geht's in Weinberg, Keller und in die eigene Kreativ-Schmiede für Etiketten und Verpackung. Bei ihrem ersten eigenen Sekt haben sich Carolin Stengel (32) und ihre Schwester Lisa Bahr (30) 2011 in New York inspirieren lassen.
Die fruchtig-spritzige Cuvée namens "My" steht für die Glamourwelt und das Lebensgefühl von TV-Serien wie "Sex in the City". Inzwischen haben die beiden auch das Gegenstück zu bieten, einen absolut trockenen "Zero" "für richtige Kerle", wie sie sagen - oder etwa den "Casanova", eine Art Flirthilfe.
Viel mehr als nur ein Marketing-Gag
Was wie ein Marketing-Gag klingt, garantiert hohe Qualität. Die Sekte, die die Schwestern aus Gellmersbach seit 2011 kreieren, setzen den Produkten ihres mehrfach als bester deutscher Sekthersteller ausgezeichneten Vaters Horst Stengel die Krone auf.
Davon zeugen viele Preise und Medaillen, aber auch die Kundschaft: von diversen Feinschmecker-Adressen in München über das legendäre Berliner KDW bis zu Firmenkunden, die Stengel-Sekt in alle Welt verschicken. "Nur in die USA kommt man schwer rein, schwerer als nach Afghanistan." Inzwischen sind die Jungwinzerinnen gar auf Messen in Hongkong, Singapur oder Irland anzutreffen - in erster Linie aber in ihrer kreativ dekorierten Weinboutique, wo es auch Schmuck und Accessoires gibt.
Von der Küferei zum Top-Sekthaus
Daheim sind sie in Gellmersbach, wo sie mit den Eltern Horst und Ellen sowie Carolins Ehemann Wassili in sechster Generation die einst als Holzküferei gegründete Wein- und Sektkellerei Stengel führen. Vor 31 Jahren hat der Vater seine Leidenschaft professionalisiert und begann im heute zehn Hektar umfassenden Betrieb seines Vaters Otto "schäumenden Wein" zu produzieren: einen der ersten Württemberger Winzersekte überhaupt. Das Know-how holte sich der Weinbautechniker an der Weinbauschule Weinsberg, bei Sektpionier Fritz Huber und auf Exkursionen durch seine Traumregion, die Champagne.
So seien sie gleichsam zwischen knallenden Korken und schäumenden Getränken aufgewachsen, berichten die Töchter. Mit Mutter Ellen kümmert sich Lisa neben ihrem kaufmännischen Hauptberuf bei einem Anlagenbauer um Verkauf, Vertrieb und Marketing, "zum Ausgleich und weil's Spaß macht".
Lehrjahre führten bis in die Champagne
Carolin hat das Sektmachen von der Pike auf gelernt. Ihre um ein Jahr verkürzte Weinküferlehre in der WG Grantschen schloss die spätere Württemberger Jungwinzerin des Jahres als Bundessieger und als Jahrgangsbeste der gesamten Handwerkskammer Heilbronn ab.
Das Weinbau- und Oenologie-Studium verband Carolin natürlich mit einer Bachelor-Thesis über Sekt und mit einem Praktikum in der Champagne, wo sie hinter die Kulissen legendärer Betriebe blickte und das traditionelle Flaschengärverfahren perfektionierte.
Qualität hat ihren Preis
Ihre Erkenntnis: "Die kochen auch nur mit Wasser." Nichtsdestotrotz habe sie dort viel gelernt. Maßgebliche Erkenntnis: die Trauben in drei Fraktionen abpressen, sanft, mittel und stark. Die Grundweine lassen sich dann je nach Wunsch cuvéetieren. Wobei für Champagner nur drei Rebsorten erlaubt sind, Pinot Noir, Pinot Meunier und Chardonnay. "Wir sind da freier, können viel mehr spielen, mit Sorten und Frucht."
Das reizen die Stengel-Schwestern mit ihren 20 Sekten und 60.000 Flaschen im Jahr ganz schön aus. Bei Preisen von 14,90 bis 30,90 Euro sprechen Kenner - im Vergleich zu den großen Brüdern aus der Champagne - von Schnäppchen.
Wie Sekt entsteht
Die Weichen für den Sekt stellt Weinbautechniker Wassili Stengel im Wengert, wobei er von 30 Prozent der zehn Hektar auch Weine gewinnt. 40 bis 80 Kilogramm Trauben pro Ar − ein Drittel bis die Hälfte des erlaubten − werden früh geerntet, zwecks hoher Säure und gemäßigtem Zucker. Die handverlesenen Beeren werden in drei Fraktionen gepresst: sanft, mittel, stark. Es folgt die Gärung. Den Grundweinen werden nach dem Filtern im Tank Gärhefe und 24 Gramm Zucker/Liter zugesetzt.
Noch am selben Tag werden sie in Flaschen gefüllt und mit Kronkorken verschlossen, wo sie über die zweite Gärung in gut sechs Wochen Kohlensäure mit sechs Bar Druck entwickeln. Danach bleiben die Flaschen − je kürzer, desto fruchtiger − ein bis sechs Jahre liegen. Dann wandern sie aufs Rüttelpult, wo sich nach drei Wochen die Hefe im Flaschenkopf absetzt, so dass sie geeist als Pfropf entfernt wird. Danach wird je nach Gusto Traubenzucker-Dosage hinzugegeben, alles fest verkorkt und verdrahtet.