Was das Theater Heilbronn für die kommende Spielzeit plant
Vom Blick in den Spiegel und wie er uns vor Illusionen bewahrt: Insgesamt 26 Premieren stehen auf dem Programm des Theaters Heilbronn für die Saison 2022/23. William Shakespeares Stück "Maß für Maß" soll die Spielzeit am 24. September eröffnen.
"Nichts bewahrt uns so gründlich vor Illusionen wie ein Blick in den Spiegel": Auf der Suche nach einem Motto für die kommende Spielzeit ist das Theater Heilbronn bei Aldous Huxley, dem Autor des Dystopie-Klassikers "Schöne neue Welt", fündig geworden. Die Annahme in den Neunzigern, dass man in Zeiten steuern werde, in denen man demokratisch, verständnisvoll und vernünftig eine neue Welt gestalten könne, scheine obsolet zu sein, so Intendant Axel Vornam am Freitag bei der Vorstellung des neuen Programms im Salon 3. Denn Umstände wie Kriege, der Klimawandel, und Hungersnöte stellten vermeintliche Sicherheiten des demokratischen Zusammenlebens in Frage.
Umso drängender ist nach Ansicht des Theatermachers der Blick in den Spiegel. "Nicht nur, um zu verharren, in dem, was man dort sieht, sondern auch, um zu versuchen, dahinter zu schauen." Also anscheinende Wahrheiten auf den Prüfstand stellen, nach Zusammenhängen fragen, aber auch Widersprüche aushalten. "Das ist ein hehres Ziel, dem man sich nur annähern kann", sagt Axel Vornam. Und zwar mit jeder Aufführung aufs Neue.
Auch eine Uraufführung und eine deutschsprachige Erstaufführung werden gezeigt
Mit insgesamt 26 Premieren plant das Haus am Berliner Platz für die Saison 2022/23, darunter eine Uraufführung in der Experimenta mit der Beziehungskomödie "Die Veredelung der Herzen", dem Gewinnerstück des Dramenwettbewerbs "Science & Theatre" von Mario Wurmitzer, sowie eine deutschsprachige Erstaufführung in der Boxx mit "Absprung", dem Debütstück der Londoner Autorin Rabiah Hussain.
Wie die Programmverantwortlichen betonen, ist keines der Stücke, die ab Herbst 2022 im Großen Haus Premiere feiern werden, am Theater Heilbronn bislang zu sehen gewesen. Eröffnet wird die Spielzeit am 24. September mit Shakespeares "Maß für Maß", das nach Meinung von Chefdramaturgin Mirjam Meuser "zu den schwierigsten, weil dunkelsten, aber auch interessantesten Stücken" des englischen Dramatikers zählt und von Machtmissbrauch und politischen Intrigen erzählt.
Um die Rolle der Frau im Islam dreht sich das zeitgenössische Schauspiel "The Who and the What" des US-Autors Ayad Akhtar ("Homeland Elegien"). Die Wahl des traditionellen Familienstücks fiel auf Lewis Carrolls "Alice im Wunderland", das Musical "High Society" von Cole Porter und Arthur Kopits läutet dann den Jahreswechsel ein. Weiter geht es 2023 mit Thomas Manns Romanfragment "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull" in einer Bühnenfassung, gefolgt von Ferdinand von Schirachs Sterbehilfe-Stück "Gott", Friedrich von Dürrenmatts bitterbösem Komödien-Klassiker "Die Physiker" sowie dem absurden Verwechslungs- und Verwirrspiel "Funny Money!" von Ray Cooney.
Komödienhaus, Boxx und Salon 3: Diese Neuinszenierungen erwartet das Publikum
Die Saison im Komödienhaus beginnt am 6. Oktober mit dem Stück "Schuhe Taschen Männer" von Stefan Vögel, einem Gastspiel der Komödie am Kurfürstendamm. Von den Geschlechtern und ihren Beziehungen zueinander handeln außerdem die Komödien "Die Tür nebenan" von Fabrice Roger-Lacan und "Glück" von Eric Assous. In "Extrawurst" lassen die Autoren Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob einen Tennisverein über den Kauf eines Grills streiten. Karsten Dusses Krimi-Adaption "Achtsam morden" verhandelt auf schräge Weise das Thema Work-Life-Balance. Und ums Altwerden dreht sich schließlich die Revue "Himmlische Zeiten", ein Gastspiel der Komödie im Marquardt.
Fünf Inszenierungen hat sich das Junge Theater für die Boxx vorgenommen, darunter Stücke des Kinderbuchautors Paul Maar sowie der ersten Gewinnerin des "Science & Theatre"-Wettbewerbs, Christina Kettering. Auch für den Salon 3 sind Neuinszenierungen vorgesehen, Informationen dazu folgen laut Intendant Axel Vornam im Herbst.
Festivals, Kabarett, Lesungen sowie Musik- und Tanz-Gastspiele im Überblick
Auch in der Spielzeit 2022/2023 wird am Theater Heilbronn wieder Musiktheater und Tanz im Großen Haus geboten. Den Anfang macht das Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim mit Stefan Thoss" "Mozart". Der Tanzabend, der am 8. Oktober Premiere feiert, nimmt vor allem die Zeit des jungen Komponisten in der damaligen Residenz Mannheim in den Blick. Mozarts Musik trifft dabei auf die Klänge von Arvo Pärt. Als Gastspiel aus Fürth kommt das Musical "The famous door on Swing Street" von Thilo Wolf und Ewald Arenz nach Heilbronn und entführt ins Manhattan der 1930er Jahre, in die Zeit von Jazz und Prohibition. Premiere ist am 19. Oktober. Andrew Lloyd Webbers Musical "Sunset Boulevard" feiert am 21. Januar 2023 Premiere. Die Geschichte einer alternden Hollywood-Diva und eines jungen Drehbuchautors ist als Inszenierung des Pfalztheaters Kaiserslautern im Großen Haus zu erleben.
Heilbronns Theaterintendant Axel Vornam inszeniert Antonín Dvoráks "Rusalka" als Gastspiel des Theaters und Orchesters Heidelberg. Premiere ist am 29. Januar. Ein abendfüllendes Ballett über das Leben und Wirken des Chroreografen Waslaw Nijinski ist als Gastspiel des Staatstheaters Hannover mit Marco Goeckes "Nijinski" zu sehen. Die Premiere findet am 1. Juni statt.
Auch in der kommenden Spielzeit wird es eine Zusammenarbeit des Theaters mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn (WKO) und der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart geben. Von Axel Vornam inszeniert, feiert Mozarts Oper "Le Nozze di Figaro" am 10. März Premiere. Das Internationale Figurentheaterfestival "Imaginale" wird vom 2. bis zum 12. Februar ausgerichtet, die mittlerweile 13. Ausgabe von "Tanz! Heilbronn" ist vom 9. bis 14. Mai unter der Leitung von Canan Erek geplant.
Viel Kabarett, aber auch Musik und Lesungen bietet die Reihe "Theater Spezial" mit Veranstaltungen im Komödienhaus und im Großen Haus. Angekündigt sind die Kabarettisten und Comedians Mirja Regensburg, The Cast, Lisa Fitz und Helmut Schleich. Schauspieler Joachim Król kommt mit einer musikalischen Lesung von Albert Camus" "Der erste Mensch zu Gast", Schauspieler Samuel Finzi ist in einer Bühnenfassung von Joseph Roths Roman "Hiob" zu sehen. Des Weiteren sind Schauspielerin Andrea Sawatzki sowie Moderatorin und Autorin Christine Westermann angekündigt. Die genauen Termine und Spielorte werden noch bekanntgegeben.

Hintergrund: Personalwechsel
Nach zehn Jahren verlässt Chefdramaturg Andreas Frane das Theater Heilbronn und wird Schauspieldirektor in Pforzheim. Seine Nachfolgerin ist Mirjam Meuser. Neu in der Dramaturgie ist Katrin Aissen aus Lübeck. Lisa Schwarzer, Lion Leuker, Lucas Janson und Zlatko Maltar verlassen das Schauspielensemble, dafür kommen Leonie Berner, Luca Rosendahl sowie im Jungen Ensemble Cosima Fischlein. Schauspielerin Sarah Finkel wechselt von der Boxx ins Große Haus/Komödienhaus.