Welche Heilbronner von Armut gefährdet sind
Die Not am unteren Rand nimmt in der Stadt und im Landkreis Heilbronn zu. Das bestätigen Menschen, die mit Betroffenen zu tun haben: bei der Aufbaugilde, bei der Diakonie oder bei der Mitternachtsmission.

8307 Menschen leben in Heilbronn von Hartz IV, 11.000 im Landkreis Heilbronn. "Das sind insgesamt fast so viele, wie Neckarsulm Einwohner hat", sagt Hannes Finkbeiner, Geschäftsführer der Aufbaugilde.
Täglich mit dem Mangel konfrontiert ist auch Erika Kulmus-Dietrich von der Schwangerenberatung der Diakonie in Heilbronn. "Wir haben sehr viele Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, das hat zugenommen." Die Diakonie setzt auf Nachhaltigkeit, verteilt Lebensmittelgutscheine nur, wenn sie vorher geprüft hat, woher die Not kommt, ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft, alle Anträge gestellt sind. Denn wissenschaftliche Studien belegen, dass es bis zu 60 Prozent mehr Menschen gibt, die einen Anspruch auf Leistungen haben, als die, die ihn geltend machen. Scham oder Unwissenheit spielen eine Rolle.
Viele leben unter dem Radar von Hartz IV
Dazu kommt die Not derer, die noch unter dem Radar von Hartz IV leben, etwa EU-Zuwanderer. "Wer noch nicht lange genug in Deutschland war, hat keine Ansprüche", sagt Finkbeiner. Der Europäische Hilfsfonds Ehap-Abine unterstützt deshalb benachteiligte Unionsbürger, auch im Stadt- und Landkreis Heilbronn, die unter Armut leiden. Bei der Aufbaugilde waren das 850 Menschen seit 2018.
Auch Alexandra Gutmann, Leiterin der Mitternachtsmission, hat mit Menschen zu tun, die nicht Hartz-4 berechtigt sind. Menschen aus den neuen EU-Ländern wie Bulgarien oder Rumänien, Straßenprostituierte. "Das ist eine riesige Not und bei uns ständig Thema."
Die richtigen Programme zu finden, die Anträge zu stellen, gerade jetzt, wo viele Beratungen aufgrund des Lockdowns reduziert hätten, sei schwer.
Eigentlich ist die Ausstattung an Arbeitsplätzen im Stadt- und Landkreis Heilbronn gut, vor allem im produzierenden Gewerbe. Die Arbeitslosenquote im Landkreis liegt mit 2,8 Prozent laut statistischem Landesamt 2019 unter dem Landesschnitt von 3,2. Stadtkreise haben generell eine vergleichsweise höhere Arbeitslosenquote, 4,7 Prozent beträgt sie in Heilbronn. Eine Ursache dafür sieht die Behörde darin, dass in "Stadtkreisen mehr Einwohner mit ausländischer Staatsangehörigkeit leben, die generell einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt sind", so Simone Ballreich in einem statistischen Porträt.
Dass die Zahl der Arbeitslosen derzeit kräftig ansteige, sei der Coronakrise geschuldet, sagt Mario Keller, Sprecher der Agentur für Arbeit in Heilbronn.
Erwerbstätigkeit schützt nicht zwangsläufig vor Armut
Im Geringverdienersektor gilt allerdings: Erwerbstätigkeit schützt nicht zwangsläufig vor Armut. Gefährdet sind unter anderem Kinder und Alleinerziehende. "Wir führen eine Statistik, von was die Frauen vor und nach ihrer Trennung gelebt haben", sagt Alexandra Gutmann über die Bewohnerinnen des Frauenhauses der Mitternachtsmission. "Fast alle rutschen in Hartz IV." Teils lasse lässt sich nach langem Kampf der Rechtsanspruch gegen den Mann durchsetzen. Dass er freiwillig Unterhalt zahle, passiere so gut wie nie.