Wein aus Top-Jahrgang 2022 wird wohl teurer
Die Traubenlese kommt auf die Zielgerade. Die Württemberger Wengerter sind mit dem 2022er Jahrgang zufrieden und pochen wegen des Kostendrucks auf höhere Preise.

"Betreten der Weinberge verboten!", heißt es am Rande der Lage Schön in Bad Friedrichshall. Schilder wie diese ernten unter Unterländern, Hohenlohern und Kraichgauern ein müdes Lächeln. Schließlich halten sich in der Region zur Herbstzeit bis zu 80.000 Menschen in den Weinbergen auf, schätzt Weinbaupräsident Hermann Hohl.
Schon der Lauffener Poet Friedrich Hölderlin schwärmte ehedem: "Seliges Land! Kein Hügel in dir wächst ohne den Weinstock." Zwischen dem fast fränkischen Dörzbach und dem teils badischen Eppingen, zwischen Möckmühl und Cleebronn: Fast überall findet nach bis zu sechs Wochen die Traubenlese ein Ende. Der baden-württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) wagte am Montag in Esslingen eine Bilanz: bei der von Ramona Fischer, geborene Zaiß aus Heilbronn, geführten WG Teamwerk.
Menge liegt über dem Vorjahr
Der Jahrgang 2022 lässt sich laut BWGV-Präsident Roman Glaser auf eine kurze Formel bringen: sehr gute Qualität bei meist durchschnittlichem Ertrag. Die Lesemenge der 32 WGs dürfte bei 100 Liter pro Ar und damit bei insgesamt 75 Millionen Litern liegen. Inklusive Gütern und Privatkellereien käme Württemberg auf schätzungsweise 105 Millionen Liter, deutlich mehr als 2021 (siehe Grafik).
Großer Sommer mit Vorteilen
2022 wird in die Geschichte als Hitzejahrgang eingehen, der heißeste seit 2003. Die Reben litten im Sommer unter der Trockenheit. "Ältere Reben mit tiefen Wurzeln waren klar im Vorteil gegenüber jüngeren Anlagen, die bewässert werden mussten, vor allem wenn sie auf leichten, wenig Wasser speichernden Böden stehen", weiß BWGV-Beraterin Ute Bader aus Horkheim.
Die Trockenheit hatte auch Vorteile: kerngesunde, reife Trauben, kaum Schädlinge und Pilze und nur punktuelle Hagelschäden, etwa im Bottwartal. Die Niederschläge im August seien "gerade noch rechtzeitig" gekommen. Und im September habe vor allem der Trollinger die Flüssigkeit aufgesogen und so an Menge zugelegt.
Winzer müssen Preise erhöhen
Die Stimmung ist trotzdem angespannt. Steigende Preise für Energie, Dünger und Pflanzenschutz ließen die Betriebskosten in die Höhe schnellen, ebenso wie die hohen Preise für Flaschen, Verpackungen und Logistik sowie der zum 1. Oktober gestiegene Mindestlohn. An "Preisanpassungen" führt laut Glaser kein Weg vorbei.
Eine von Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Vertretern des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) unterzeichnete Absichtserklärung zur Stärkung regionaler Erzeugnisse im LEH müsse "auch beim Wein mit Leben erfüllt werden", betont Glaser, der sich zudem von Verbrauchern mehr Wertschätzung für heimische Weine wünscht und damit für die Arbeit der Winzer. Scharfe Kritik übte er an der EU und deren Plänen zur radikalen Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln. Auf einem großen Teil der Rebflächen könnte dann gar kein Wein mehr angebaut werden, auch nicht von Ökos, hieß es.
Rückläufiger Weinkonsum in 2022
Die aktuelle gesamtgesellschaftliche Krise lässt sich in den Daten des Marktforschers Nielsen ablesen. So wurde im ersten Halbjahr 2022 bundesweit 15 Prozent weniger Wein gekauft als im Vorjahreszeitraum. Der Umsatz reduzierte sich insgesamt um rund 12 Prozent. Die Anzahl weinkaufender Haushalte sank in den ersten sechs Monaten auf 47,1 Prozent gegenüber 50,7 Prozent im Vorjahr und liegt weiterhin unter dem Vor-Corona-Niveau. Wobei es gerade im zweiten Quartal einen Anstieg des Außer-Haus-Konsums gab, weil anders als in den Corona-Lockdown-Zeiten überall wieder Feste stattfinden.
Württemberg gut aufgestellt, heißt es
Die regionalen Tropfen präsentierten sich insgesamt "robuster als der Gesamtmarkt". So ist der Absatz der Württemberger WGs laut WZG-Chef Uwe Kämpfer im ersten Halbjahr 2022 gegenüber dem Vorjahr sogar auf 31,1 Millionen Liter (plus 2,8 Prozent) angestiegen, der Umsatz aber um 0,9 Prozent auf 92,9 Millionen Euro gesunken. Im Jahr 2021 haben die WGs 65,4 Millionen Liter verkauft (minus 6,9 Prozent im Vergleich zu 2020). Der Umsatz sank um 2,9 Prozent auf 206,3 Millionen Euro.
Trotz Krise und Kaufzurückhaltung gibt es auch Gewinner: So konnte etwa Spanien seinen Vorjahreserfolg weiter ausbauen und sowohl in der Menge (11,7 Prozent) als auch wertmäßig (3,9 Prozent) Marktanteile hinzugewinnen. Klarer Verlierer sind Übersee-Länder, die in der Menge 7,5 und im Wert 9,6 Prozent verloren.
