Weinbau im Nebenerwerb: Immer mehr Winzer räumen ihre Steillagen
Weil die Schere zwischen Ertrag und Kosten immer weiter auseinandergeht, trennen sich immer mehr Winzer im Nebenerwerb von unrentablen Lagen.

Seit 15 Jahren zeugt die Metallskulptur des Künstlers Jochen Schukraft am Hundsberg vom mühsamen Geschäft der Wengerter in den steilen Lagen bei Untergruppenbach. Sie könnte bald nicht viel mehr als eine bloße Reminiszenz an vergangene Tage sein - und das nicht nur im Schatten der Burg Stettenfels, sondern in der ganzen Region. Das zumindest befürchtet mancher Winzer im Nebenerwerb. Denn die Arbeit im Weinberg macht sich für sie immer weniger bezahlt.
"Wenn sich die jetzige Situation nicht grundlegend ändert, wird sich unsere Kulturlandschaft dramatisch verändern", ist Norbert Weinert überzeugt. "Bei den aktuellen Auszahlungspreisen sehe ich keine Zukunft mehr für unsere Jungwinzer", malt der 65-jährige aus Donnbronn ein düsteres Zukunftsbild. Weinerts Familie bewirtschaftet in Donnbronn im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Schwerpunkt Weinbau, ist Vollablieferer in zwei Genossenschaften. "Wir hängen mit Herzblut an unseren Weinbergen", sagt er. "Aber auch wir verabschieden uns von gewissen Steillagen." Die Situation des Weinbaus sei in ihren möglichen Auswirkungen auf die Branche vergleichbar "mit den Zeiten unserer Vorfahren bei der Einschleppung von Reblaus und Pilzkrankheiten".
Weinkonsum: Konkurrenz aus dem Ausland setzt den Preis unter Druck
Die Ursachen für die derzeitige Situation seien vielfältig, sagt sein Fleiner Kollege Holger Schaible, der auch Mitglied im Aufsichtsrat der Genossenschaftskellerei Heilbronn ist: "Generell ist der Weinkonsum in Deutschland schon seit rund fünf Jahren rückläufig. Und der hiesige Markt war schon immer ein großer Importmarkt." Weil viele ausländische Produzenten in diesen Markt drängten, stehe auch der Weinpreis unter entsprechendem Druck. "Davon profitieren vor allem die ausländischen Weine im Preissegment unter drei Euro", weiß Schaible.
Der Marktanteil von deutschem Wein liege dagegen inzwischen bei nurmehr 44 Prozent. "Auf der einen Seite haben wir Winzer ein Minus von zehn bis 15 Prozent beim Erlös. Und auf der anderen stehen Kostensteigerungen im Bereich von rund zehn Prozent. Die Marge schrumpft also immer mehr."
Steillagen-Weine müssten deutlich teurer sein
Der gängigen Praxis in der freien Wirtschaft könne man als Weinbauer nicht folgen, betont Schaible: "Wir können unsere Produktion ja nicht einfach in Billiglohnländer verlagern. Die gesamte Wertschöpfungskette des regionalen Weinbaus findet ausschließlich vor Ort statt."
Bei den Handarbeitslagen mit ihrem geringeren Ertrag sei die Lage noch prekärer: "Damit es sich unterm Strich auch lohnt, müsste die Flasche hier mindestens zehn Euro kosten", verdeutlicht Holger Schaible. Das sei das Gros der Kunden aber nicht bereit zu zahlen.
Kaufverhalten entscheidet über Erhalt der Kulturlandschaft mit
Dass die Menschen an der Supermarktkasse aufs Geld schauen, dafür haben Weinert und Schaible angesichts der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Lage auch durchaus Verständnis. Letztlich liege es aber in deren Hand: "Jedes Glas heimischer Wein ist ein Stück Kulturlandschaft", sagt Norbert Weinert. Und über deren Erhalt entscheide letztlich auch der Konsument durch sein Kaufverhalten ein großes Stück weit mit. "Dieses Bewusstsein muss wieder geschärft werden", findet Norbert Weinert.
Von einem Stück dieser Kulturlandschaft hat er sich kürzlich schweren Herzens getrennt: Seinen Wengert am Hundsberg hat Weinert mit Hilfe von Kollegen und dem "Binger Seilzug", einer an einem 60 Jahre alten Schlepper befestigten Spezialwinde für den Weinbau, geräumt. 40 Jahre lang hat er die 45 Ar große Fläche mit rund 35 Prozent Neigung bewirtschaftet. Was nun mit ihr geschieht, weiß er noch nicht, neu bepflanzen wird er sie wohl nicht mehr. Auch als Standort einer Photovoltaikanlage sieht er die Fläche nicht, Tierhaltung könne er sich dort aber durchaus vorstellen. Falls sich ein entsprechender Interessent findet.
Steillagen-Weinanbau: Es wird immer schwieriger, Pächter zu finden
Von den insgesamt rund 28.000 Hektar Rebfläche in Baden-Württemberg entfallen gut 7000 Hektar auf Steillagen, die eine Hangneigung von mehr als 30 Prozent aufweisen müssen. Von diesen 7000 Hektar wiederum sind rund 1000 Hektar terrassierte Mauerweinberge. Dass dieser Flächenanteil immer weiter zurückgeht, liegt auch daran, dass es immer schwieriger wird, Pächter zu finden: "Früher standen die Interessenten Schlange, heute stehen an vielen Wengerten Schilder, dass die Fläche pachtfrei abzugeben ist", schildert Norbert Weinert. Das einstige Privileg, in den Steillagen Wein anbauen zu dürfen, sei inzwischen eine Bürde, glaubt er.