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Wie sinnvoll ist der Einsatz von Augmented Reality im Produktionsprozess?

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Eine Studie zeigt, dass Beschäftigte Aufgaben in der Produktion schneller erledigen können, wenn sie mit einer AR-Brille angeleitet werden. Der Einsatz von AR hat aber auch Nachteile und kann Innovationspotenzial hemmen.

von Annika Heffter
Wenn Anweisungen über AR-Brillen erfolgen, können Arbeiter eine neue, komplizierte Aufgabe um fast 44 Prozent schneller erledigen als mit Anweisungen auf Papier.
Foto: Gorodenkoff/stock.adobe.com
Wenn Anweisungen über AR-Brillen erfolgen, können Arbeiter eine neue, komplizierte Aufgabe um fast 44 Prozent schneller erledigen als mit Anweisungen auf Papier. Foto: Gorodenkoff/stock.adobe.com  Foto: Gorodenkoff

Wer den Weg nicht kennt, greift heutzutage meist völlig selbstverständlich zum Navigationsgerät. Man tippt die Adresse ein und kommt - zumindest meistens - auf dem schnellsten Weg ans Ziel. Aber: Wer würde dieselbe Strecke danach auch ohne Navi abfahren können? In vielen Fällen muss man sich eingestehen, dass man sich komplett auf die Technik verlässt, den Weg nicht verinnerlicht hat und zum Beispiel nicht mehr genau weiß, aus welcher Richtung man in eine fremde Stadt hineingefahren ist.

Diese Situation beschreibt Professor David Wuttke von der Technischen Universität München (TUM) in Heilbronn, um die Ergebnisse seiner neuen Studie zu verdeutlichen. Statt mit Navigationsgeräten befasst diese sich jedoch mit einer recht neuen Technologie, die in immer mehr Bereichen eingesetzt und getestet wird: Augmented Reality (AR; deutsch: Erweiterte Realität). Im Gegensatz zur Virtuellen Realität (VR) nimmt man beim Einsatz von AR die reale Umwelt weiterhin wahr. Sie wird lediglich durch virtuelle Elemente ergänzt. Meist haben AR-Nutzer eine Brille auf, über die sie diese virtuellen Elemente sehen.

Anweisungen erfolgen Schritt für Schritt über Pfeile oder Abbildungen

Professor Wuttke hat sich in seiner Studie mit einem konkreten Anwendungsbereich von AR beschäftigt, nämlich mit Produktionsprozessen in Unternehmen. Genauer gesagt, erklärt Wuttke, heißt das: Hat ein Beschäftigter eine Aufgabe, "zum Beispiel, den Flügel eines Flugzeugs zusammenzubauen", kann AR dazu genutzt werden, ihm die Anweisungen Schritt für Schritt zu zeigen, etwa über Pfeile, Abbildungen und Instruktionen, die dem Arbeiter über die Brille eingeblendet werden.

Die Fragen, die sich der TUM-Professor dabei gestellt hat: Wird der Produktionsprozess auf diese Weise schneller, effizienter, besser? Wie nachhaltig ist der Lernprozess des Arbeiters? Tritt derselbe Effekt wie bei den Navigationsgeräten auf, wenn die Aufgabe anschließend ohne AR-Brille durchgeführt werden soll? Aus Manager-Perspektive, sagt Wuttke, komme auch die Frage dazu: "Lohnt es sich, AR in Produktionsprozessen einzusetzen? Welche Probleme löse ich damit und welche können entstehen?"


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Anwendung von AR hat Vor- und Nachteile

 Foto: privat

In dem Feldexperiment, das Wuttke in einem Fertigungsbetrieb durchgeführt hat, zeigt sich: Arbeiter, die eine für sie neue Aufgabe unter Anleitung einer AR-Brille durchführten, benötigten fast 44 Prozent weniger Zeit dafür als die Kontrollgruppe, die Anweisungen auf Papier bekam. Dabei kommt es auch darauf an, wie schwierig die Aufgabe ist, die erledigt werden soll. Je komplexer sie ist, desto mehr profitierten die Arbeiter von AR-Anweisungen.

"Mehr als 40 Prozent, das ist eine massive Output-Steigerung", erklärt Wuttke. Sobald die Gruppen eine Aufgabe mehrmals ausführen, gleiche sich die Geschwindigkeit allerdings an. "Der Einsatz von AR ist also besonders bei komplizierten Aufgaben, die nicht so häufig wiederkehren, vorteilhaft", fasst Wuttke zusammen.

Bei derselben Aufgabe ohne Hilfsmittel ist die Papier-Gruppe schneller

Doch auch den eingangs beschriebenen Navi-Effekt beobachtet der TUM-Professor in der Studie: Sobald die Aufgaben ohne Papier oder AR-Brille ausgeführt werden sollen, ist die analoge Gruppe schneller. Die Arbeiter, die zuvor die Anweisungen über die AR-Brille bekamen, brauchen 23 Prozent mehr Zeit als die Papier-Gruppe. "Man kann also sagen, dass diejenigen, die mit AR-Lösungen gearbeitet haben, die Aufgabe nicht so stark verinnerlicht haben wie die papierbasierte Kontrollgruppe", sagt David Wuttke.

Die Studie des Professors zeigt außerdem, dass der Einsatz von AR sich auch auf die Optimierung von Prozessen und die Innovationskraft auswirkt. So, erklärt Wuttke, habe die Gruppe, die Anweisungen auf Papier bekam, am Ende bessere Vorschläge geliefert, wie der Produktionsprozess optimiert werden könnte. "AR hat Stärken. Die Geschwindigkeitssteigerung ist gigantisch. Unternehmen müssen sich nur fragen: Wie wichtig ist mir Optimierung und Innovationspotenzial?", resümiert Wuttke. Von den Ergebnissen der Studie, sagt er, könne man auch lernen, wie AR-Anwendungen künftig verbessert werden könnten, zum Beispiel, um einen nachhaltigeren Lerneffekt zu erzielen.

Forschung

Professor David Wuttke forscht an der TUM School of Management am Campus Heilbronn unter anderem zu Digitalisierungsthemen. An der AR-Studie waren neben dem Forschungsteam der TUM auch die University of Wisconsin-Madison und das Mainzer Zentrum für psychische Gesundheit im Alter beteiligt.

 
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