Stimme+
Region
Lesezeichen setzen Merken

Unterwegs mit leidenschaftlichen Anglern an der Jagst und am Neckar

   | 
Lesezeit  4 Min
Erfolgreich kopiert!

Der Mensch angelt seit der Steinzeit. Das bedeutet aber mehr, als Fische zu fangen und zu essen. Natur- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit spielen eine wichtige Rolle.

Sportsfreunde und Angelkollegen: Andreas Panzer (l.) und Thomas Horch an einem Jagstabschnitt in Untergriesheim.
Sportsfreunde und Angelkollegen: Andreas Panzer (l.) und Thomas Horch an einem Jagstabschnitt in Untergriesheim.  Foto: Angeln

Andreas Panzer und Thomas Horch bahnen sich ihren Weg durch die Brennnesseln. In den Händen halten sie die Angelruten, an ihren Hüften baumeln Käscher. Der Weg hinab zum Jagstufer am Rande von Untergriesheim ist steil. Es dämmert - eine vielversprechende Beißzeit, sagen die Angler vom Fischerei- und Sportangelverein Neckarsulm und Umgebung, der sieben Jagststrecken zwischen Möckmühl und Jagstfeld pachtet.

Thomas Horch, 57, ist zweiter Vorsitzender. Vor 26 Jahren hat er sein Hobby zum Beruf gemacht und führt seitdem Taho Angelgeräte in Untereisesheim. Andreas Panzer, 30, ist Beisitzer im Verein. Er verbindet seine große Angel-Leidenschaft mit seinem Vater, der ihn an die Aktivität herangeführt hat. Weder er noch Thomas Horch können sich daran erinnern, wann sie zuletzt einen Fisch gekauft haben.

Fische dürfen nicht zum Spaß geangelt werden

Schließlich sind sie dazu verpflichtet, ihren Fang mitzunehmen. "Beim Angeln gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder ich entnehme und esse den Fisch, oder ich fange ihn und setze ihn unter Beachtung der Schonmaße und -zeiten wieder schonend zurück", erklärt Thomas Horch. "Angeln ist nach dem Tierschutzgesetz nur dann zulässig, wenn die Fische für den Zweck der Ernährung oder zur Gewässerhege geangelt werden. Fische allein zum Spaß zu angeln, verstößt gegen das Tierschutzgesetz", heißt es dazu auf der Webseite des Deutschen Tierschutzbundes.

In Deutschland ist das Angeln ohne Fischereischein eine Straftat und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden. Je nach Bundesland variieren die Richtlinien. Bis auf wenige Ausnahmen ist das Angeln ohne Anglerschein in Baden-Württemberg laut Fischereigesetz (FischG) untersagt. Selbst wer den Schein nicht bei sich führt, muss bis zu 5000 Euro zahlen. Kontrollen in den hiesigen Gewässern werden von den Gewässerwarten durchgeführt, die von den Vereinen ernannt werden. Gastangler können beim Verein oder im Anglershop Tageskarten für bestimmte Gewässer erwerben.

Das Natur-Angel-Verhältnis muss stimmen

Thomas Horch gibt Einblick in eine seiner Ködersammlungen. Sie ähneln Fischchen, die größere Raubfische anlocken sollen.
Thomas Horch gibt Einblick in eine seiner Ködersammlungen. Sie ähneln Fischchen, die größere Raubfische anlocken sollen.  Foto: Angeln

"In Ländern wie Schweden oder Montenegro, in denen die Seen und Fließgewässer nahezu Trinkwasserqualität haben und sich die Fische bestens vermehren können, stimmt das Natur-Angel-Verhältnis", sagt Thomas Horch. In Deutschland leben jedoch mehr Menschen auf kleinerer Fläche. "Hier braucht es solche Spielregeln." Angeln setzt immer voraus, sich an einen Ehrenkodex zu halten: Fische, die sich in der Schonzeit befinden oder geschützt sind, dürfen nicht beangelt werden. Sollten sie dennoch anbeißen, werden sie schonend zurückgesetzt. Zum Anglervereinsleben gehört mehr als das bloße Entnehmen der Fische. Bei Arbeitseinsätzen werden unter anderem Fischeier ausgesetzt, Ufer und Gewässer gereinigt. "Zusammen mit der Fischhegegemeinschaft Jagst bauen wir Biotope als Schutz- und Laichmöglichkeiten für Fische, bauen Fischtreppen, um die Durchgängigkeit an den Wehren zu schaffen", zählt Andreas Panzer auf. "Wir fangen mit dem Naturschutz dort an, wo die meisten Naturschützer aufhören: unter der Wasseroberfläche." Wie Angeln und Nachhaltigkeit zusammenhängen? "Einsatz, Leidenschaft, Naturliebe", fasst Panzer zusammen.

Er und Thomas Horch haben es am Jagstufer auf Forellen abgesehen, die heimische Bachforelle oder die ursprünglich aus Amerika stammende Regenforelle. Zu Forellen hat Thomas Horch einen besonderen Bezug. Die "Muttertagsforelle", wie er sie nennt, war 2009 sein bester Fang. Mit 3,5 Kilo war sie die Größte, die je im unteren Jagst-Abschnitt gefangen wurde. Weil er so viel Hartnäckigkeit und Ehrgeiz in den Fang gelegt hatte, habe er das Tier spontan umarmt, erzählt Horch.

Andreas Panzer watet derzeit in voller Angler-Montur durch das flache Wasser. Die Strömung ist stark, die Algenblüte färbt den Fluss braun. Die Jagst verfügt über eine gute Wasserqualität, sagt Thomas Horch. Rund 30 verschiedene Fischsorten gibt es sowohl hier als auch im Neckar. Andreas Panzer wirft die Schnur wiederholt mit ruckartigen Bewegungen aus. Das Fliegenfischen ist eine Methode, für die es viel Geschick brauche und die man gut trainieren müsse, erklärt Thomas Horch, der vom Uferrand aus zusieht. Nach etwa zwei Stunden brechen die Angler auf - ohne Forellen. Von denen hat leider keine angebissen. Nicht einmal eine Schwarzmundgrundel - "und die nimmt jeden Köder", sagt Thomas Horch. Der Brack- und Süßwasserfisch ist über den Neckar in die Jagst eingezogen. Vor Jahren kam er aus dem Schwarzen und Kaspischen Meer in die Nord- und Ostsee. Seitdem breitet er sich massenhaft aus und bedroht die heimischen Fischarten. Zumindest gelten sie als schmackhafte Delikatesse.

Die heimischen Fischarten reduzieren sich

Wolfgang Sitter beim sogenannten Ansitzen am Neckar in Heilbronn:  „Angeln ist mehr als ein Hobby.“
Wolfgang Sitter beim sogenannten Ansitzen am Neckar in Heilbronn: „Angeln ist mehr als ein Hobby.“  Foto: Angeln

Der nächste Morgen: Auf Höhe des Freibades Richtung Wertwiesenpark in Heilbronn fischen Wolfgang Sitter und Hans Übel fast minütlich Grundeln aus dem Neckar. "Die heimischen Fischarten reduzieren sich", fasst Wolfgang Sitter den Trend zusammen. Im Neckar fühlen sich vor allem Karpfenartige wohl, Grundeln sollten hingegen entnommen werden. "Sie vermehren sich etwa dreimal im Jahr, diese Rate ist einfach zu hoch", sagt Sitter.

Hans Übel und er machen an diesem warmen Vormittag mit sich windenden Maden als Köder Jagd auf die Grundeln. In einem mit Wasser gefüllten Eimer flottieren die gefangenen Fische. Sitter greift ins Wasser und holt ein Tier heraus. Ein gezielter Schlag mit einem Knüppel macht es bewusstlos. Wolfgang Sitter notiert Größe und Gewicht für die Bestandsdokumentation. "Der Ertrag entspricht einem Drittel des eigentlichen Bestandes", erklärt er. Dann wird zugestochen. Wolfgang Sitter öffnet den Fischmagen. Das gibt Aufschluss über die Mahlzeiten des Fischs: Krebse und Muscheln.

Angeln ist mehr als ein Hobby

Jede Menge Schwarzmundgrundeln: Die kleinen Fische vermehren sich bis zu dreimal im Jahr und werden zur Plage.
Jede Menge Schwarzmundgrundeln: Die kleinen Fische vermehren sich bis zu dreimal im Jahr und werden zur Plage.  Foto: Angeln

Das Angeln als reines Hobby zu bezeichnen, lehnt Sitter ab. "Man fängt einen Fisch nicht nur aus Spaß. Angeln ist eine Aufgabe", sagt Wolfgang Sitter. Dennoch: Eine Aufgabe, die Entspannung mit sich bringt, und bei der man zur Ruhe kommt - da sind sich die Befragten einig. "Nur selten wird es stressig", ergänzt Hans Übel, der dem Fischereiverein Sontheim mit seinen 161 Mitgliedern vorsitzt.

Ruhe und Entspannung, das sind vielleicht die wesentlichen Beweggründe, warum das Angeln seit einigen Jahren immer beliebter wird. In seiner Funktion als Ausbildungsleiter des Landesfischereiverbands Baden-Württemberg gibt Wolfgang Sitter den Neueinsteigern vor allem eines zu bedenken: "Man muss sich bewusst sein, was man mit dem Fisch hinterher macht, wenn man ihn geangelt hat."

 
Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben