Wie die Experimenta die Corona-Zwangspause nutzt
Still feiert die Experimenta ihren ersten Geburtstag nach der Neueröffnung Ende März 2019, in selbst auferlegter Quarantäne: Wegen der Corona-Krise wurden am 6. März die Türen für Gäste früh geschlossen. Doch hinter den Kulissen tüfteln Mitarbeiter schon an neuen Angeboten.

Über eine Zahl können sich alle freuen: 318.721 Gäste strömten im ersten Jahr nach dem Um- und Neubau in Deutschlands größtes Science Center. Rekord. Für Geschäftsführer Dr. Wolfgang Hansch ist es "eine sehr gute Zahl". 250.000 plus X hatte er als Jahresziel ausgegeben. Im Januar und Februar besuchten jeweils mehr als 30.000 Gäste die Wissens- und Erlebniswelt, dann kam der radikale Schnitt. Aus jetziger Sicht "war es die richtige Entscheidung", sagt Hansch. Man habe "zum Glück" keine Krankheitsfälle unter den Mitarbeitern.
Die Corona-Krise bringt einiges durcheinander. Ende April sollte eine besondere Tiefsee-Ausstellung des Naturhistorischen Museums in New York in der Experimenta eröffnet werden. Die Container mit vielen Ausstellungsexponaten hängen im Hafen von Antwerpen fest. Wolfgang Hansch weiß nicht, wann die Ausstellung gezeigt werden kann, nach Heilbronn ist sie in Estland fest eingeplant. Gespräche laufen. Vielleicht wird alles auf 2021 verschoben.
Was jetzt noch läuft? Fast alle Mitarbeiter sind ins Homeoffice gewechselt, bis auf Techniker und Handwerker, die Exponate reparieren und Wartungsarbeiten erledigen. "Es geht jetzt tagsüber, was sonst nur in Abend- und Nachtstunden möglich ist", erklärt Hansch.

Pädagogische Konzepte werden überarbeitet, eine Info-Broschüre für Lehrer wird erarbeitet, man bietet Online-Workshops über 3-D-Druck oder spezielle Computersprachen an. Zudem sollen Videosequenzen, Bilder und Wissenshappen auf der Homepage einen Blick hinter die Kulissen ermöglichen - auch in Zeiten verriegelter Türen. Am Sommerferienprogramm wird ebenfalls derzeit gearbeitet.
Desinfektionmittel und 8800 Paar Schutzhandschuhe an SLK-Kliniken gespendet
Unterdessen hat das Science Center die SLK-Kliniken mit einer besonderen Spende unterstützt. 8800 Paar Schutzhandschuhe für Laborkurse, die jetzt ausfallen, und derzeit nicht benötigte Desinfektionsmittel und -tücher wurden übergeben. "Das ist ein Gebot der Stunde, ein kleiner Beitrag zur Bewältigung der enormen Herausforderungen in unseren Kliniken", erklärt Hansch.
Im Maker Space, der Plattform für Tüftler und Kreative, läuft ein weiteres Hilfsprogramm. Ein Team um Mitarbeiter Jonathan Günz stellt im Akkord Gesichtsschutzmasken in den sechs 3-D-Druckern für medizinisches Personal her. Über eine Anleitung eines Spaniers im Internet wurde Günz darauf aufmerksam, ein befreundeter Notarzt zeigte großes Interesse, nahm gleich 40 Stück ab. Jetzt produziert jeder Drei-D-Drucker 30 Masken am Tag. Das Rote Kreuz will ebenfalls die Qualität testen, eine Rundmail an Ärzte und Zahnärzte in der Region ist verschickt.

Eine Folie in A4-Größe wird dabei an einem Kunststoff-Gestell befestigt und mit einem Gummizug am Kopf festgespannt. "Es ist ein gutes Gefühl", sagt Günz zu dem Hilfseinsatz. Wenn es zudem noch Leben rette, sei es "einfach cool".
Wiedereröffnung zunächst mit beschränkter Besucherzahl
Zur Vorgehensweise im Land, soziale Kontakte so gering wie möglich zu halten, sieht Hansch keine Alternative. Das Thema Corona werde auch die Experimenta wohl noch das ganze Jahr begleiten. Gleichwohl hofft er, vor den Sommerferien die Türen wieder öffnen zu können. "Wir glauben fest daran." Aber: Auch dann werde man großen Wert auf den Schutz von Mitarbeitern sowie Gästen legen, die Besucherzahl beschränken, damit ausreichend Abstand möglich ist. "Es wird in sehr reduziertem Modus stattfinden." Und: Das Thema Coronavirus, Impfstoffe und seriöse wissenschaftliche Forschung soll in der Experimenta dann auch gleich thematisch aufbereitet werden.
Info
Das Online-Angebot der Experimenta ist unter www.experimenta.science abrufbar.
450-Euro-Kräfte
Was passiert mit den mehr als 300 450-Euro-Kräften in der Experimenta, die als Besucherbetreuer arbeiten? Im März habe man im Haus noch Arbeit gefunden, im April müsse man weiter überlegen, sagt Geschäftführer Wolfgang Hansch. Man bemühe sich, eine Stammmannschaft bei der Stange zu halten. Denn: Die Besucherbetreuer "sind das Gesicht der Experimenta".