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Zivilcouragepreis würdigt Helfer für "beherztes, mutiges und spontanes Eingreifen"

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Sie haben Trickbetrüger überführt, Schlägereien unterbunden, Unfallverursacher verfolgt und Menschen wiederbelebt: Nun wurden die Helfer für ihren mutigen Einsatz beim Zivilcouragepreis 2022 ausgezeichnet.

Die Geehrten zwischen den Kooperationspartnern beim Zivilcouragepreis 2022. Zehn Preisträger wurden in insgesamt acht Fällen ausgezeichnet. 
Fotos: Ralf Seidel
Die Geehrten zwischen den Kooperationspartnern beim Zivilcouragepreis 2022. Zehn Preisträger wurden in insgesamt acht Fällen ausgezeichnet. Fotos: Ralf Seidel  Foto: Seidel, Ralf

Jenny Kuhfs trainierte mit einer Badmintongruppe in der Mönchsee-Sporthalle Heilbronn, als sie ein Poltern und Stöhnen vernahm. "Ich hatte ein komisches Bauchgefühl", sagt sie. Sie ließ nicht locker, folgte dem Geräusch und stieß hinter der Tür der Umkleide auf eine offene Revisionsklappe. Ein Mann, mit einem Stromkabel um seinen Hals gewickelt, war im Begriff, sich zu erhängen. Jenny Kuhfs griff geistesgegenwärtig ein und rettete dem Mann das Leben. "Ich habe nicht viel darüber nachgedacht", sagt sie. Ähnliche Schilderungen machen Pia Haehnel aus Cleebronn und Michele Mari Szmorlowski aus Neckargartach. Sie belebten einen verunfallten Fahrer wieder. "Wir arbeiten in der Pflege und kennen uns mit Notsituationen aus. Man funktioniert einfach."

Mit beherztem und spontanem Eingreifen Haltung gezeigt

Die Frauen sind drei von insgesamt zehn Preisträgern beim Zivilcouragepreis 2022, den die Heilbronner Bürgerstiftung, der Verein Sicher im Heilbronner Land, die Polizei und die Heilbronner Stimme im Großen Ratssaal des Heilbronner Rathauses verliehen haben. In acht Fällen 2022 wurden die Preisträger mit insgesamt 2800 Euro belohnt. Ihr beherztes, mutiges und spontanes Eingreifen habe Schlimmeres verhindert, sie hätten Rückgrat und Haltung gezeigt, lobte der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel in der Feierstunde, die ein Quartett des Landespolizeiorchester umrahmte. "Wären wir in einer vergleichbaren Lage, würden wir uns auch wünschen, dass uns geholfen wird."

Die Beispiele der Preisträger machten Mut, und "Mutmacher können wir nie genug haben". Nicht nur der Staat sei dafür verantwortlich, dass sich die Menschen sicher und wohl fühlen, so Mergel, sondern "alle sind gefordert, hinzuschauen und sich einzumischen". Und doch komme es immer wieder vor, dass nicht eingegriffen wird, gab Polizeivizepräsident Thomas Schöllhammer zu bedenken. Gleichgültigkeit und von einem Vorfall keine Notiz zu nehmen, sei ein verheerendes Signal für Opfer.

 


Gesetzeslage ist eindeutig: Man muss helfen

Schöllhammer erinnerte auch daran, dass die Gesetzeslage klar geregelt sei: "Man muss helfen, sonst kann man strafrechtlich belangt werden." Bemerkenswerte Fälle wie die der zehn Preisträger verdienen es daher umso mehr, in der Öffentlichkeit kundgetan zu werden, betonte Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer, der Helfer und Sachverhalte vorstellte sowie durch den Abend führte.

Alle Helfer haben spontan eingegriffen

Spontanität charakterisiert alle Preisträger, die ausgezeichnet wurden. Frank Hiller, der einen Unfallverursacher auf der Autobahn verfolgte, Verena Küppers, die eine betrunkene Autofahrerin überführte, ein Pärchen, das Graffiti-Sprüher verfolgte und der Polizei meldete oder die Brackenheimer Bankangestellte Carmen Holz, die einen Telefonbetrug vereitelte, bei dem eine Seniorin um 30.000 Euro gebracht werden sollte. "Der Vorteil auf dem Land ist, ich kenne meine Kunden", sagt sie.

Die Dame sei ihr an jenem Tag verunsichert vorgekommen, habe ständig auf den Boden geschaut. Anstatt das Geld auszuzahlen, verständigte Carmen Holz den Sohn der Dame sowie die Polizei. Mut zeigte auch die Reinigungskraft Nataliya Kail, die eine Schlägerei vor der Otto-Klenert-Realschule in Bad Friedrichshall bemerkte. Mehrere Jungen schlugen auf einen 14-Jährigen ein. Noch mit ihrem Wischmopp in der Hand ging sie beherzt auf die Angreifer zu und rief die Polizei. Gegen drei der Beschuldigten wurde Haftbefehl erlassen.

Harry Mergel, Sozialbürgermeisterin Agnes Christner, Tilmann Distelbarth, Verleger und Geschäftsführer der Stimme Mediengruppe, Lisa Maria Klesse als Leiterin des Polizei-Referats Prävention, Polizeivizepräsident Thomas Schöllhammer, Hans Becker, 2. Vorsitzender des Vereins Sicher im Heilbronner Land sowie Angelika Biesdorf und Thomas Schick von der Heilbronner Bürgerstiftung überreichten die Auszeichnungen.


Die Fälle im Überblick

Unfallopfer reanimiert

Pia Haehnel aus Cleebronn und Michele Mari Szmorlowski aus Neckargartach waren mit ihren Begleitern auf der Mannheimer Straße in Richtung Europaplatz unterwegs. Ein Fahrzeug überholte sie mit überhöhter Geschwindigkeit und prallte wenig später gegen einen Baum. Die beiden Preisträgerinnen begannen sofort, sich um die zwei Verletzten zu kümmern. Den Fahrer mussten sie reanimieren, bis die Rettungskräfte eintrafen. Preisgeld: jeweils 300 Euro.

 

Festnahme nach Telefonbetrug

Vermutliche Polizeibeamte meldeten sich bei der Preisträgerin in Heilbronn. Es handelte sich um einen sogenannten Schockanruf, bei dem die Täter einen schweren Verkehrsunfall vortäuschten, den ihre Tochter verursacht haben soll, und einen hohen fünfstelligen Betrag forderten. Die Preisträgerin durchschaute den Betrugsversuch und informierte ihren Sohn, der die Polizei verständigte. Die Frau ging zum Schein auf die Forderungen ein und willigte nach Rücksprache mit den eingetroffenen Beamten der Kriminalpolizei einer fingierten Geldübergabe ein. So konnte ein 18-Jähriger festgenommen werden, als der das Geld abholen wollte. Preisgeld: 400 Euro.

 

Telefonbetrug vereitelt

Als die Bankangestellte Carmen Holz aus Brackenheim einer 82-Jährigen 30.000 Euro auszahlen sollte, wurde sie misstrauisch. Sie verständigte den Sohn der Dame sowie die Polizei. Wie sich herausstellte, hatten zuvor Telefonbetrüger versucht, mit einem Schockanruf die Rentnerin um ihr Erspartes zu bringen. Preisgeld: 200 Euro.

 

Suizid verhindert

Sie trainierte mit einer Badmintongruppe in der Mönchsee-Sporthalle in Heilbronn, als Jenny Kuhfs zunächst ein Poltern vernahm. Sie schaute in der angrenzenden Umkleide nach, wo hinter der Tür eine Revisionsklappe offen stand. Dort entdeckte sie einen jungen Mann, der mit einem Stromkabel um seinen Hals gewickelt auf einer Leiter stand. Jenny Kuhfs stieg geistesgegenwärtig die Leiter hoch, befreite den Mann vom Stromkabel und verhinderte dessen Sprung in vier Meter Tiefe. Anschließend verständigte sie die Rettungsleitstelle. Preisgeld: 300 Euro.

 

Betrunkene Autofahrerin überführt

Verena Küppers aus Heilbronn-Biberach fuhr von Kirchhausen nach Biberach. Ein Fahrzeug vor ihr fuhr in Schlangenlinien, so dass der Verdacht nahe lag, dass die Fahrerin alkoholisiert sein könnte. Sie folgte dem Wagen bis zum Parkplatz eines Discounters und verständigte die Polizei. Nach einer detaillierten Personenbeschreibung kontrollierte die Polizei die Frau. Diese hatte tatsächlich einen hohen Atemalkoholwert, weshalb sie anschließend zur Blutentnahme musste und ihr Führerschein beschlagnahmt wurde. Preisgeld: 200 Euro.

 

Unfallverursacher gestellt

Frank Hiller aus Mundelsheim war mit seiner Familie auf der A81 zwischen Ellhofen und Untergruppenbach unterwegs, als er Zeuge einer Unfallflucht wurde: Ein BMW-Fahrer scherte zum Überholen eines Lkw aus, übersah dabei aber einen VW-Bus. Die Fahrerin des Busses wich ihm instinktiv aus und kollidierte deshalb mit einem Mercedes auf der linken Fahrspur. Der BMW-Fahrer flüchtete. Frank Hiller verfolgte den Unfallverursacher über viele Kilometer bis der Sohn des Preisträgers mit seinem Smartphone Bilder von ihm und seinem Fahrzeug machen konnte. Anschließend fuhr Frank Hiller zu der Unfallstelle zurück, um sich um die Beteiligten zu kümmern und sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Preisgeld: 300 Euro.

 

Übergriff verhindert

Sie war gerade am Putzen, als Nataliya Kail vor der Otto-Klenert-Realschule in Bad Friedrichshall eine Auseinandersetzung bemerkte. Um die neun Jugendlichen haben dort einen 14-jährigen Schüler abgepasst, schlugen auf ihn ein und traten ihn am Kopf, als er am Boden lag. Nataliya Kail ging beherzt mit ihrem Wischmopp in der Hand auf die Angreifer zu, forderte sie dazu auf, aufzuhören und verständigte die Polizei. Die Gruppe ließ daraufhin von dem Jugendlichen ab. Eine eingerichtete Ermittlungsgruppe konnte alle Beteiligten identifizieren und zur Anzeige bringen. Gegen drei der Beschuldigten wurde Haftbefehl erlassen. Preisgeld: 400 Euro.

 

Graffiti-Sprayer überführt

Als ein junges Paar am frühen Samstagmorgen in der Heilbronner Innenstadt nach Hause kam, bemerkte es vier Jugendliche, die ein Gebäude mit Graffiti besprühten. Das Paar folgte den Sprayern daraufhin und verständigte die Polizei. So wurden weitere Farbschmierereien ausfindig gemacht. Preisgeld: jeweils 200 Euro.

 
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