Weinbau in der Krise wegen sinkendem Konsum und steigenden Kosten
Für viele Wengerter rentiert sich der Weinbau derzeit nicht mehr. Bürokratie macht alles noch komplizierter. Kein Wunder, dass viele auf die Straße gehen.
Württemberg wähnte sich lange auf einer Insel der Seligen, weil im Ländle früher mehr Wein getrunken als produziert wurde. Zeitweise bekam man eine bestimmte Sorte nur, wenn man als Kunde auch eine andere mitnahm. Doch Wein ist kein Selbstläufer mehr: vor allem wegen der Globalisierung der Märkte und einem daraus resultierenden Konkurrenzdruck.
Zum anderen aber auch, weil die treuen Viertelesschlotzer und Besenhocker aussterben. Vor allem jüngere Genießer sagen sich: Weniger ist mehr, gesünder, sicherer. Gleichzeitig gibt es in Deutschland immer mehr Menschen, die aus religiösen Gründen auf Alkohol verzichten.
Deutsche trinken pro Kopf im Jahr eine Flasche weniger
So ist der Pro-Kopf-Verbrauch auf 19,2 Liter pro Jahr gesunken. 2022 und 2023 wurde im Schnitt pro Kopf jeweils eine Flasche weniger konsumiert. Dies lag wohl auch daran, dass die Verbraucher wegen der aktuellen Wirtschaftskrise, Kriegen und allgemeiner Verunsicherung sparen, vor allem bei Genussmitteln.
Deutschlandweit wurde 2023 zehn Prozent weniger Wein verkauft als 2022, im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), wo Württemberger stark vertreten ist, gar 16 Prozent. Schuld daran könnten auch moderate Preiserhöhungen von meist zehn Prozent sein. Denn preisbewusste Verbraucher greifen mehr denn je zu billiger Importware. Ein Trend, der vom Lebensmittelhandel zum Ärger der Winzer mit Billig-Angeboten befeuert wird.
Betriebskosten gehen durch die Decke
Doch nicht nur der sinkenden Weinkonsum und Dumping-Preise im Supermarkt machen Winzern zu schaffen, sondern auch steigende Betriebskosten. So haben sich die Einkaufspreise für leere Glasflaschen oder Verpackungen, aber auch für Dünger, Pflanzenschutz und andere Betriebsmittel in kurzer Zeit teils mehr als verdoppelt. Zu Buche schlagen auch höhere Kosten für Energie und Personal, vor allem für Saisonarbeitskräfte, Fachkräfte sind Mangelware.
Der Wegfall des Agrardiesels und die beinahe gekippte Kfz-Steuer-Befreiung brachten das Fass zum Überlaufen. So machen neben Landwirten viele Weinbauern mit Demonstrationen auf ihre angespannte Lage aufmerksam. Sie gehen auch gegen eine Politik auf die Straße, die ihnen durch verschärfte Umweltauflagen und wachsende Bürokratie immer mehr aufbürdet, alles noch komplizierter macht.
Selbst mancher große Betrieb wackelt
Kein Wunder, dass immer mehr Winzer aufhören. Anlass gab und gibt meist der Generationswechsel: Ältere, die den Familienwengert aus Passion beackerten und sich so ein Zubrot verdienten, können nicht mehr. Doch die Jugend hat andere Interessen, ist im Hauptberuf eingespannt - verdient in anderen Branchen sowieso mehr Geld, womöglich leichter. Lange gaben vor allem kleinere auf, inzwischen wackeln selbst größere Betriebe. Das Aus des Vaihinger Sonnenhofs, des einst größten Württemberger Privatweinguts (wir berichteten), "ist nur der Anfang", sagen Insider.